Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Rundfunk
Rundfunk(Radio, in der Schweiz auch Rundspruch, engl. Broadcasting, frz. Radiodiffusion), meist ungerichtete, drahtlose Übertragung von Sprache und Musik (Hör-R.) oder Bild, Sprache und Musik (Fernseh-R.) mittels elektromagnet. Wellen, teilweise auch über Leitungen (spezielle Kabel) oder Satellitenverbindungen. R. schließt auch Darbietungen ein, die verschlüsselt verbreitet werden, oder rein visuell (Videotext) oder nur gegen besonderes Entgelt empfangen werden können (Pay-TV). (Fernsehen)Technik: Die elektr. Signale der Sprach-, Musik- und Bildinformation werden mittels Mikrofonen oder/und Fernsehkameras in elektr. Wechselspannungen umgewandelt und aus dem Studio über Kabel- oder/und Richtfunkverbindungen dem Sender zugeführt, hier einer Trägerschwingung vielfach höherer Frequenz (Hochfrequenz, HF) aufmoduliert und über eine Sendeantenne abgestrahlt. Für Hörfunkübertragung mit Lang-, Mittel- und Kurzwellen sowie Fernsehbildübertragung verwendet man Amplitudenmodulation, für Ultrakurzwelle (UKW)- und Fernsehtonübertragung Frequenzmodulation. Die Senderleistungen liegen zw. 10 kW (UKW) und 500 kW (Langwelle). Im Empfänger werden die aufmodulierten Signale nach Umsetzung, Verstärkung und Demodulation wieder hör- und sichtbar gemacht. Stereosendungen werden wegen der erforderl. großen Bandbreite nur im UKW-Bereich ausgestrahlt. - Ein R.-Empfänger ist im eigentl. Sinn ein Gerät zum Empfang und zur Wiedergabe von Hörrundfunksendungen. Er erfüllt drei Grundaufgaben: Trennung des gewünschten Senders von den nicht gewünschten (Abstimmung), Rückgewinnung der übertragenen Informationen aus den modulierten HF-Schwingungen (Demodulation) und Umwandlung der erhaltenen NF-Signale (Tonfrequenzen) in akust. Signale. Mit dem i. Allg. verbreiteten Überlagerungsempfänger (Superheterodyn-Empfänger, kurz Super) werden die von der Antenne aufgenommenen modulierten hochfrequenten Schwingungen verstärkt und mit einem im Empfänger erzeugten Hilfssignal überlagert (gemischt); das dabei entstehende Zwischenfrequenzsignal (ZF) wird weiter verstärkt, demoduliert und im Lautsprecher hörbar gemacht. Im Stereo-R.-Empfänger wird die dem Träger zusätzlich aufmodulierte stereophone Information im Decoder zurückgewonnen. Beim Pilottonverfahren werden Summen- und Differenzsignale der links- und rechtsseitigen Schallinformationen der Studiomikrofone sowohl addiert als auch subtrahiert; mit den so gebildeten Links- und Rechtssignalen werden zwei räumlich getrennte Lautsprecher vom Steuergerät gespeist. R.-Empfänger werden als Heimgeräte (Betrieb am Netz) oder als tragbare R.-Empfänger (Batteriebetrieb) hergestellt. Moderne Geräte weisen einen hohen Bedienungskomfort auf (Abstimmanzeige, automat. Scharfabstimmung, programmierbare Senderwahl, automatische Mono-/Stereoumschaltung, Magnettongerät-, Stereokopfhöreranschluss u. a.). Transistoren und Halbleiterdioden lösten die Elektronenröhren ab. Integrierte Schaltkreise machen ganze Empfängerstufen als Chips verfügbar. Damit können R.-Empfänger aus wenigen integrierten Schaltkreisen und einigen ergänzenden Einzelbauelementen zusammengesetzt werden. Eine weitere Entwicklung stellt das digitale Übertragungsverfahren (digitaler Hörfunk) dar.Programme: Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten in Dtl. - Bayerischer R. (BR), Hessischer R. (HR), Mitteldeutscher R. (MDR), Norddeutscher R. (NDR), Ostdeutscher R. Brandenburg (ORB), Radio Bremen (RB), Saarländischer R. (SR), Sender Freies Berlin (SFB), Südwestrundfunk (SWR; Zusammenschluss von Süddeutschem R. [SDR] und Südwestfunk [SWF], 1998) und Westdeutscher R. (WDR) - strahlen in ihrem Sendegebiet bis zu sechs Programme im Hörfunk aus. Von Anstalten des Bundesrechts werden auch Fremdsprachenprogramme (Auslandsdienste) verbreitet. Die Dt. Welle (DW) strahlt täglich mehrstündige kontinentale und interkontinentale Programme in insgesamt 35 Sprachen aus. Weiteres nat. Hörfunkprogramm ist seit 1994 das DeutschlandRadio (Zusammenschluss von Deutschlandfunk [DLF], DS-Kultur und RIAS). Zu den öffentlich-rechtl. Landesprogrammen treten seit Mitte der 80er-Jahre zahlr. private Anbieter, u. a. mit dem Konzept des »Lokalradios«. Die Kosten der R.-Anstalten werden in Dtl. aus R.-Gebühren und in geringem Maße aus Werbeeinnahmen gedeckt; die privaten Anbieter finanzieren sich v. a. durch Werbung.Recht: Die Organisation eines R.-Systems kann i. Allg. nach vier versch. Prinzipien erfolgen: rein privatwirtsch. (USA), öffentlich-rechtlich (lange Zeit Österreich), staatlich (in skandinav. Ländern staatsnah) oder in einer in den meisten Ländern in den 80er-Jahren entstandenen Mischform aus öffentlich-rechtl. und privatem R. (Schweiz, Italien, Frankreich, Dtl.). Grundlage der Organisation des R. in Dtl. ist die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Berichterstattung durch R. (Hörfunk und Fernsehen) und Film. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt die Bedeutung eines freien R. für ein freiheitl., demokrat. Gemeinwesen hervorgehoben und den R. als Faktor der öffentl. Meinungsbildung bezeichnet. Daher muss der R. von staatl. Einfluss freigehalten werden, darf aber auch nicht einzelnen gesellschaftl. Gruppen ausgeliefert werden. In ihm soll die Vielfalt der in der Gesellschaft bestehenden Meinungen in größtmögl. Breite zu Wort kommen. - Das dt. R.-Recht ist in Bundes- und Landes-Ges. sowie Verträgen enthalten. Auf dieser Grundlage bestehen Landesrundfunkanstalten (Anstalten des öffentl.Rechts), die durch ein Landesrundfunk-Ges. für ein Land oder durch Staatsvertrag für mehrere Länder gemeinsam gegr. wurden. Organe sind i. Allg. Rundfunkrat als Vertretungsorgan der Allgemeinheit, Verwaltungsrat als wirtsch. Aufsichtsorgan und Intendant als Leiter der R.-Anstalt. Wesentl. Einfluss auf das R.-Recht nimmt das EG-Recht. Mit der Fernsehrichtlinie von 1989 (1997 novelliert) wurden europaweit versch. Bestimmungen, z. B. zu Umfang und Gestaltung von Werbung, Sponsoring, Jugendschutzbestimmungen, harmonisiert. Die Regelungen der Richtlinie wurden 1991 durch den Staatsvertrag über den R. im vereinten Dtl., zum 1. 1. 1997 zuletzt geändert, in dt. Recht umgesetzt. Die Bestimmungen des Staatsvertrages betreffen z. T. sowohl den öffentlich-rechtl. als auch privaten R., z. T. gelten unterschiedl. Vorschriften. - In Österreich ist auf der Grundlage des Bundesverfassungs-Ges. über die Sicherung der Unabhängigkeit des R. das R.-Gesetz über den Österreichischen Rundfunk (ORF) ergangen. Das Regionalradio-Ges. i. d. F. v. 1997 ermöglicht die Einrichtung privater (regionaler und lokaler) R.-Sender. In der Schweiz ist die Gemeinwohlbindung des R. in dem 1984 in die Bundesverf. eingefügten Art. 55bis festgelegt. Das danach erforderliche Bundes-Ges. über Radio und Fernsehen ist seit April 1992 in Kraft.Geschichte: Die 1856 von J. C. Maxwell erkannte Existenz der elektromagnet. Wellen wurde 1888 von H. Hertz nachgewiesen. Er erzeugte diese Wellen mittels elektr. Funken (daher »Funk«) und schuf damit die Grundlage der drahtlosen Nachrichtenübertragung. 1895 benutzte G. Marconi in Großbritannien die erste drahtlose Nachrichtenverbindung; es entstanden Großfunkstellen in Poldhu (Großbritannien), 1906 in Nauen bei Potsdam. An der Weiterentwicklung der Funkübertragung waren internat. Wissenschaftler beteiligt, u. a. G. Marconi, A. Slaby, G. Graf von Arco, K. F. Braun. Die ersten R.-Sender wurden 1920/22 in den USA, den Niederlanden, in Großbritannien, Frankreich und in Russland gebaut. In Dtl. übertrug zum ersten Male am 22. 12. 1920 die Hauptfunkstelle Königs Wusterhausen ein Instrumentalkonzert. Am 29. 10. 1923 wurde der dt. »Unterhaltungs-R.« im VOX-Haus in Berlin eröffnet, 1931 die erste Weltübertragung mit »Tristan und Isolde« aus Bayreuth gesendet. 1950 wurden R.sendungen erstmals in Dtl. über UKW gesendet, 1961 erstmals in Stereo. 1993 liefen die ersten Pilotversuche zur Nutzung von digitalem Hörfunk, 1998 wurde bereits über 15 Kanäle das »Digitale Satellitenradio« (DSR) ausgestrahlt.
Literatur:
H. Bausch, R. in Deutschland, hg. v. 5 Bde. München 1980.
Technik des R., Technik der Systeme, Rundfunkversorgung, hg. v. H. Werle. Heidelberg 1989.
Medien im vereinten Deutschland, hg. v. W. A. Mahle. München 1991.
Herrmann, G.: Rundfunkrecht. Fernsehen u. Hörfunk mit neuen Medien. München 1994.
Lexikon der Hörfunk- u. Fernsehbegriffe, hg. vom Bayerischen Rundfunk. München 51997.
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