Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Sachsen
I Sạchsen,Land (Freistaat) im O der Bundesrep. Dtl., 18 412 km2, (1999) 4,507 Mio. Ew.;
Hptst. ist Dresden.Landesnatur: S. liegt im Übergangsbereich von glazial geformtem Flachland im N zum Mittelgebirgsland im S und gehört (außer dem äußersten O) zum Einzugsbereich der Elbe, die S. in SO-NW-Richtung durchquert. Westlich der Elbe greift im NW die Leipziger Tieflandsbucht weit nach S aus, zw. Mulde und Elbe erstreckt sich der SO-Teil der Dübener Heide und das Nordsächs. Tiefland. Im S hat S. Anteil an der Mittelgebirgsschwelle, über die die Grenze zur Tschech. Rep. verläuft, und zwar am Elstergebirge (im äußersten SW), das oft als der südl. Teil des Vogtlandes angesehen wird, am Erzgebirge mit dem 1 214 m ü. M. hohen Fichtelberg, der höchsten Erhebung S.s, am Elbsandsteingebirge mit dem Nationalpark Sächs. Schweiz beiderseits der tief eingeschnittenen Elbe sowie im äußersten O am Lausitzer (Zittauer) Gebirge, dem westlichsten Glied der Sudeten. Dem Mittelgebirgsland vorgelagert ist das Mittelsächs. Hügelland (durch Zwickauer Mulde, Zschopau und Freiberger Mulde mit z. T. tiefen Tälern gegliedert) mit der flachen Einsenkung des Erzgebirgsbeckens, in dessen Mittelpunkt Chemnitz liegt. Den östl. Teil S.s um die obere Spree bilden die Oberlausitz und ein kleiner Teil der Niederlausitz. Raue Klimabedingungen herrschen im Erzgebirge und Vogtland, dagegen sind der Dresdner Elbtalkessel und die Leipziger Tieflandsbucht klimabegünstigt. Etwa ein Viertel der Fläche S.s ist von Wald bedeckt.Bevölkerung: S. gehört mit (1998) 245 Ew./km2 zu den dichter besiedelten Bundesländern. Die Bev. verminderte sich von 1990 bis 1998 von 4,76 Mio. auf 4,5 Mio. Neben der dt.stämmigen Bev. lebt im O von S. in der Oberlausitz um Hoyerswerda, Bautzen, Kamenz, Niesky und Weißwasser die nat. Minderheit der etwa 40 000 Sorben. Meistverbreitete Konfession ist der Protestantismus (unter den Sorben der Katholizismus). S. besitzt vier Univ. (Leipzig, Dresden, Chemnitz, Freiberg), sechs FH sowie je zwei Kunsthochschulen in Dresden und Leipzig.Wirtschaft: S. ist ein Bundesland mit bedeutender Industrie. Der bereits im MA. entwickelte Bergbau im Erzgebirge, die Stein- und Braunkohlenvorkommen und die günstige geograph. Lage in der Mitte Europas gaben der handwerkl. und industriellen Produktion starke Impulse, die von einer bed. Landwirtschaft gestützt wurden. Die Umstellung von der Zentralverwaltungswirtschaft auf die soziale Marktwirtschaft nach 1989 führte zur Existenzkrise vieler Ind.betriebe und z. T. ganzer Ind.zweige (Textil-, chem. Ind., Fahrzeugbau, Bergbau) sowie landwirtsch. Unternehmen. Der heute weitestgehend eingestellte Abbau von Braunkohle um Borna-Espenhain südlich und um Delitzsch nördlich von Leipzig, um Hoyerswerda-Weißwasser und zw. Görlitz und Zittau sowie die damit verbundene Elektroenergieerzeugung, Kohlechemie und der Uranerzbergbau im Erzgebirge verursachten schwere Umweltschäden. Heute befindet sich etwa ein Drittel des wirtsch. Potenzials der neuen Bundesländer in Sachsen. Zentren sind die industrielle Ballungszone Elbtal zw. Pirna und Meißen mit dem Hauptstandort Dresden, das Ind.gebiet in und um Leipzig und das Erzgebirgsvorland und Vogtland mit der Ind.zone Freiberg-Chemnitz-Zwickau-Plauen. Spezielle Ind.- und Gewerbezweige haben sich insbesondere im Erzgebirge mit Spielwarenherstellung und Schnitzkunst (Olbernhau, Seiffen/Erzgeb.) und Uhrenfertigung (Glashütte) entwickelt. Der Uran- (um Aue) und Zinnerzbergbau (um Altenberg) wurde 1991 eingestellt. Die 1990 im großen Ausmaß begonnene Sanierung der Bergbauflächen des Uranbergbaus (Wismut AG) gehört zus. mit der des Braunkohlenbergbaus zu den derzeit weltgrößten Umweltprojekten. - Lössablagerungen im Vorland der Mittelgebirge, in der Leipziger Tieflandsbucht, im Gebiet der Lommatzscher Pflege, im Elbtalkessel sowie in der Oberlausitz westlich und südlich von Bautzen (Lausitzer Gefilde) ermöglichen ertragreichen Ackerbau (v. a. Anbau von Weizen, Zuckerrüben und Gemüse). Obstbau bes. im Elbtalkessel und um Leisnig, Weinbau zw. Pillnitz und Diesbar-Seußlitz mit dem Zentrum Meißen (eines der nördlichsten geschlossenen Weinbaugebiete Europas). Auf den im Nordsächs. Tiefland vorherrschenden sandigen Böden sowie in den höheren Lagen des Mittelgebirgsvorlandes Roggen-, Kartoffel- und Futterpflanzenanbau, in den oberen Gebirgslagen Rinderzucht. - Wichtigste Erholungsgebiete sind Elbsandstein-, Erzgebirge und Vogtland. - S. wird von einem dichten Verkehrsnetz durchzogen, dessen Leistungsfähigkeit nach 1990 durch den Aus- und Neubau der Autobahn Dresden-Görlitz bzw. durch fertiggestellte Teilstrecken der im Bau befindl. Trassen Dresden-Prag und Südharz-Autobahn, von Straßen und Eisenbahnstrecken (Ausbau der »Sachsenmagistrale« auf der Strecke Hof-Leipzig/Chemnitz-Dresden) im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit deutlich verbessert wurde. Größte Bahnknotenpunkte sind Leipzig, Chemnitz und Dresden. Binnenschifffahrt auf der Elbe mit Häfen in Torgau, Dresden und Riesa. Internat. Flughäfen bei Leipzig (Leipzig-Halle) und in Dresden.Verfassung: Nach der Verf. vom 27. 5. 1992 liegt die Legislative beim Landtag (120 Abg., auf fünf Jahre gewählt). Träger der Exekutive ist die Landesreg., bestehend aus dem vom Landtag gewählten MinPräs. und den von ihm berufenen Min. Die Verf. fixiert die Möglichkeit von Volksbegehren und -entscheiden sowie eine Reihe von Staatszielen.
Geschichte: Ende des 9. Jh. bildete sich das Stammesherzogtum der Sachsen unter Führung der Liudolfinger heraus, die 919-1024 die dt. (Röm.) Könige stellten. Die Herzogsgewalt der Billunger erstreckte sich nur auf die Grenzmark an der unteren Elbe. 1137 wurde die Herzogswürde den Welfen übertragen, 1142 erhielt sie Heinrich der Löwe. Unter ihm erreichte das Stammesherzogtum seine größte Ausdehnung. Nach seinem Sturz wurde es 1180 auf ein östl., an der Elbe gelegenes Restherzogtum reduziert (das übrige S. kam z. T. an das Erzstift Köln, z. T. bildete es später das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg). Das Restherzogtum S. fiel an die Askanier, die es 1260 in die Herzogtümer S.-Lauenburg und S.-Wittenberg teilten. Die Kurwürde bekam 1356 (Goldene Bulle) allein S.-Wittenberg (seitdem Kurland) zugesprochen. Mit Friedrich I., dem Streitbaren, erhielten die wettin. Markgrafen von Meißen 1423 Kurwürde und Herzogstitel. - Das Kernland ihres späteren Staates war die Markgrafschaft Meißen. Diese umfasste seit 982 nach der Niederwerfung der slaw. Daleminzen und der Errichtung der Burg Meißen 929 durch König Heinrich I. die Markgrafschaften Merseburg, Zeitz und Meißen und gelangte 1089/1125 an das Haus Wettin. Seit Mitte des 13. Jh., vergrößert 1247/64 u. a. um Thüringen, 1253/54 bzw. 1329 um das Pleißenland, reichte die Markgrafschaft von der Oder bis zur Werra, vom Erzgebirge bis zum Harz. Auf dieses Gebiet übertrug sich 1423 der Name des Kurfürstentums S. (Kur-S. oder Ober-S.; im Unterschied zum ursprüngl. Siedlungsgebiet der Sachsen, jetzt Nieder-S. genannt). 1485 kam es zur Leipziger Teilung des Hauses Wettin in zwei Linien: Die ernestin. Linie gelangte in den Besitz der Hauptmasse Thüringens (ab 1572 Aufspaltung in die Sächsischen Herzogtümer), des Vogtlandes und (bis 1547, Schlacht bei Mühlberg) des Kurlandes S.; sie geriet in der Reformationszeit als Förderer M. Luthers (Friedrich III., der Weise) und Führer des Schmalkald. Bundes (Johann Friedrich I., der Großmütige) ins Zentrum europ. und dt. Geschichte. Die albertin. Linie erhielt die Markgrafschaft Meißen, das Leipziger Gebiet (Teile des Osterlandes), das nördl. Thüringen, 1547 (Wittenberger Kapitulation) das Kurland S. mit der Kurwürde (Moritz) und 1635 (Prager Frieden) die Ober- und Niederlausitz. In der Folgezeit trat es die prot. Führungsrolle an Preußen ab. Unter der absolutist. Herrschaft Augusts II., des Starken (1697 Übertritt zum Katholizismus), wurde das Kurfürstentum S. in Personalunion mit Polen verbunden (bis 1763). Großen kulturellen Leistungen (Dresdner Barock, J. S. Bach) stand schwindender polit. Einfluss (v. a. durch den Siebenjährigen Krieg 1756-63) gegenüber. Ende des 18. Jh. entstanden Textilmanufakturen, und im 19. Jh. entwickelte sich S. zum ausgeprägten Ind.staat. Ab 1806 war das Land Mitgl. des Rheinbundes und wurde durch Napoleon I. zum Königreich erhoben. König Friedrich August I. wurde nach der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) gefangen genommen und S. bis 1815 von russ., dann preuß. Truppen besetzt. - Durch den Wiener Kongress (1815) kam die N-Hälfte des Königreichs an Preußen (Sachsen-Anhalt, Geschichte). - 1831 erhielt das Königreich S. eine Verf., die ein Zweikammersystem vorsah. 1866 erfolgte der Beitritt zum Norddt. Bund. Mit dem Wachstum der Ind. setzte ein starker wirtsch. Aufschwung ein, und die Sozialdemokratie wurde 1903 stärkste Partei (»rotes S.«). Am 10. 11. 1918 wurde in Dresden von den Arbeiter-und-Soldaten-Räten die Rep. S. ausgerufen (am 13. 11. 1918 Thronverzicht Friedrich Augusts III.), am 1. 11. 1920 nach Weimarer Vorbild eine Verf. im Freistaat S. erlassen. Im April und Mai 1945 zunächst von amerikan. (West-S.) und sowjet. Truppen besetzt (außer dem damaligen Landkreis Schwarzenberg zw. 8. 5. und 20. 6. 1945) kam S. bis 1. 7. 1945 mit Teilen Niederschlesiens zur sowjet. Besatzungszone. Mit der Aufhebung der Verf. vom 28. 2. 1947 am 25. 7. 1952 wurde S. in die Bez. Leipzig, Dresden und Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) aufgeteilt, am 3. 10. 1990 als Land (Freistaat) wieder errichtet. Als erstes der neuen Bundesländer erhielt S. eine neue Verf. (26. 5. 1992; in Kraft seit 27. 5.). Bei den Landtagswahlen vom 14. 10. 1990 und 11. 9. 1994 errang die CDU die absolute Mehrheit und stellt mit K. Biedenkopf den Ministerpräsidenten.
Literatur:
H. Heckmann, Historische Landeskunde Mitteldeutschlands, hg. v. Bd. 1: S. Würzburg 31991.
Blaschke, K.: Geschichte S.s im Mittelalter. Berlin 21991.
Zemmrich, J.: Landeskunde von S. Neuausg. Berlin 1991.
Kötzschke, R. u. Kretzschmar, H.: Sächsische Geschichte. Neuausg. Augsburg 1995.
Naturräume in S., hg. v. K. Mannsfeld u. H. Richter. Trier 1995.
Landesgeschichte in S., hg. v. R. Aurig u. a. Bielefeld 1997.
S. im Kaiserreich, hg. v. S. Lässig u. K. H. Pohl. Dresden 1997.
Menzhausen, J.: Kulturlandschaft S. Ein Jahrtausend Geschichte u. Kunst. Amsterdam 1998.
Naumann, G.: Sächsische Geschichte in Daten. München 31998.
S. im 17. Jahrhundert. Krise, Krieg u. Neubeginn, hg. v. U. Schirmer. Beucha 1998.
Wirtschaft u. Geseelschaft in S. im 20. Jahrhundert, hg. v. W. Bramke u. U. Hess. Leipzig 1998.
II Sạchsen
[vermutlich Kurzform von ahd. sahsnotas »Schwertgenossen«],
1) (lat. Saxones, später auch Niedersachsen), dt. Stamm, urspr. als westgerman. Stamm(esverband) nördlich der Elbe (Holstein) sesshaft (2. Jh. n. Chr.), breitete sich ab dem 3./4. Jh. nach Süden aus (Kerngebiet: Elbe-Weser-Dreieck). Ein Teil der S. eroberte zus. mit Angeln und Jüten im 5. Jh. England (Angelsachsen). Das Stammesgebiet gliederte sich in Westfalen, Engern, Ostfalen und Nordalbingien (Holstein) auf. In den Sachsenkriegen Karls d. Gr. (772-804) wurden die von Widukind geführten S. der fränk. Herrschaft unterworfen und christianisiert.Das sächs. Stammesrecht (Lex Saxonum) entstand um 802 unter fränk. Herrschaft. Die Herkunftssage der S. (»Origo gentis«, 9. Jh.) erhielt durch Widukind von Corvey (um 960) deutlich antifränk. Züge. - In der Forschung diskutiert werden Stellung und Selbstverständnis der S. im Frankenreich (»Regnum Francorum et Saxonum«) sowie die ethnogenet. Prozesse und polit. Strukturen im 9./10. Jh. einschl. der liudolfing. Königszeit.
Literatur:
Becher, M.: Rex, Dux u. Gens. Untersuchungen zur Entstehung des sächsischen Herzogtums im 9. u. 10. Jahrhundert. Husum 1996.
Capelle, T.: Die S. des frühen Mittelalters. Darmstadt 1998.
2) die Obersachsen.
3) (lat. Saxones), in mittelalterl. Quellen in SO-Europa auch Bez. für dt. Siedler, in Siebenbürgen (Siebenbürger Sachsen) und in der Zips von der ungar. Kanzlei geprägt.
III Sạchsen,
Moritz Graf von, gen. Maréchal de Saxe, Marschall von Frankreich (seit 1744), * Goslar 28. 10. 1696, ✝ Schloss Chambord 30. 11. 1750, Sohn Augusts II., des Starken, und der Gräfin Aurora von Königsmarck; seit 1720 in frz. Diensten, eroberte im Österr. Erbfolgekrieg 1745-47 die südl., österr. Niederlande. Seine »Einfälle über die Kriegskunst« (veröffentlicht 1756) beeinflussten Friedrich II., d. Gr., von Preußen.
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