Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Rokoko
Rọkoko[von frz. Rocaille] das, bildende Kunst: die Spätphase des Barock als Ausdrucksform des späten Absolutismus, etwa zw. 1720 und 1780. Ursprungsland des R. ist Frankreich, wo mit dem Stil der Régence Größe und Pathos des Barock dem Gefälligen, Eleganten wichen; das Höfisch-Repräsentative wandelte sich zum Intim-Persönlichen, das v. a. in einer verfeinerten Wohnkultur zum Ausdruck kam. Ein anmutiger, verspielter Dekorationsstil (Louis-quinze) löste die dynam. Formensprache des Barock ab. Die künstler. Akzente verlagerten sich vom Außenbau auf den Innenraum, der von einem lockeren Schmuckwerk übersponnen und durch Spiegel verfremdet wurde. Die Rocaille wurde zum Grundmotiv der Dekoration. Durch die Stichwerke v. a. von J. A. Meissonier und F. de Cuvilliés d. Ä. wurde der Stil in ganz Europa verbreitet. Größere Gesamtanlagen der R.-Architektur entstanden in der frz. Provinz (Nancy: Place Stanislas; Straßburg: Palais Rohan). In Dtl., wo sich seit etwa 1750 der Klassizismus parallel zum R. entwickelte, sind u. a. das Münchner Residenztheater und Schloss Sanssouci in Potsdam Zeugnisse der R.-Kunst. - Dem intimen Charakter entspricht eine Blüte des Kunstgewerbes und der Kleinkunst, als dessen neue Gattung die Porzellanplastik entstand, die im R. gleichzeitig ihren Höhepunkt erlebte (J. J. Kaendler für die Manufaktur Meißen, F. A. Bustelli für die Manufaktur Nymphenburg). Galante Themen, mytholog. und Schäferszenen bestimmten auch die Malerei (A. Watteau, J. H. Fragonard, F. Boucher), Stillleben (J.-B. S. Chardin) und Porträtkunst wurden gepflegt; die Pastellmalerei kam in Mode (R. Carriera, M. Quentin de la Tour). Eine eigene Variante des R. entstand unabhängig von Frankreich in Venedig, v. a. in der Malerei (Canaletto, F. Guardi, G. B. Tiepolo). - Während das Louis-quinze in Frankreich eine aristokrat. Profankultur darstellt, findet das R. in Süd-Dtl. im Kirchenbau höchste Vollendung (D. Zimmermann, Wies; Brüder Asam, Abteikirche Weltenburg; J. B. Neumann, Vierzehnheiligen; J. M. Fischer, Rott am Inn, Plastik von I. Günther; Wallfahrtskirche Birnau, Plastik von J. A. Feuchtmayer).
Literatur: Unter R.-Literatur wird die zierlich-graziöse, spielerisch-frivole, galante Gesellschaftsdichtung verstanden, die ihre vollkommenste Ausbildung in der Spätzeit des höf. Klassizismus in Frankreich fand. In Dtl. zeigen die Dichtungen der Anakreontik, der Empfindsamkeit und die Schäferdichtung wesentl. Elemente des R.; Höhepunkt sind hier C. M. Wielands Dichtungen.
Literatur:
Bauer, H.u. Sedlmayer, H.: R. Struktur u. Wesen einer europ. Epoche. Köln 1992.
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