Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Roman
I Roman[frz., von altfrz. romanz »in roman. Volkssprache (nicht in Latein) verfasste Erzählung«, zu lat. romanicus »römisch«] der, die neben Epos und Saga dritte dichter. Großform der Epik. Der R. zeigt, im Ggs. zum Epos, mehr die individuell gestaltete Einzelpersönlichkeit, die einer problematisch gewordenen Welt gegenübertritt. Im Ggs. zur Novelle wird nicht ein einzelnes herausragendes Ereignis dargestellt, sondern ein breiter Lebensausschnitt oder das Lebensganze einer Person, oft in Verbindung mit ihrer sozialen Umwelt. Der R. bedient sich (außer etwa im Vers-R. des Hoch-MA.) der Prosa und kann alle Darstellungsarten in sich aufnehmen, wie Bericht, Beschreibung, Gespräch, Monolog, Brief, wobei der Verfasser in ep. Objektivität zurücktreten oder sich als erklärender, reflektierender, ironisierender Sprecher einschalten kann. Stofflich (oft auch gehaltlich) unterscheidet man z. B. Abenteuer-R., Entwicklungs-R., Staats-R., Schelmen-R., Gesellschafts-R., histor. R., Kriegs-R., Kriminal-R., Heimat-R.; an formalen und strukturellen Eigenarten orientiert, sind Gliederungen u. a. nach den äußeren Erzählformen (Brief-R., Tagebuch-R.), den Erzählsituationen (z. B. Ich-R.) oder den erzählten Grundhaltungen, Aussageweisen, Zielsetzungen vorgenommen (religiöser, erbaul., didakt., satir., empfindsamer, idealist., realist., philosoph. Roman).Geschichte: Der Name R. bezeichnet im hochmittelalterl. Frankreich zunächst jedes in der Landessprache geschriebene Werk, im Ggs. zum gelehrten Schrifttum in lat. Sprache. Seit dem 13. Jh. lässt sich eine Anwendung des Begriffs auf Erzählungen in Vers und Prosa nachweisen, Ende des 13. Jh. wird der Ausdruck auf die Prosaerzählung begrenzt. Der neuzeitl. Prosa-R. entstand aus der Auflösung der mittelalterl., häufig noch zum Epos gerechneten ritterl. Vers-R. (Volksbücher; unter deren Einfluss auch F. Rabelais). Aus dem Ritter-R. (Amadis von Gaula) erwuchs dessen Parodie im »Don Quijote« von M. de Cervantes Saavedra. An den spätgrch. R. (mit der für die Gattung lange kennzeichnenden Thematik von Erotik, Abenteuer, Exotik; z. B. bei Heliodor, Longus) knüpfen die heroisch-galanten und Schäfer-R. (Schäferdichtung) an, gegen deren Geziertheit und Idealisierung sich der derbe Realismus der Schelmen-R. (pikareske R., in Dtl. v. a. H. J. C. von Grimmelshausen) wendet. Im 18. Jh. entstanden neue R.-Formen: die Robinsonaden (Robinson Crusoe), die später von den modernen Abenteuer-, See- und exot. R. abgelöst wurden, der empfindsame Brief- und Familien-R. (S. Richardson, J.-J. Rousseau, Goethes »Die Leiden des jungen Werthers« [1774]), der humorist. R. (H. Fielding, L. Sterne, C. M. Wieland, Jean Paul; später C. Dickens), der philosoph. R. (Voltaire, C. M. Wieland), der satir. R. (J. Swift) und der sentimentale Reise-R. (L. Sterne), der Räuberroman und der Schauer-R. (Gothic Novel). Im 19. Jh. wurden bes. gepflegt die auf Wieland und Goethe (»Wilhelm Meister«, 1795/96 und 1821) zurückgehenden Formen des Bildungs-R. und Entwicklungs-R., der geschichtl. R. (W. Scott) und der realist., später naturalist. R., der die zeitgenöss. Gesellschaft kritisch darstellt (Stendhal, H. de Balzac, G. Flaubert, É. Zola, N. W. Gogol, L. N. Tolstoi, F. M. Dostojewski); neben diesem bildete der psycholog. R. einen Schwerpunkt des R.-Schaffens. Als wichtige Sonderform entstand der Kriminal-R. (Kriminalliteratur). Seit Ausgang des 19. Jh. machen sich im R. Wandlungen in der Formstruktur bemerkbar, die die Handlung immer stärker zurücktreten lassen, z. B. durch die Darstellung der Realität als Spiegelung des durch eine Person ausschnitthaft Wahrgenommenen bei H. James, die Bewusstseinskunst (innerer Monolog) bei J. Joyce, die dem Film nachgebildete Montagetechnik bei J. Dos Passos, die Auflösung der Zeit- und Raumkontinuität bei M. Proust, die Darstellung existenzieller Weltentfremdung bei F. Kafka. Eine neue Wendung zum Experimentellen, zur Suche nach der Wirklichkeit mit den Mitteln der Sprache, unternahm der frz. Nouveau Roman.
Literatur:
R. Grimm, Dt. Romantheorien, hg. v. 2 Bde. Neuausg. Frankfurt am Main 1974.
Zur Struktur des R., hg. v. B. Hillebrand. Darmstadt 1978.
Theorie u. Technik des R. im 20. Jh., hg. v. H. Steinecke. Tübingen 21979.
Handbuch des dt. R., hg. v. H. Koopmann. Düsseldorf 1983.
Romantheorie, hg. v. E. Lämmert u. a., 2 Bde. Frankfurt am Main 1984-88.
Žmegač, V.: Der europ. R. Geschichte seiner Poetik. Tübingen 21991.
Lämmert, E.: Bauformen des Erzählens. Stuttgart 58.-60. Tsd. 1993.
Stanzel, F. K.: Typische Formen des R. Göttingen 121993.
Lukács, G.: Die Theorie des R. Neuausg. München 1994.
Stanzel, F. K.: Theorie des Erzählens. Göttingen 61995.
II Roman
['ru:-], Johan Helmich, schwed. Komponist, * Stockholm 26. 10. 1694, ✝ Gut Haraldsmåla (bei Kalmar) 20. 11. 1758; bedeutendster schwed. Komponist des 18. Jh.; wurde 1727 Kapellmeister am schwed. Hof; schrieb Orchesterwerke, Instrumentalkonzerte, Kirchen- und Kammermusik.
III Rọman,
Stadt im Kr. Neamţ, im NO Rumäniens, an der Mündung der Moldawa in den Sereth, 82 600 Ew.; Röhrenwalzwerk, Werkzeugmaschinenbau, Baustoff- und Nahrungsmittelind.; Verkehrsknoten.- Bischofskirche (1542-50); Muttergotteskirche (1568/69).- R. wurde 1392 gegründet.
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