Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
römische Geschichte
römische Geschichte, die Geschichte der antiken Stadt Rom und des von ihr begründeten Staatswesens.Anfänge und Königszeit (10./9. Jh. bis um 509 v. Chr.): Das Gebiet der späteren Stadt Rom weist seit dem 10./9. Jh. v. Chr. auf den Hügeln Palatin, Quirinal, Viminal und Esquilin eine kontinuierl. Besiedlung auf. Das Wirtschaftsleben war agrarisch primitiv, in der Sozialstruktur scheinen von Anfang an die Geschlechter (Gentes) eine bed. Rolle gespielt zu haben. Der antiken Überlieferung von der Gründung Roms am 21. 4. 753 v. Chr. sowie der Zahl und Geschichte der sieben Könige kommt kein histor. Wert zu.
Um 575 gerieten die röm. Hügelsiedlungen unter die Herrschaft etrusk. Könige, die sie zu einem Gemeinwesen unter zentraler Leitung verbanden (Name nach dem etrusk. Geschlecht der Rumach) und damit Rom als Stadtstaat im Rechtssinne konstituierten. Die alten Sippenhäupter verschmolzen mit dem etrusk. Adel zu einer neuen Aristokratie, die bald die Ratsfähigkeit in dem vom König berufenen Senat erhielt und sich zum Geburtsadel des Patriziats entwickelte. Die Patrizier wurden in drei Tribus, 30 Kurien und 300 Geschlechter gegliedert. Außerhalb dieser Ordnung standen die Plebejer. - Außenpolitisch wurde der latin. Stammesbund unterworfen (Sage von der Zerstörung Alba Longas); Kämpfe mit Nachbarstädten führten zur Beseitigung des Königtums (nach der Überlieferung 509 v. Chr. Vertreibung des letzten etrusk. Königs Tarquinius Superbus).Die römische Republik (um 509 v. Chr. bis 27 v. Chr.): Nach der Beseitigung des Königtums wählten die röm. Patrizier aus ihrer Mitte zwei Jahresbeamte (Prätoren, später Konsuln genannt). Höchstes polit. Organ war der Senat. Der Ständekampf brachte den Plebejern um 450 die Kodifikation des Rechts im Zwölftafelgesetz, 363 (nach der Überlieferung 367) den Zugang zum Konsulat, 300 zu den Priesterämtern und 287 die rechtl. Gleichstellung der Plebiszite mit den Leges (Lex). Die Grund besitzenden Patrizier und die vermögenden Plebejer verschmolzen zur Nobilität, ein Amtsadel, dem jeder angehörte, der selbst oder dessen Vorfahren eines der höchsten Ämter bekleidet hatten. Eine feste Ämterlaufbahn (»cursus honorum«) bildete sich heraus. - Trotz der Niederlage gegen die Kelten (»Gallier«) aus der Poebene an der Allia (386; Besetzung Roms mit Ausnahme des Kapitols) konnte Rom in Kriegen gegen die Latiner, Etrusker und Samniten seinen Einfluss auf Mittelitalien ausdehnen (Latinerkrieg 340-338, Auflösung des Latin. Städtebundes; Samnitenkriege 328-304 und 298-290). Im folgenden Keltenkrieg (285 bis 283) fiel der Ager Gallicus (Küste Umbriens) an Rom. Die Einnahme Tarents (272), der Anschluss von Rhegion (heute Reggio di Calabria; 270) und die Unterwerfung der Messapier (266) vollendeten die röm. Herrschaft in S-Italien. Durch die rechtlich versch. Bindungen der unterworfenen oder übergetretenen Völker und Städte durch Verträge, die Anlage von Kolonien und Gründung von Munizipien sicherte Rom seine Herrschaft über Italien.
Die erste außeritalische Auseinandersetzung erfolgte mit Karthago im 1. Pun. Krieg (264-241), in dem Rom ganz Sizilien (228/227 Provinz) mit Ausnahme des verbündeten Königreichs Syrakus gewann. 237 wurden auch Sardinien und Korsika römisch (228/227 Provinz). Im 2. Pun. Krieg (218-201) zog Hannibal über die Alpen nach Italien und erschütterte die röm. Machtstellung; er wurde jedoch nach der Eroberung Spaniens durch Rom (206; 197 zwei röm. Provinzen) in Afrika durch Publius Cornelius Scipio Africanus d. Ä. bei Zama 202 vernichtend geschlagen. Im 2. Makedon. Krieg (200-197) besiegte Rom Philipp V. von Makedonien 197 bei Kynoskephalai und ließ 196 alle Griechen für frei erklären. Das Reich des Seleukidenkönigs Antiochos III. wurde im Frieden von Apameia 188 als Großmacht beseitigt. Roms Sieg im 3. Makedon. Krieg (172/171-168) endete mit der Zerschlagung Makedoniens in vier Republiken (148 als Provinz). Karthago wurde trotz seiner Unterwerfung unter Rom im 3. Pun. Krieg (149-146) restlos zerstört (Einrichtung der Provinz Africa), ebenso Korinth nach dem gleichzeitigen Krieg zw. Rom und dem Achaiischen Bund. Kämpfe in Spanien (154-133) endeten mit der Zerstörung von Numantia (133). Das Römische Reich (Imperium Romanum) umfasste nun den gesamten Mittelmeerraum.Die rapide Ausweitung des röm. Herrschaftsgebietes hatte schwere ökonom. und soziale Strukturkrisen hervorgerufen (Dezimierung und Besitzverlust des mittleren Bauerntums, wachsender Reichtum der Nobilität und des Ritterstandes [Equites], Latifundienwirtschaft mit großem Sklavenbedarf). 133 legte der Volkstribun Tiberius Sempronius Gracchus gegen den Willen der Senatsmehrheit ein Ackergesetz vor, das den Besitz an Staatsland (Ager publicus) beschränkte; er scheiterte ebenso wie sein Bruder Gaius Sempronius Gracchus, der 123/122 die Ackergesetzgebung mit der Forderung nach Verleihung des röm. Bürgerrechts an die italischen Bundesgenossen wieder aufnahm. In dieser Zeit kamen die Parteibez. Optimaten und Popularen auf. Das Versagen der Nobilität im Jugurthin. Krieg (111-105) und gegen die Kimbern und Teutonen (113-101) führte zum Aufstieg des nichtadligen Gaius Marius, der das Milizheer der Bauern durch eine Armee aus Berufssoldaten ersetzte, aber damit das Problem der Veteranenversorgung schuf. Die politisch benachteiligten Bundesgenossen erzwangen im Bundesgenossenkrieg (91-89) für sich das röm. Bürgerrecht. Als die Popularen und Anhänger des Marius sich gegen den Feldherrn Lucius Cornelius Sulla wandten, eröffnete dieser durch seinen Marsch auf Rom den Bürgerkrieg. Nach dem Sieg über Mithridates VI. von Pontos im 1. Mithridat. Krieg (89-84) und dem Ende des röm. Schreckensregiments der Popularen unter Lucius Cornelius Cinna (87-84) stellte Sulla (seit Dez. 82 Diktator; Rücktritt 79) die Herrschaft der Optimaten wieder her. Nach dem 3. Mithridat. Krieg (74-63) wurden die Provinzen Bithynien-Pontos und Syrien durch Gnaeus Pompeius, der sich unter Sulla ausgezeichnet hatte, eingerichtet. Zur gleichen Zeit hatten 73-71 der Sklavenaufstand des Spartacus sowie 65 und 63 die Versuche des Lucius Sergius Catilina, das Konsulat zu erlangen, Italien erschüttert. Da Pompeius mit seinen Forderungen auf Anerkennung seiner Maßnahmen und Versorgung seiner Veteranen auf Ablehnung stieß, verband er sich mit Cäsar und Marcus Licinius Crassus 60 zum sog. 1. Triumvirat. Dieses brachte Cäsar das Konsulat für 59 und das Prokonsulat für Gallien, das er 58-51 unterwarf.
Nach der Auflösung des Triumvirats näherte sich Pompeius dem Senat, um sich gegen Cäsar behaupten zu können; dieser eröffnete 49 durch den Übergang über den Rubikon den 2. Bürgerkrieg, der mit den Niederlagen der Pompeianer 48 bei Pharsalos, 46 bei Thapsus und 45 bei Munda (heute Montilla) endete. Cäsar war damit als Diktator und Konsul alleiniger Herr im Röm. Imperium; wegen seiner monarch. Machtstellung wurde er am 15. 3. 44 ermordet. Sein Großneffe und Adoptivsohn Gaius Octavius (Oktavian; Augustus) wandte sich gegen den Konsul Marcus Antonius, verband sich aber 43 mit diesem und dem Cäsarianer Marcus Aemilius Lepidus zum 2. Triumvirat. Die Triumvirn teilten das Reich unter sich auf und schlugen die Cäsarmörder 42 bei Philippi. Oktavian besiegte 36 Pompeius und zwang Lepidus zur Abdankung. Wegen der Beziehungen Antonius' zur ägypt. Königin Kleopatra VII. kam es 32 zum Krieg mit Oktavian, der ihn durch die Schlacht von Aktium (31) und die Einnahme Alexandrias (30) für sich entschied.Kaiserzeit (27 v. Chr. bis 476 n. Chr. ): Oktavian war nach dem Sieg bei Aktium röm. Alleinherrscher. Er verkündete die Wiederherstellung der Republik, wofür ihm der Senat 27 v. Chr. den Ehrennamen Augustus verlieh; die tatsächl. Führung lag jedoch bei ihm (Prinzipat). Rom entwickelte sich zur größten Finanz- und Handelsmetropole des Mittelmeerraumes. Der vom Princeps garantierte Friede (Pax Augusta) führte zur Konsolidierung des Reiches, zum Aufblühen von Kunst und Literatur. - Die Nachfolger des Augustus im julisch-claud. Haus (14-68), Tiberius, Gaius (gen. Caligula), Claudius und Nero, setzten die defensive Friedenspolitik außer in Germanien (14-16) und Britannien (43-47) fort. Caligula strebte als erster Kaiser nach Vergöttlichung; Claudius eröffnete Nichtitalikern den Zutritt zum Senat und organisierte den Ausbau der Hofämter durch Freigelassene. Die Prätorianerpräfekten (Sejan unter Tiberius und Tigellinus unter Nero) gewannen an Bedeutung, während der Einfluss des Senats zurückgedrängt und die Stellung des Kaisers gehoben wurden. Der Brand von Rom mit der dadurch veranlassten Christenverfolgung (64) und die zahlr. Hinrichtungen im Gefolge der Pison. Verschwörung (65) führten zu Aufständen der Kommandanten der Grenzheere, die das Willkürregiment Neros beseitigten. - Aus den Wirren des Vierkaiserjahres 68/69 ging Vespasian als Sieger hervor, der zum Begründer der 1. flav. Dynastie (69-96) wurde. Er ließ den jüd. Aufstand (66-70) niederwerfen. Domitian sicherte die Rhein- und Donaugrenze u. a. durch Einrichtung der Provinz Ober- und Untergermanien (um 90) und den Baubeginn des obergerman. und rät. Limes (etwa 83). Nach Domitians Ermordung bestimmte der Senat aus seinen Reihen Nerva zum Princeps, der bei der Nachfolgeregelung das Adoptionsprinzip (Adoptivkaiser) einführte. Unter Trajan (106-117) erreichte das Imperium seine größte Ausdehnung durch Einrichtung der Provinzen Dakien, Arabien, Mesopotamien, Armenien und Assyrien, die Hadrian außer Dakien und Arabien wieder aufgab. Mark Aurel sicherte die Reichsgrenzen in den Markomannenkriegen (166-175; 177/178-180). Die Aufgabe der Eroberungspolitik und der wirtsch. Niedergang als Folge von Pest und Krieg führten unter Commodus zu mehreren Verschwörungen.
Nach der Ermordung des Commodus konnte der Afrikaner Septimius Severus erst nach langem Bürgerkrieg eine neue Dynastie gründen (Severer 193-235). Sein Sohn Caracalla verlieh durch die Constitutio Antoniniana von 212 allen freien Reichsangehörigen das röm. Bürgerrecht. Das röm. Recht wurde zum Reichsrecht; an der Spitze der Verw. und Rechtsprechung standen als Prätorianerpräfekten Juristen, die die klass. röm. Jurisprudenz zum Abschluss brachten und den monarch. Absolutismus theoretisch begründeten.Nach dem Ende der Severerdynastie begann mit der Erhebung des Thrakers Gaius Julius Verus Maximinus durch die Legionen die Zeit der rd. 40 stets vom Heer ausgerufenen Soldatenkaiser. Unter Gallienus kam es zur Bildung des gall. Sonderreichs im W (Postumus) und des Reichs von Palmyra im O (beide 271-273 durch Aurelian beseitigt). Der Krieg mit den Sassaniden 231-233 setzte sich unter Gordian III. und Valerian fort (259/60 Gefangennahme Valerians). Die Kämpfe gegen Alemannen und Goten zwangen zur Aufgabe des Dekumatlandes (260) und der Provinz Dakien (270), während 277/278 die Rhein- und Donaugrenze gesichert werden konnten. Durch zahlreiche Reformen suchte Diokletian das Reich zu stabilisieren. Er schuf die Herrschafts- und Thronfolgeordnung der Tetrarchie, die jedoch 306 durch die Ausrufung Konstantins I., d. Gr., zum Augustus außer Kraft gesetzt wurde. Zugleich formten Diokletian und Konstantin I. den Prinzipat zum Dominat um (Ausgestaltung des Hofzeremoniells im hellenistisch-oriental. Sinne, Ausbau des Beamtenapparats, Trennung von Zivil- und Militärverw., Schaffung einer neuen Provinzial- und Steuerordnung). Das auf Zwang beruhende Verwaltungs- und Militärsystem wurde durch die Bindung der Bauern an die Scholle (Kolonat), den Innungszwang der Handwerker, die Verpflichtung zu öffentl. Dienstleistungen sowie durch die persönl. Haftung der Dekurionen für die Steuerabgaben ihrer Gemeinden ergänzt. Konstantin I., der 330 Konstantinopel als zweite Hauptstadt gründete und zum Schöpfer der 2. flav. Dynastie wurde, tolerierte nach den Verfolgungen Diokletians das Christentum und entschied sich 325 für das Nicänische Glaubensbekenntnis, das 380/381 unter Theodosius I., d. Gr., für alle Reichsangehörigen verbindlich wurde. 395 wurde das Reich unter die beiden Söhne des Theodosius, Honorius und Arcadius, in eine W- und eine O-Hälfte geteilt. Durch die Einfälle der Germanen, die 410 (Westgoten) und 455 (Wandalen) Rom plünderten und als Foederati eigene Staaten auf röm. Reichsboden gründeten, löste sich das Westreich unter schnell wechselnden Kaisern auf und endete mit der Entthronung (476) des Romulus Augustulus durch Odoaker und/oder mit der Ermordung (480) des Julius Nepos; vom Oström. Reich (Byzantin. Reich) wurde jedoch weiterhin Anspruch auf die Westhälfte erhoben.
Literatur:
Heuss, A.: R. G. Braunschweig 51983.
Dahlheim, W.: Geschichte der röm. Kaiserzeit. München 21989.
Demandt, A.: Die Spätantike. Röm. Geschichte von Diocletian bis Justinian, 284-565 n. Chr. München 1989.
Christ, K.: R. G. Einführung, Quellenkunde, Bibliographie. Darmstadt 41990.
Bleicken, J.: Geschichte der röm. Republik. München 41992.
Syme, R.: Die Röm. Revolution. A. d. Engl. Neuausg. München 1992.
Höcker, C.: Antikes Rom. Köln 1997.
Die röm. Kaiser. Histor. Portraits von Caesar bis Iustinian, hg. v. M. Clauss. München 1997.
Weeber, K.-W.: Alltag im alten Rom. Sonderausg. Düsseldorf u. a. 3 1997.
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