Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Rentenversicherung
Rentenversicherung,zum einen als gesetzliche R. ein Teil der Sozialversicherung, zum anderen als private R. eine besondere Form der Lebensversicherung. Das Recht der gesetzl. R. wurde durch das Rentenreform-Ges. 1992 (RRG 1992) vom 18. 12. 1989, gültig ab 1. 1. 1992, weiterentwickelt und als sechstes Buch in das Sozialgesetzbuch (SGB VI) eingefügt. Die gesetzl. R. ist eine Pflichtversicherung für Arbeiter, Angestellte, Auszubildende, Wehr- und Zivildienstleistende, Behinderte in anerkannten Werkstätten sowie für Beschäftigte in knappschaftl. Betrieben (Knappschaftsversicherung); in der Landwirtschaft Tätige sind in der Alterssicherung der Landwirte pflichtversichert. Pflichtversichert sind auch Pflegepersonen (Pflegeversicherung) und Bezieher von Lohnersatzleistungen sowie über die Anerkennung von Kindererziehungszeiten auch Mütter und Väter. Die nicht in der R. pflichtversicherten Selbstständigen können - wie fast alle nicht versicherungspflichtigen Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben - auf Antrag in die R. einbezogen werden. Versicherungsfrei sind Beamte, Richter und vergleichbare Beschäftigte (Versorgung), Bezieher einer vollen Altersrente und Pensionäre sowie unter bestimmten Voraussetzungen geringfügig Beschäftigte (geringfügige Beschäftigung). Träger der R. der Arbeiter sind die Landesversicherungsanstalten (daneben die Bahnversicherungsanstalt und die Seekasse), für Angestellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und für die im Bergbau Beschäftigten die Bundesknappschaft. Die Finanzierung der R. beruht auf R.-Beiträgen der Versicherten und einem Bundeszuschuss. Nach dem Umlageverfahren müssen die Auszahlungen einer Periode in derselben Periode durch Einnahmen gedeckt sein (einschließlich einer finanziellen Schwankungsreserve von einer Monatsausgabe). Dadurch tragen die jeweils Erwerbstätigen zur Finanzierung der Einkommen der nicht mehr Erwerbstätigen bei (Generationenvertrag). Die R.-Beiträge (Pflichtbeiträge), deren Höhe bis zur jährlich neu festgelegten Beitragsbemessungsgrenze einen bestimmten Prozentsatz des Bruttoeinkommens beträgt, werden bei Pflichtversicherten je zur Hälfte vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer gezahlt, bei freiwillig und freiwillig höher Versicherten vom Versicherten allein. Der Beitragssatz beträgt seit 1. 4. 1999 19,5 % des Bruttoarbeitsentgelts bis zur Beitragsbemessungsgrenze von (1999) 8 500 DM (neue Bundesländer 7 200 DM). Zur Senkung des Beitragssatzes wird das erhöhte Aufkommen aus Energiesteuern verwendet. Der jährlich neu festgelegte Bundeszuschuss wird damit begründet, dass mit der R. auch gesamtgesellschaftl. Ziele verfolgt werden, die nicht nur von den Beitragszahlern finanziert werden sollen (versicherungsfremde Leistungen).Leistungen: Ziel der gesetzl. R. ist die Sicherung des im Erwerbsleben erzielten Lebensstandards, Grundvoraussetzung für den Rentenbezug v. a. eine die Beitragspflicht begründende Erwerbstätigkeit, wobei sich die Höhe der Rente prinzipiell an Dauer und Höhe der Beitragszahlungen orientiert (»beitragsbezogene Rente«). Versicherungsfälle sind das Erreichen der Altersgrenze, gesundheitl. Beeinträchtigungen (Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit) sowie der Tod des Versicherten (Leistungen an Hinterbliebene). In allen Fällen ist Anspruchsvoraussetzung, dass eine bestimmte Wartezeit (Beitrags- und Ersatzzeiten) eingehalten wird; die Regelwartezeit beträgt fünf Jahre. Die R. trägt zur Wiederherstellung der Arbeitskraft bei verminderter Erwerbsfähigkeit auch Rehabilitationsmaßnahmen.
Renten wegen Erreichen einer Altersgrenze (Altersrenten) sind: 1) die Regelaltersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres; 2) die Altersrente für langjährig Versicherte nach Vollendung des 63. Lebensjahres und bei einer Wartezeit von 35 Jahren; 3) weibl. Versicherte erhalten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet, eine Wartezeit von 15 Jahren erfüllt und nach Vollendung des 40. Lebensjahres mehr als zehn Jahre Pflichtbeitragszeiten haben, auf Antrag eine vorgezogene Altersrente für Frauen; 4) bei gleicher Altersgrenze und Wartezeit erhalten Arbeitslose, die innerhalb der letzten 18 Monate mindestens 52 Wochen arbeitslos waren und in den letzten zehn Jahren vor Rentenbeginn acht Jahre Pflichtbeiträge gezahlt haben, sowie Erwerbstätige, die 24 Monate Altersteilzeitarbeit ausgeübt haben eine vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit; 5) anerkannt berufs- oder erwerbsunfähige Schwerbehinderte erhalten nach Vollendung des 60. Lebensjahres bei einer Wartezeit von 35 Jahren eine Altersrente für Schwerbehinderte, Berufs- und Erwerbsunfähige. Bis auf die zuletzt genannte Altersrente werden alle flexiblen Altersgrenzen ab den Jahren 1997 bzw. 2000 schrittweise auf einheitlich 65 Jahre angehoben, wobei auch eine Vertrauensschutzregelung gilt. Wer weiterhin vorzeitig Rente beziehen will, muss eine Rentenminderung von 3,6 % pro vorgezogenes Rentenjahr hinnehmen. Seit 1992 können Versicherte die ihnen zustehende Altersrente auch als Teilrente in Höhe von einem Drittel, der Hälfte oder zwei Dritteln der Vollrente bei gleichzeitiger eingeschränkter Berufstätigkeit im Rahmen von Hinzuverdienstgrenzen beanspruchen. Kindererziehungszeiten gelten (bei Geburten ab 1992 drei Jahre, vorher ein Jahr) als Pflichtbeitragszeiten.
Rentenleistungen als Einkommensersatz bei Erwerbsminderung sind die Berufsunfähigkeits- und die Erwerbsunfähigkeitsrente, die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres gezahlt werden (danach Regelaltersrente), wobei die Regelwartezeit erfüllt und in den letzten fünf Jahren drei Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt werden müssen. Eine Berufsunfähigkeitsrente erhalten Versicherte bei einer Erwerbsminderung, wenn sie in ihrem oder einem zumutbaren anderen Beruf nur noch weniger als die Hälfte dessen verdienen können, was vergleichbare andere Beschäftigte verdienen könnten. Die Erwerbsunfähigkeitsrente wird gezahlt, wenn die Erwerbsminderung so stark ist, dass eine regelmäßige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann oder nur noch geringfügige Einkünfte erzielt werden können. Beide Renten können auch auf Zeit gewährt werden, wenn zu erwarten ist, dass der Versicherte in absehbarer Zeit wieder vollständig erwerbsfähig wird. Renten wegen Todes des Versicherten sind die Witwen- bzw. Witwerrente (Witwenrente, die Waisenrente und die Erziehungsrente an den geschiedenen Ehepartner. Für Spätaussiedler werden Fremdrenten gezahlt.Rentenhöhe und Rentenanpassung: Die Höhe der individuellen Rente wird nach einer Rentenformel unter Berücksichtigung von Beitragszeiten und rentenrechtl. Zeiten ermittelt (Rentenberechnung). Durch die Rente soll der Lebensstandard des Versicherten während seiner Erwerbstätigkeit auch im Rentenalter erhalten werden. Als Maßstab dient die Rente, die bei 45 Versicherungsjahren mit jeweiligem Durchschnittsverdienst gezahlt wird (Eckrente). Dieses Rentenniveau beträgt 1997 in den alten Bundesländern 70,7 %, in den neuen Bundesländern 69,1 % des aktuellen jeweiligen Nettodurchschnittsverdiensts eines Erwerbstätigen. Da die Erwerbsphase kürzer sein kann oder unterbrochen wird sowie in der Erwerbsphase auch niedrigere Einkommen erzielt werden (z. B. Teilzeitarbeit), liegt das tatsächl. Rentenniveau bes. bei Frauen unterhalb der Eckrente. Infolge besonderer Übergangsregelungen erreicht die Eckrente in den neuen Bundesländern 1997 85,2 % der Eckrente in den alten Bundesländern. Um die Entwertung einmal berechneter Renten durch Inflation und steigende Erwerbseinkommen zu verhindern, wurde durch die Rentenreform 1957 die dynam. Rente (Produktivitätsrente) eingeführt. Die Rentenanpassung orientierte sich urspr. an der Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte (Bruttolohnanpassung). Mit der Rentenreform 1992 wurde zur nettolohnbezogenen Rentenanpassung übergegangen. Probleme der R. ergeben sich aus der wirtschaftl. Entwicklung (z. B. Beitragsmindereinnahmen aufgrund hoher Arbeitslosigkeit), der demograph. Entwicklung (das zahlenmäßige Verhältnis zw. Beitragszahlern und Rentnern, die »Alterslastquote«, verschlechtert sich zulasten der Beitragszahler; hinzu kommt eine längere Rentenbezugsdauer wegen höherer Lebenserwartung) und der noch fehlenden Harmonisierung der versch. Alterssicherungssysteme (betriebl. und private Alterssicherung, Beamtenversorgung). Hinzu traten in den vergangenen Jahren die Diskussionen um zu hohe Belastungen mit Sozialabgaben und die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen überwiegend durch die Beitragszahler. Zur Bewältigung bes. der finanziellen und demograph. Probleme in einem längeren Zeitraum sollte die Rentenreform 1999 dienen, deren Regelungen z. T. durch Ges. vom 19. 12. 1998 zurückgenommen oder ausgesetzt wurden. Eine darüber hinausgehende Neuregelung des Rentenrechts zur Korrektur des Rentenreform- Ges. 1999 steht noch aus.In Österreich ist die R. ähnlich wie in Dtl. geregelt. Die Beiträge zur R. der Arbeiter und Angestellten werden je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt. Besondere Regelungen gelten für Bauern, Gewerbetreibende und Beamte. In der Schweiz gewährt die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV) einfache Altersrenten, Ehepaaraltersrenten, Zusatz-, Kinder- und Hinterlassenenrenten. Besonderheiten des Rentensystems sind die Invalidenrente (bei endgültiger Verdienstunfähigkeit bzw. im Fall einer langen Krankheit bei Verdienstunfähigkeit von mindestens 50 % während 360 Tagen) und die außerordentl. Renten, die gewährt werden, wenn Versicherte keinen oder keinen ausreichenden Versicherungsanspruch erwerben können.
Literatur:
Casmir, B.: Staatl. Rentenversicherungssysteme im internat. Vergleich. Frankfurt am Main 21990.
Handbuch der R., hg. v. J. Zweng u. a., Loseblatt-Ausg. Stuttgart u. a. 31990 ff.
Übersicht über die soziale Sicherheit, hg. vom Bundesminister für Arbeit u. Sozialordnung. Bonn 21991.
Meine R. von A-Z, bearb. v. A. Leidigkeit u. a. Planegg 61997.
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