Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
portugiesische Literatur.
portugiesische Literatur.Die älteste p. L. lehnte sich eng an frz.-provenzal. Vorbilder an. Sie brachte keine Epen, sondern ausschließlich Lyrik in galicisch-portugies. Sprache hervor, die in drei Liederbüchern (»Cancioneiros«, etwa 3 000 Liebes-, Spott-, Frauenlieder von über 200 Dichtern aus versch. Ständen) überliefert ist. Zu den Dichtern gehören auch die Könige (Sancho I., Dinis); von Alfons X., dem Weisen, von Kastilien sind über 400 Marienlieder (»Cantigas de Santa Maria«) in portugies. Sprache erhalten. Mit dem erwachenden Nationalbewusstsein entstand seit dem 14. Jh. historiograph. Prosa (u. a. Chroniken nach dem Sieg von Aljubarrota über die Kastilier 1385). Der berühmte Ritterroman um Amadis von Gaula, wahrscheinlich vor 1325 in Portugal entstanden, ist nur in span. Fassung erhalten. Im 15. Jh. orientierte sich die höf. Gelegenheitsdichtung an span. Mustern (»Cancioneiro geral«, zusammengestellt von G. de Resende, 1516).16. Jh. (Renaissance und Humanismus):Der Begründer des portugies. Dramas, Gil Vicente, füllte die mittelalterl. Formen - Mysterienspiel und Auto - mit humanist. Geist; weitere Renaissancedramatiker waren J. Ferreira de Vasconcelos, A. Ferreira, der die klass. Tragödie in die p. L. einführte (»Tragédia muy sentida e elegante de D. Inês de Castro«, um 1558, hg. 1587), und F. de Sá de Miranda, der wichtigste Vertreter des portugies. Humanismus, auch bed. Lyriker. Die Mode des Schäferromans griff der spanisch schreibende J. de Montemôr (span. Montemayor) mit großem Erfolg auf (»Diana«, 1559, unvollendet). Die historiograph. Tradition wurde u. a. mit den Schilderungen der Eroberung Indiens fortgeführt (J. de Barros, G. Correia). Bedeutendster Vertreter der p. L. überhaupt war L. Vaz de Camões, dessen histor. Epos »Die Lusiaden« (1572) das portugies. Nationalgefühl vollendet zum Ausdruck bringt.17. und 18. Jh. (Barock, Aufklärung):Durch die Personalunion zw. Spanien und Portugal (1580-1640) ist die p. L. dieser Zeit stark durch die literar. Strömungen in Spanien beeinflusst (bes. L. de Góngora y Argote). F. Rodrigues Lobo führte die span. Kunstromanze ein, das vielseitige Werk von F. M. de Melo (Dramen, Lyrik, Satiren) zeigt barocken Formenreichtum. Bed. tolerante Schriften verfasste der Jesuit A. Vieira. Im 18. Jh. stand die p. L. im Zeichen der frz., auch der engl. Aufklärung und der Politik des Min. Pombal. Die literar. Gesellschaften »Arcádia Lusitana« (1756-74) und »Nova Arcádia« (1790-94) wurden zum Sammelpunkt klassizist. Strömungen. Wichtige Vertreter der klassizist. Dichtung waren A. Dinis da Cruz e Silva, F. Manuel do Nascimento, M. M. Barbosa du Bocage.19. Jh.: Die Romantiker erneuerten alle literar. Gattungen. Beherrschende Persönlichkeit war J. B. da Silva Leitão de Almeida Garrett, sein Drama »Manuel de Sousa« (1844) hatte europ. Bedeutung, der Roman »Der Mönch von Santarem oder Wanderungen in meinem Vaterlande« (1846) markiert den Beginn moderner Prosa in der p. L. Erfolgreiche Gesellschaftsromane und Novellen schrieb C. Castelo Branco, großen Einfluss hatte die Lyrik von A. F. de Castilho. Die Gegenbewegung zur Romantik ging von der »Generation von Coimbra« aus, ihre Wortführer waren die Lyriker A. de Quental und J. M. Eça de Queirós, mit dessen Romanen die p. L. die Hinwendung zum Realismus vollzogen hat.20. Jh.: Seit etwa 1890 bestimmten die Richtungen der frz. Lit. des Fin de Siècle die p. L. (Lyrik von A. Nobre, E. de Castro, R. G. Brandão u. a.). Mit der Ausrufung der Rep. (1910) gewann der neoromant. Saudosismo Einfluss, der eine geistige Erneuerung durch Rückbesinnung auf nat. Werte erstrebte (Teixeira de Pascoaes). C. Pessoa, der bedeutendste portugies. Lyriker des 20. Jh., wurde vom Saudosismo angeregt, nutzte aber alle Möglichkeiten des Modernismo, ähnlich J. Régio. Vielseitiger Romancier war A. Ribeiro, er gab dem Regionalismus bed. Impulse. Andere Erzähler erweiterten den regionalist. Roman um neorealist. Züge (A. A. Redol, J. M. Ferreira de Castro, F. Namora). Auch die p. L. der 2. Hälfte des 20. Jh., die mit der Rückkehr vieler Autoren aus der Emigration nach 1974 aufblühte, knüpft an Tradition und Gesch. an, sucht aber gleichzeitig durch Weltoffenheit und moderne Gestaltungsweisen ihre krit. Verarbeitung (im Roman u. a. M. Torga, J. Saramago, A. Lobo Antunes, J. R. Direitinho, C. de Oliveira, Lídia Jorge, Ilse Losa; in der Dramatik u. a. B. Santareno, J. Cardoso Pires, A. M. de Sousa Aragão; in der Lyrik u. a. A. Osório, H. Helder, A. Franco Alexandre).
Literatur:
Rossi, G. C.: Geschichte der p. L. Aus dem Portugies. Tübingen 1964.
Franzbach, M.: Abriß der span. u. portugies. Literaturgeschichte in Tabellen. Frankfurt am Main u. a. 1968.
Hess, R.: Die Anfänge der modernen Lyrik in Portugal: 1865-1890. München 1978.
Kreutzer, W.: Stile der portugies. Lyrik im 20. Jh. Münster 1980.
Mendes, J.: Literatura portuguesa, 4 Bde. Lissabon 21981-83.
Saraiva, A. J. u. Lopes, Ó.: História da literatura portuguesa. Porto 131985.
Portugies. Romane der Gegenwart. Interpretationen, hg. v. R. Hess. Frankfurt am Main 1992.
Hasebrink, G.: Wege der Erneuerung. Portugies. Romane nach der »Nelkenrevolution«. Berlin 1993.
Die Schwestern der Mariana Alcoforado. Portugies. Schriftstellerinnen der Gegenwart, hg. v. E. Engelmayer u. a. Berlin 1993.
Siepmann, H.: P. L. des 19. u. 20. Jh. in Grundzügen. Darmstadt 21995.
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