Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Reformation
Reformation[zu Reform] die, seit Ende des 17. Jh. Bez. für die im 16. Jh. von M. Luther vor dem Hintergrund der kirchl. Missstände begründete kirchl. Reformbewegung, deren Kritik sich v. a. gegen die Vernachlässigung des geistl. Amtes durch die Renaissancepäpste, die Verweltlichung und mangelnde theolog. Bildung des Klerus, eine von der Bibel entfernte spätscholast. Theologie und die Finanzpraktiken der Kirche (bes. den Ablasshandel) richtete und die zunächst, als innerkirchl. Bemühen um Wiederherstellung einer dem Evangelium gemäßen Kirche, deren geistl. Erneuerung, verbunden mit einer »Reform an Haupt und Gliedern«, anstrebte. Als Beginn der R. gilt der Tag der Veröffentlichung von M. Luthers Thesen über den Ablass (31. 10. 1517), die als ihr entscheidender Anstoß gelten. Unterstützt durch versch. Reichsfürsten (v. a. Kurfürst Friedrich III. von Sachsen) und das Stadtbürgertum führte die nachfolgende Entwicklung zur Auflösung der kirchl. Einheit der lateinischen Kirche, zur Herausbildung eigenständiger »evang.« Kirchen und Gemeinschaften (lutherische Kirchen, reformierte Kirchen) und zur Formierung des Protestantismus als christl. Konfession. Geistige Unterstützung erhielt die R. durch die Humanisten (Humanismus); politisch verbanden zeitweilig antirömisch-nat. (die Reichsritterschaft) und sozialrevolutionäre Kräfte (die aufständ. Bauern [Bauernkrieg]) ihre Anliegen mit der Bewegung der R., z. T. gegen den erbitterten Widerstand M. Luthers. Nach 1525 wurde die R. ausschließlich Sache der Landesherren (Fürsten-R.); die evang. Landeskirchen entstanden, durch die Säkularisierungen erfuhren die dt. Territorien einen erhebl. Machtzuwachs. Prot. Führungsmächte wurden Kursachsen, Hessen und Brandenburg. - Die theolog. Grundlagen der R. wurden erstmals 1530 in der Augsburgischen Konfession als dem grundlegenden luth. Bekenntnis und, in Anlehnung daran, für den ref. Zweig der R. im Vierstädtebekenntnis der Städte Konstanz, Lindau, Memmingen und Straßburg niedergelegt. 1531 schlossen sich die prot. Fürsten und Städte im Schmalkaldischen Bund zusammen. Über das Augsburger Interim (1548) kam es 1555 im Augsburger Religionsfrieden zur reichsrechtl. Anerkennung der luth. Reformation. Die weltl. Reichsstände (die Landesherren) erhielten das Recht der freien Wahl der Konfession (Cuius regio, eius religio), was zur konfessionellen Spaltung Dtl.s führte. Im 16. Jh. breitete sich die R. in ganz Europa aus. Die kath. Kirche leitete in Reaktion auf diese Entwicklung und theolog. Abgrenzung zu den Positionen der R. mit dem Konzil von Trient (1545-63) ihrerseits die Kirchenreform (katholische Reform) ein. Versuche, die eingetretene Entwicklung umzukehren, hatten im Rahmen der Gegenreformation in Teilen Dtl.s und Europas Erfolg (gewaltsam v. a. in Böhmen im Dreißigjährigen Krieg), erreichten jedoch ihr Hauptziel, die vollständige Rekatholisierung Europas, nicht. Starke prot. Nationalkirchen bildeten sich außerhalb Dtl.s in Skandinavien und im Baltikum. Weltweite Verbreitung fanden die Kirchen der R. später v. a. im Gefolge der engl. und niederländ. kolonialen Expansion. (deutsche Geschichte)
Literatur:
Iserloh, E.: Geschichte u. Theologie der R. im Grundriß. Paderborn 31985.
Oberman, H. A.: Die R. Von Wittenberg nach Genf. Göttingen 1986.
Stupperich, R.: Die R. in Dtl. Gütersloh 31988.
Oberman, H. A.: Werden u. Wertung der R. Vom Wegestreit zum Glaubenskampf. Tübingen 31989.
Büsser, F.: Die Prophezei. Humanismus u. R. in Zürich, hg. v. A. Schindler. Bern u. a. 1994.
Lutz, H.: R. u. Gegenreformation. München 41997.
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