Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Quantenmechanik
Quạntenmechanik,nichtrelativist. Theorie der Bewegung und Wechselwirkung mikrophysikal. Systeme, wie Elementarteilchen, Atome, Moleküle. Ausgehend von der klass. Mechanik werden in der Q. den klass. (beobachtbaren) physikal. Größen, wie Ort, Impuls und Energie (Observable), Operatoren zugeordnet und die mögl. Zustände des Systems als normierte Vektoren eines abstrakten Zustandsraumes, des Hilbert-Raumes, aufgefasst. Die Wirkung zweier Operatoren auf die Zustandsvektoren ist i. Allg. nicht vertauschbar (es gelten Vertauschungsrelationen), was sich in der heisenbergschen Unschärferelation widerspiegelt. Im Ggs. zur klass. Mechanik sind die Messwerte einer physikal. Größe nicht zu jedem Zeitpunkt exakt definiert, sondern werden als Wahrscheinlichkeitsaussagen (quantenmechan. Erwartungswerte) interpretiert. - Die entsprechenden, mathematisch äquivalenten Realisierungen der Q. sind die durch Quantisierung der klass. Mechanik entstandene Matrizenmechanik (W. Heisenberg, P. Jordan, M. Born, P. A. M. Dirac, um 1925) und die durch Quantisierung der klass. Wellentheorie der Materie hervorgegangene Wellenmechanik (E. Schrödinger, 1926), in denen die physikal. Größen als zeitabhängige (verallgemeinerte) Matrizen bzw. Differenzialoperatoren und die Zustände des Systems als zeitunabhängige Vektoren bzw. als zeitabhängige Wellenfunktionen dargestellt werden. Eine Ausdehnung der Q. auf relativist. Vorgänge ist nur für einzelne Teilchen möglich; für Elektronen gilt die diracsche Wellengleichung. Für die Beschreibung mehrerer relativist. Teilchen mit Wechselwirkung gilt die Quantenfeldtheorie.Deutungen der Q.: Das Problem, wie die Wahrscheinlichkeitsaussagen der Wellenfunktionen zu interpretieren sind, ob als Aussagen über die objektive Realität oder als Aussagen über die Qualität unseres Wissens, führt zu einander widerstreitenden Deutungen. Die Kopenhagener Deutung N. Bohrs sucht einerseits, positivistisch orientiert, die Physik allein auf Beobachtungen und Messergebnisse zu beschränken: Physikal. Theorien seien lediglich Zusammenfassungen von Beobachtungsdaten (z. B.: lässt sich eine Elektronenbahn im Atom nicht beobachten, so hat es keinen Sinn, den Bahnbegriff zu verwenden); andererseits tendiert sie dahin (Heisenberg), »Wahrscheinlichkeit«, »Unschärfe« (Unschärferelation ) bzw. »Unbestimmtheit« als Eigenschaften der mikrophysikal. Wirklichkeit selbst zu verstehen. Einstein vertrat eine statist. Interpretation: Die Wahrscheinlichkeitsaussagen charakterisieren unseren Wissensstand und sind (wie in der statist. Thermodynamik) Aussagen über ein Kollektiv von Teilchen; es gebe eine vom Subjekt unabhängige objektive Realität, die exakt bestimmbar und streng determiniert sei. Die bewusstseinstheoret. Deutung von E. Wigner interpretiert Wahrscheinlichkeit als Eigenschaft der Wirklichkeit: Das exakte Messergebnis sei Resultat einer Wechselwirkung zwischen dem registrierenden Bewusstseinsakt und der durch die Wellenfunktion beschriebenen Wirklichkeit; das Ich werde Teil der Physik. Auch die Mehrfachwelteninterpretation (Hugh Everett) erblickt in der Wahrscheinlichkeitsaussage eine Beschreibung der Wirklichkeit: Im quantenmechan. Messprozess werde aus der Summe der die Wirlichkeit beschreibenden Wellenfunktionen eine realisiert, die anderen stellen parallel zur beobachteten Realität existierende, nicht realisierte »Welten« dar. Die Theorie der verborgenen Variablen (D. Bohm) knüpft an Einsteins Theorie an: Sie geht von der Existenz einer objektiven Realität aus; die zurzeit herrschende Theorie der Q. sei noch unvollständig, wichtige physikal. Größen seien noch zu entdecken.
Literatur:
Brandt, S.u. Dahmen, H. D.: The picture book of quantum mechanics. New York u. a. 21995.
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