Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Rousseau
Rousseau[ru'so],
1) Henri, gen. le Douanier, frz. Maler, * Laval 21. 5. 1844, ✝ Paris 2. 9. 1910; Beamter beim Pariser Stadtzoll; begann als Autodidakt in naiv-realist. Art zu malen, stellte 1885 erstmals aus. Neben Bildnissen und Stillleben malte er figürl. Bilder und Landschaften, die von eindringl., oft poet. Wirkung sind. Sein surrealer Umgang mit der Wirklichkeit übte erhebl. Einfluss auf die moderne Malerei aus. (naive Kunst).
Werke: Der Krieg (1894; Paris, Louvre); Schlafende Zigeunerin (1897; New York, Museum of Modern Art); Der Traum (1910; Basel, Kunstmuseum).
2) Jean-Jacques, frz.-schweizer. Philosoph und Schriftsteller, * Genf 28. 6. 1712, ✝ Ermenonville (bei Senlis) 2. 7. 1778; verbrachte eine unruhige Jugend ohne geregelte Ausbildung; Baronin de Warens ermöglichte ihm als mütterl. Freundin intensive Lektüre und vielseitige Studien (u. a. Musik). 1742 ging R. nach Paris, war dort Hauslehrer und Notenschreiber, kam über Diderot mit dem Kreis der Enzyklopädisten in Berührung und schrieb für die »Encyclopédie« die Artikel zur Musik. Später trat er auch mit eigenen Kompositionen hervor (u. a. mit dem Singspiel »Le devin du village«). Berühmt wurde R., als er 1750 auf eine Preisfrage der Akademie in Dijon nach dem Einfluss der Wiss. und Künste auf die Sitten in der Schrift »Abhandlung: ob die Wissenschaften etwas zur Läuterung der Sitten beigetragen haben?« mit einem negativen Beweis antwortete und dafür den Preis erhielt. 1754-56 lebte R. wieder im kalvinist. Genf, überwarf sich aber bald mit allen Gönnern. In der Abgeschiedenheit von Montmorency (nördlich von Paris) entstanden 1756-62 seine Hauptwerke. Bereits 1755 hatte er in der »Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen« seine grundsätzl. Zivilisationskritik formuliert. Diese wandelte er im »Gesellschaftsvertrag« (1762) ab: An die Stelle des fiktiven Naturmenschen tritt der mündige Bürger, der sich freiwillig dem idealen Gemeinschaftswillen (volonté générale) unterwirft, ohne seine persönl. Freiheit aufzugeben. Mit dem Briefroman »Julie oder die neue Heloise« (1761) traf er durch die Verbindung von Naturschilderungen mit einer tragisch-sentimentalen Liebesgeschichte genau den Zeitgeschmack. Der Erziehungsroman »Émile, oder Über die Erziehung« (1762), der in seiner Forderung nach freier Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes völlig neue Grundsätze aufstellte, beeinflusste die Erziehungstheorien bis in die Gegenwart (Pestalozzi u. a.). In allen Werken R.s wird seine Kritik an einem dogmat. Christentum deutlich. Um Repressionen staatl. Zensur und der Kirche zu entgehen, die ihn in dem Gefühl bestärkten, von allen verfolgt zu sein, hielt sich R. mehrmals im Ausland auf (u. a. auf Einladung D. Humes 1766-67 in England). Seit 1770 lebte R. wieder in Paris, wo er seine autobiograph. Schriften, v. a. die »Bekenntnisse« (hg. 1782) vollendete, die Zeugnis von seiner ausweglosen Vereinsamung ablegen. - Obwohl R. in wesentl. Punkten Positionen der Aufklärung vertrat, nahm er mit seiner Hinwendung zu subjektiver Innerlichkeit und dem Zweifel an Fortschritt und Zivilisation das Lebensgefühl der Romantik vorweg. Die Grundsätze des »Gesellschaftsvertrags« beeinflussten demokrat. Verfassungen seit der Frz. Revolution.
Literatur:
Gouhier, H. G.: Les méditations métaphysiques de J.-J. R. Paris 21984.
Starobinski, J.: R. Eine Welt von Widerständen. A. d. Frz. München u. a. 1988.
Holmsten, G.: J.-J. R. Reinbek 1991.
Fetscher, I.: R.s polit. Philosophie. Frankfurt am Main 71993.
3) Théodore, frz. Maler, * Paris 15. 4. 1812, ✝ Barbizon 22. 12. 1867; Vertreter der Schule von Barbizon; malte feierlich ernste, das Beobachtete genau wiedergebende Landschaftsbilder; Vorläufer der Impressionisten.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Rousseau