Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Rom
Rom(italien. Roma),
1) Prov. in der Region Latium, Italien, 5 352 km2, (1997) 3,795 Mio. Einwohner.
2) Hauptstadt der Rep. Italien, Verw.sitz der Region Latium und der Prov. R., am Tiber, 20 km vor der Küste, 2,661 Mio. Ew.; Sitz der Reg., des Parlaments und des Papstes (Vatikanstadt). R. ist polit. und kulturelles Zentrum Italiens; zwei staatl. Univ. (gegr. 1303 und 1985), private Univ. (gegr. 1945), Hochschulen für Medizin, Wirtschaft und Handel, Musik, bildende Künste, dramat. Kunst und Tanz, Akademie der schönen Künste, Akademie für Wiss. und schöne Literatur, Dt. Archäolog. und Dt. Histor. Inst., österr. und schweizer. Kulturinst., Villa Massimo; päpstl. Hochschulen (Gregoriana, vier weitere Univ.) u. a. päpstl. Institutionen (bes. die Päpstl. Akademie der Wiss.); internat. Behörden, u.a. Sitz der FAO; Bibliotheken: Nationalbibliothek, Vatikan. Bibliothek und Archiv, Bibliotheca Hertziana und die 1971 gegr. Dt. Bibliothek; Museen: Antikensammlungen des Vatikans, der Kapitolin. Museen, des Thermenmuseums; Gemäldegalerien: Vatikan. Pinakothek, Galleria Borghese, Galleria Nazionale, Galleria d'Arte Moderna u. a. Bed. Bühnen und Theater, botan. Gärten, Zoo, Observatorium, Planetarium, modernes Sportstättenviertel um das Olympiastadion. - Wichtigste Ind.zweige sind Maschinenbau, graf. Gewerbe, Erdölraffinerie, chem., elektron., Bekleidungs- und Nahrungsmittelind.; bed. Filmateliers; Modezentrum; Börsen- und Handelsplatz, internat. Fachmessen. - Im Eisenbahn- und Luftverkehr ist R. wichtigster Knotenpunkt Italiens, zwei Flughäfen, darunter der internat. Flughafen Leonardo da Vinci in Fiumicino. Als Seehäfen dienen neben Civitavecchia auch Fiumicino und Anzio. Zwei U-Bahn-Linien.
Stadtbild: Grundriss und Stadtbild der noch heute von der Aurelian. Mauer begrenzten Innenstadt spiegeln die Baugeschichte von fast zweieinhalb Jt. wider. R. ist auf mehreren Hügeln erbaut (die sieben klass. Hügel sind: Palatin, Kapitol, Quirinal, Viminal, Esquilin, Caelius, Aventin), die heute z. T. nicht mehr sichtbar sind. Der Tiber, der R. von N nach S durchfließt, trennt die Vatikanstadt und den Stadtteil Trastevere vom Zentrum. Durch großzügige Straßendurchbrüche wurden die alten, als archäolog. Zonen von jeder Bebauung ausgeschlossenen Ruinenstätten in eine einheitl. Gesamtwirkung einbezogen.
Mittelpunkt der Stadt ist das Forum Romanum mit den Kaiserforen (Forum). Auch im Straßenverlauf (die Via del Corso folgt der Via Flaminia) und in Platzanlagen (Piazza Navona) prägen noch Teile der antiken Stadt das moderne Rom. Im W des Forum Romanum erhob sich das Kapitol; die Reiterstatue des Mark Aurel (Original seit 1990 im Kapitolin. Museum) hat erst Michelangelo auf dem heutigen Kapitolsplatz aufstellen lassen. Gut erhalten ist das Kolosseum, daneben der Triumphbogen für Konstantin von 315, während vom Circus maximus nur Reste erhalten sind. Das Pantheon steht auf dem ehem. Marsfeld, nahebei auf der Piazza Colonna die Mark-Aurel-Säule. An der Via Appia zahlr. Grabbauten, u. a. das Grabmal der Caecilia Metella. Jenseits des Tiber ließ Hadrian 135 ff. seinen Grabbau errichten (die heutige Engelsburg). Von der Grabanlage des Augustus wurde die Ara Pacis Augustae wieder hergestellt. Großartig noch heute die Thermen des Diokletian (298 ff.; heute Kirche Santa Maria degli Angeli, erbaut nach Plänen Michelangelos) und die Thermen des Caracalla.
Seit dem 4. Jh. entstanden in R. frühchristl. Kirchenbauten, die die antike Form der Basilika aufnahmen. Die ältesten sind San Giovanni in Laterano, San Paolo fuori le mura und die erste Kirche über dem Petrusgrab (alle 4. Jh.) sowie Santa Maria Maggiore (5. Jh., mit Mosaiken); als Zentralbau angelegt sind das Baptisterium San Giovanni in Laterano (4. Jh.) und San Stefano Rotondo (5. Jh.). Bed. Denkmäler frühchristl. Kunst sind in den Wandmalereien der Katakomben erhalten. Im frühen MA. verfielen die antiken Bauten, soweit sie nicht in Kirchen umgewandelt worden waren (wie das Pantheon). Im 12./13. Jh. setzte eine rege Bautätigkeit ein. Roman. Kirchen aus dieser Zeit sind die Oberkirche von San Clemente (Unterkirche 6. Jh.), Santa Maria in Cosmedin und Santa Maria in Trastevere (mit Apsismosaiken). Die einzige größere got. Kirche ist Santa Maria sopra Minerva (vollendet 15. Jh.).
Nach dem Ende des päpstl. Exils in Avignon (1376) begann ein neuer Aufstieg. Die Päpste griffen mit der Anlage gerader Straßen und großer Plätze in das Stadtbild ein und schmückten die Stadt mit repräsentativen Bauwerken (u. a. Palazzo Venezia, Palazzo della Cancelleria), die bedeutendsten Künstler Europas waren in R. tätig. Mit dem Tempietto in San Pietro in Montorio schuf Bramante ein grundlegendes Werk der Hochrenaissance (1502). Von Papst Julius II. erhielt er den Auftrag zum Neubau der Peterskirche. Weitere Bauwerke der Hochrenaissance sind die Villa Farnesina von B. Peruzzi und der Palazzo Farnese von A. de Sangallo (weitergeführt von Michelangelo), Santa Maria del Popolo (Apsis von Bramante, Chigi-Kapelle von Raffael). Mit der Kirche Il Gesù von G. da Vignola (1568 ff.) begann das Zeitalter des Barock, dessen Hauptvertreter in Rom, G. L. Bernini, u. a. die Kolonnaden des Petersplatzes (1656-67) und den Vierströmebrunnen auf der Piazza Navona (1648-51) schuf. Aus späterer Zeit sind v. a. hervorzuheben: die Span. Treppe (1723-25) und das Ensemble der Fontana di Trevi (vollendet 1765). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit dem Haupttrakt und der Empfangshalle des Hauptbahnhofs (Stazione Termini, 1950) ein international richtungweisendes Projekt vollendet. 1960 entstanden für die Olymp. Sommerspiele Sportanlagen (z. B. Palazzo dello Sport von P. L. Nervi). 1966-71 baute Nervi die Audienzhalle im Vatikan, 1976 ff. wurden von P. Portoghesi u. a. die Moschee und das islam. Zentrum errichtet. Anlässlich des hl. Jahres (2000) werden verstärkt Restaurierungsmaßnahmen an zahlr. Bauten durchgeführt, Neu- und Umgestaltungen von innerstädt. Bereichen verändern das Stadtbild. - Das histor. Zentrum von R., San Paolo fuori le mura und die Vatikanstadt wurden von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Geschichte: Um 650 v. Chr. (nach der Legende [Romulus] am 21. 4. 753) entwickelte sich R. als etrusk. Stadtstaat aus Einzelsiedlungen. Das Wachstum der künftigen Metropole begann im 5./4. Jh. v. Chr. Mit dem bereits 507 v. Chr. geweihten Jupitertempel auf dem Kapitol war R. auch kult. Zentrum. Nach der Zerstörung durch die Kelten (386 v. Chr.) wurde R. wieder aufgebaut und erstmals ummauert. Diese Servian. Mauer umschloss bereits die sieben Hügel. Augustus teilte das stark angewachsene R. (750 000-1,5 Mio. Ew.) in 14 Regionen. Unter Nero brannte die Stadt 64 n. Chr. fast völlig ab; Aurelian ließ sie ab 271 zum zweiten Mal ummauern (Aurelian. Mauer). Nach der Erhebung Konstantinopels zur Hptst. des Röm. Reiches 330 und der Verlegung der Residenz der weström. Kaiser nach Mailand und Ravenna verlor R. seine polit. Bedeutung; es wurde mehrfach erobert und geplündert (410 Westgoten unter Alarich, 455 Wandalen unter Geiserich, 546 Ostgoten unter Totila). Zur neuen Ordnungsmacht in R. erhob sich im Früh-MA. das Papsttum, das jedoch nicht in der Lage war, R. vor äußeren Feinden zu schützen (ab 739 Bedrohung durch die Langobarden, 846 Plünderung durch die Sarazenen, 1084 durch die Normannen). Mit der Pippinschen Schenkung 754/756 wurde der Papst weltl. Herrscher des Kirchenstaats mit R. als Hauptstadt. Ihr Schicksal wurde bis in die Neuzeit geprägt von der Kurie, von den Machtkämpfen der röm. Adelsgeschlechter (Tuskulaner, Crescentier, Orsini, Colonna, Frangipani, Savelli) und ab 800 vom westl. Kaisertum. Der Machtgewinn des Papsttums, die wachsende Bedeutung der Stadt als Wallfahrtsort und als diplomat. Zentrum des Abendlandes begründeten den Wiederaufstieg. Ansätze zur Befreiung von der päpstl. Stadtherrschaft (Arnold von Brescia 1145, Cola di Rienzo 1347) scheiterten. Mit der Übersiedlung der Päpste nach Avignon (1305/09-76) und der Pestepidemie 1348/50 ging die Bev. auf weniger als 20 000 Ew. zurück. Das Pontifikat Martins V. (1417-31) leitete das Renaissancepapsttum ein, das die Ausweitung päpstl. Verwaltung und einen gewaltigen kulturellen Aufschwung brachte, der auch durch die Truppen Karls V., die R. 1527/28 plünderten (Sacco di Roma), nicht aufgehalten wurde. - Nach der Napoleon. Zeit (1798 Röm. Rep., 1809 frz. Annexion) kehrte der Papst 1814 zurück. Pius IX. (1846-78) musste im Nov. 1848 vor den Truppen Garibaldis fliehen und kehrte 1850 mit frz. Hilfe zurück. Am 20. 9. 1870 wurden die frz. Truppen vertrieben und R. am 9. 10. zur Hptst. des Königreichs Italien ausgerufen. Der Papst blieb bis 1929 (Lateranverträge) als »Gefangener« im Vatikan. Bes. nach dem Ersten Weltkrieg wuchs R. schnell (1 Mio. Ew. 1930). Unter Mussolini wurde es stark erweitert (erst jetzt wurden die Grenzen des antiken R. überschritten). Im Zweiten Weltkrieg zur »offenen Stadt« erklärt, von den dt. Besatzungstruppen (seit 10. 9. 1943) kampflos den Alliierten überlassen (4. 6. 1944), überstand R. den Krieg ohne große Schäden. Seit dem 2. 6. 1946 ist es Hptst. der Rep. Italien. In R. wurde am 25. 3. 1957 mit den Röm. Verträgen die EWG gegründet.
Literatur:
Henze, A.u. a.:R. u. Latium. Stuttgart 41981.
Hibbert, C.: R. Biographie einer Stadt. A. d. Engl. München 1987.
Krautheimer, R.: R. - Schicksal einer Stadt, 312-1308. A. d. Engl. München 1987.
Stützer, H. A.: Das antike R. Köln 71987.
Gregorovius, F.: Geschichte der Stadt R. im Mittelalter vom 5.-16. Jh., 4 Bde. Neuausg. München 21988.
Coarelli, F.: R. Ein archäolog. Führer. A. d. Italien. Freiburg im Breisgau u. a. 41989.
Matt, L. von u. Barelli, F.: R. Köln 111992.
3) Bistum; R. als Diözese des Papstes umfasst die Stadt R. einschließlich der Vatikanstadt. Die Diözesankurie (ital. Vicariato di Roma) wird im Auftrag des Papstes und mit allen bischöfl. Rechten von einem Kardinalvikar geleitet.
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