Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Raumfahrt
Raumfahrt(Weltraumfahrt, Astronautik, Kosmonautik), alle Bemühungen, durch Einsatz techn. Hilfsmittel dem Menschen andere Himmelskörper direkt erreichbar zu machen bzw. ihm den Aufenthalt im Weltraum zu ermöglichen. Die Forschungen und Entwicklungen zur Verwirklichung der R. werden unter dem Begriff R.-Forschung zusammengefasst, alle Bewegungen künstl. Körper im Weltraum als Raumflug. Die Flugkörper nennt man Raumflugkörper.
Im eigentl. Sinn umfasst die R. die Erforschung und Erschließung des erdnahen Weltraums sowie des Sonnensystems mithilfe unbemannter Geräte und durch den Menschen im Raum selbst. Die Beschränkung der R. auf diese Bereiche hat ihre Ursache in den großen Entfernungen der nächsten Sterne (4,07 · 1013 km = 4,3 Lichtjahre für den erdnächsten Fixstern Proxima Centauri) und der damit verbundenen Flugzeit, die bei der heute verfügbaren Höchstgeschwindigkeit rd. 100 000 Jahre für nahe Fixsterne betragen würde.Gegen Ende des 19. Jh. begannen v. a. der Russe Nikolai Iwanowitsch Kibaltschitsch (* 1854, ✝1881) und der Deutsche Hermann Ganswindt (* 1856, ✝ 1934) mit Überlegungen, wie man Rückstoßapparate für die R. einsetzen könnte. Techn.-wiss. Arbeiten folgten um die Wende zum 20. Jh. durch den Russen K. E. Ziolkowski, den Amerikaner R. H. Goddard und den Deutschen H. Oberth. Grundsätzl. Überlegungen und Untersuchungen zu Raumflugbahnen sowie die Erkenntnis, dass nur Raketen für die R. infrage kommen, sind v. a. mit den Namen E. Sänger, S. P. Koroljow, W. von Braun, M. Valier und R. Nebel verbunden.Der Beginn der eigentl. R. war der Start des sowjet. Satelliten Sputnik 1 am 4. 10. 1957. Wichtige Höhepunkte der R.: 3. 11. 1957 erstes Lebewesen im Weltraum (Hündin Laika); 31. 1. 1958 Entdeckung des Van-Allen-Strahlungsgürtels (Explorer 1); 12. 9. 1959 erste (harte) Mondlandung (Luna 2); 4. 10. 1959 erste Fotos der Mondrückseite (Luna 3); 19. 8. 1960 erste sichere Rückführung eines (unbemannten) Raumfahrzeugs zur Erde (Korabl-Sputnik 2); 12. 4. 1961 erster Mensch im Weltraum (J. A. Gagarin, Wostok 1); 16. 6. 1963 erste Frau im Weltraum (V. W. Tereschkowa, Wostok 6); 28. 11. 1964 Beginn der Marserkundung (Mariner 4); 18. 3. 1965 erster Ausstieg eines Raumfahrers in den Weltraum (A. A. Leonow, Woschod 2); 3. 2. 1966 erste weiche Mondlandung und Fotos des Mondbodens (Luna 9); 18. 10. 1967 erste weiche Landung auf der Venusoberfläche (Wenera 4); 30. 10. 1967 erstes vollautomat. Kopplungsrendezvous zweier unbemannter Raumflugkörper (Kosmos 186 und Kosmos 188); 24. 12. 1968 erste Umkreisung des Mondes durch ein bemanntes Raumfahrzeug (Apollo 8); 16. 1. 1969 erste Kopplung zweier bemannter Raumfahrzeuge (Sojus 4 und Sojus 5); 20. 7. 1969 erste Landung eines bemannten Raumfahrzeugs auf dem Mond (von Apollo 11 abgesetzter Lander Eagle; N. Armstrong und E. Aldrin betreten als erste Menschen den Mond); 24. 9. 1970 erste (automat.) Gewinnung und Rückführung von Mondbodenproben mittels eines unbemannten Raumflugkörpers (Luna 16); ab 17. 11. 1970 erstes ferngesteuertes Mondmobil eingesetzt (Lunochod 1); 7. 6. 1971 erste wiss. Raumstation durch Kopplung von Sojus 11 mit Saljut 1 und Umstieg der Besatzung gebildet; 14. 5. 1973 bemannte amerikan. Raumstation Skylab; 10. 12. 1974 Beginn der Sonnennaherkundung (Helios 1, Dtl.); 20. 7. 1976 erste weiche Landung eines unbemannten Raumflugkörpers auf dem Mars, Entnahme und Analyse von Bodenproben (Viking 1); 11. 1. 1978 nach Ankopplung von Sojus 27 an die Raumstation Saljut 6 erster Flug von drei Raumflugkörpern als Raumflugeinheit (Orbitalkomplex Saljut 6/Sojus 26/Sojus 27); 12. 4. 1981 erster Start des mehrmals verwendbaren Raumtransporters Spaceshuttle »Columbia«; 1. 3. 1982 erste Farbfotos der Venusoberfläche, Entnahme und Analyse von Bodenproben (Wenera 13); 13. 6. 1983 Pioneer 10 verlässt als erste Raumsonde unser Planetensystem; 2. 8. 1985 Untersuchung des Halleyschen Kometen (durch die ESA-Sonde Giotto); 31. 10.-6. 11. 1985 erste Spacelab-Mission unter dt. Leitung (D-1) mit den Deutschen R. Furrer und E. Messerschmid; 28. 1. 1986 Spaceshuttle Challenger explodiert 73 Sekunden nach dem Start mit sieben Astronauten an Bord; 20. 2. 1986 Start der sowjet. Raumstation Mir; am 5. 5. 1989 setzt Spaceshuttle Atlantis die amerikan. Venussonde Magellan aus; 25. 8. 1989 Neptunpassage der amerikan. Raumsonde Voyager 2; 18. 10. 1989 Start der amerikan. Jupitersonde Galileo; 24. 4. 1990 Start des amerikan. Hubble Space Telescope als größtem Teleskop im All (nach Aussetzen nicht voll funktionsfähig; umfangreiche Reparaturen während einer Spaceshuttle-Mission vom 2. bis 13. 12. 1993); am 6. 10. 1990 setzt Spaceshuttle Discovery die europ. Raumsonde Ulysses zur Erforschung der Sonne aus; 26. 4.-6. 5. 1993 zweite Spacelab-Mission unter dt. Leitung (D-2) mit den Deutschen H. W. Schlegel und U. Walter; 8. 1. 1994 Start des Russen W. Poljakow zum - mit 438 Tagen an Bord der Mir - längsten Aufenthalt eines Menschen im All; 4. 10.-4. 11. 1994 russisch-europäische Mission Euromir '94 mit dem Deutschen U. Merbold; am 29. 6. 1995 dockt mit Atlantis das erste amerikan. Spaceshuttle an die russ. Raumstation Mir an; 3. 9. 1995-29. 2. 1996 zweite russisch-europäische Mission Euromir '95 mit dem Deutschen T. Reiter; 4. 12. 1996 Start der Marssonde Pathfinder.
Literatur:
M. Maegraith. Mondlandung. Dokumentation der Weltraumfahrt USA u. UdSSR, bearb. v. A. d. Amerikan. Stuttgart 31969.
Buedeler, W.: Geschichte der R. Künzelsau u. a. 21982.
Block, T.: Bemannte R. 30 Jahre Menschen im All. Goslar 1992.
Freeman, M.: Hin zu neuen Welten. Die Geschichte der dt. Raumfahrtpioniere, bearb. v. W. Lillge. A. d. Amerikan. Wiesbaden 1995.
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