Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Rätesystem
Rạ̈tesystem(Rätedemokratie), radikale Form der direkten Demokratie, in der Wählervollversammlungen der Basiseinheiten (Betriebs-, Wohn- und Verwaltungseinheiten) als Vertreter die an ihr Mandat gebundenen und jederzeit abwählbaren Räte wählen. Die Räte besitzen gesetzgebende, ausführende und Recht sprechende Gewalt. Die Räte der Basiseinheiten wählen ihrerseits jeweils die Vertreter zu einem Rat auf höherer Ebene (indirekte Wahl). - Die polit. Theorie des R. geht auf P. J. Proudhon, M. Bakunin und v. a. auf K. Marx und Lenin zurück, die mit ihrer Deutung der Pariser Kommune (1871) die modernen Erscheinungsformen des Rätegedankens prägten. Seit 1890 spielte dieser im frz. und span. Syndikalismus eine Rolle, ebenso in den russ. Revolutionen 1905 und 1917 (Arbeiter- und Soldatenräte); er hatte aber nach der Oktoberrevolution nur noch formale Bedeutung. Während der Novemberrevolution 1918 bildeten sich vorübergehend in Dtl. und Ungarn Räterepubliken. Neu belebt wurde die Räteidee durch die neue Linke.
Literatur:
U. Bermbach. Theorie u. Praxis der direkten Demokratie. Texte u. Materialien zur Räte-Diskussion, hg. v. Opladen 1973.
Kevenhörster, P.: Das R. als Instrument zur Kontrolle polit. u. wirtschaftl. Macht. Opladen 1974.
Dähn, H.: Rätedemokrat. Modelle. Studien zur Rätediskussion in Dtl. 1918-1919. Meisenheim am Glan 1975.
Kolb, E.: Die Arbeiterräte in der dt. Innenpolitik, 1918-1919. Neuausg. Frankfurt am Main u. a. 1978.
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