Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Reichsverfassung
Reichsverfassung,1) im Hl. Röm. Reich bis 1806 die staatsrechtl. Ordnung des Reichs, die in den Reichsgrundgesetzen niedergelegt war.
2) die von der Frankfurter Nationalversammlung ausgearbeitete R. vom 28. 3. 1849, die zwar nicht in Kraft trat, aber wesentlich auf spätere Verfassungswerke eingewirkt hat.
3) im Dt. Kaiserreich 1871-1918 die R. vom 16. 4. 1871, die in vielen Teilen mit der Verf. des Norddeutschen Bundes übereinstimmte. Ihre bedeutendste Änderung war das Ges. vom 28. 10. 1918 (Einführung des parlamentar. Systems), das jedoch im Kaiserreich nicht mehr wirksam wurde. Grundrechte enthielt die R. nicht.
4) die Verfassung der Weimarer Republik, Weimarer R., die am 11. 8. 1919 von der Nationalversammlung verabschiedet wurde und am 14. 8. 1919 in Kraft trat. Sie bewahrte den bundesstaatl. Aufbau, stärkte jedoch die Zentralgewalt. Die »Länder« blieben der Sache nach Staaten; nach Art. 17 der R. mussten sie eine »freistaatl. Verf.« mit vom Volk gewählten Landtagen und von deren Vertrauen abhängige Landesreg. haben. Das Reich war für die wesentl. Gegenstände der Gesetzgebung zuständig; die Länder behielten außer der Gerichtsbarkeit v. a. die überwiegende Zuständigkeit in der Verw. (bes. Polizei- und Kultusverwaltung). Reichsoberhaupt war der Reichspräsident, die ausführende Gewalt stand der Reichsregierung, die gesetzgebende Gewalt dem Reichstag zu. Der Reichsrat stand an Bedeutung weit hinter dem früheren Bundesrat zurück. - Im 2. Hauptteil der Weimarer R. wurden detailliert Grundrechte festgelegt, die jedoch nicht direkt, sondern als Auftrag an den Gesetzgeber galten. Die Weimarer R. bekannte sich zu den Grundsätzen des Rechtsstaats. Der Nationalsozialismus hob die Weimarer R. zwar nicht formell, aber doch praktisch in wesentl. Teilen auf, bes. die rechtsstaatl. Garantien. Die gesetzgebende Gewalt ging vom Reichstag auf die Reichsreg. über. 1934 wurde das bundesstaatl. System beseitigt, der Reichsrat entfiel. Die Länder wurden den Reichsstatthaltern unterstellt.
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