Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
polnische Kunst.
pọlnische Kunst.Seit den Anfängen im 10. Jh. stand die Kunst Polens unter wechselnden Einflüssen aus Mitteleuropa und Italien. Sie entwickelte erstmals im 14. Jh. eigenständige Stilvarianten und nahm um 1800 betont nat. Charakter an. Die mittelalterl. Baukunst setzte zu Ende des 9. Jh. ein (Rundkapellen auf dem Wawel, dem Krakauer Burgberg). Seit Mitte des 13. Jh. verbreiteten die Zisterzienser die got. Baukunst. Eigenständige poln. Bautypen entwickelten sich mit den Domen in Krakau (1320-64) und Gnesen (1342 ff.) sowie der Kollegiatskirche in Wiślica (um 1350 ff.). Im N entstanden im 14. und 15. Jh. zahlr. Deutschordensburgen, die Städte erhielten Befestigungen und Rathäuser mit mächtigen Türmen, Krakau eine Universität (Collegium Maius, 1492-97). König Sigismund I. berief italien. Renaissancebaumeister nach Polen: Das Wawelschloss in Krakau wurde 1502-35 von Meister Francesco (✝ 1516) und B. Berecci umgebaut, der auch die Sigismund-Kapelle am Dom errichtete (1519-33). In die bürgerl. Architektur drangen Renaissanceelemente insbesondere als vorgeblendetes Dekorationssystem ein (»poln. Attika«). Die barocke Baukunst war zunächst römisch geprägt (Jesuitenkirchen, u. a. St. Peter und Paul in Krakau, 1596-1619), der Niederländer Tylman van Gameren baute hochbarock oder im paladian. Stil (u. a. Palais Krasiński, 1680-95; Warschau). Zum Zentrum des künstler. Lebens wurde das Ende des 17. Jh. von A. V. Locci gebaute Schloss Wilanów bei Warschau. Ende des 18. Jh. herrschte der elegante »Stanislaus-August-Klassizismus« (Umbau des königl. Schlosses und von Schloss Łazienki in Warschau durch D. Merlini). - Im 19. Jh. dominierten historist. Tendenzen, denen Ende des 19./Anfang 20. Jh. einige Architekten durch Aufgreifen nat. Formen (u. a. Holzbauweise, Landhausstil) zu begegnen suchten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hervorragende Leistungen der Denkmalpflege bei der Rekonstruktion schwer zerstörter Städte (Warschau, Danzig, Breslau); Neugestaltung ganzer Städte. - Frühe Beispiele poln. Plastik sind die Gnesener Bronzetür und die Reliefsäulen von Strzelno (beides um 1170). Im 14. und 15. Jh. entstanden die Königsgräber des Krakauer Doms. Das Grabmal König Kasimirs IV. (1492) ist eine Arbeit von V. Stoß, der mit dem Marienaltar für die Marienkirche (1477-89) in Krakau auch sein Hauptwerk hinterließ. Der wichtigste Bildhauer des ausgehenden 18. Jh. war A. Le Brun, in der 1. Hälfte des 19. Jh. J. Tatarkiewicz und im 20. Jh. X. Dunikowski. - Die got. Malerei in Polen ist durch Einflüsse v. a. aus Böhmen und dem byzantin. Bereich bestimmt. Im 16. Jh. waren mehrere Nürnberger Maler (H. von Kulmbach, H. Dürer) in Krakau tätig. Neben der am Ende des 16. Jh. ins Land gebrachten italien. Renaissancemalerei behauptete sich (bis zum Ende des 18. Jh.) ein sarmatischer Stil mit oriental. Zügen. J.-P. Norblin markierte den Übergang vom Rokoko zum Realismus des 19. Jh., dessen Hauptvertreter P. Michałowski, J. Matejko sowie M. und A. Gierymski wurden. Symbolisten wie J. Malczewski und S. I. Witkiewicz leiteten zur Moderne über, die einen Konstruktivismus als bedeutendste poln. Eigenleistung hervorbrachte (W. Strzemiński, H. Berlewi, K. Kobro). Bedeutung erlangte v. a. in Krakau der Jugendstil um die Künstlergruppe »Sztuka«, ihr wichtigster Vertreter war der Maler, Dichter und Kunsthandwerker S. Wyspiański. Experimentelle Offenheit kennzeichnet auch die p. K. nach dem Zweiten Weltkrieg (T. Kantor, T. Brzozowski, Magdalena Abakanowicz, R. Opatka, Z. Jurkiewicz, Z. Gostomski). Die poln. Grafik erlangte internat. Ansehen, v. a. in der Plakatkunst.
Die Vielfalt der heutigen, parallel zu den westl. Strömungen verlaufenden Kunstformen spiegelt auch die relative Offenheit, die innerhalb der p. K. mit gewissen Schwankungen unter dem kommunist. Regime ab Ende der 1950er-Jahre herrschte. Im Gegensatz zur westl. Kunst spielt in Polen das Menschenbild nach wie vor eine besondere Rolle, wofür als wegweisende Persönlichkeit v. a. J. Panek zu nennen ist. In Gemälden, Skulpturen und Installationsarbeiten setzten sich Künstler wie M. Balka, L. Korokiewwicz, J. Modzelewski, E. Dwumik und Anna Beller mit der zeitgenöss. Realität auseinander. Auf einer eher symbol. Ebene arbeiten Künstler wie T. Ciecierski, A. Szewczyk, Hanna Luczak, P. Kurra und K. Klipsa. Die konstruktivist. Tradition, die in Polen Ende der 1960er und in den 1970er-Jahren v. a. mit seriellen Untersuchungen verstärkt in Erscheinung trat, ist noch immer sehr lebendig und wird von Künstlern wie L. Tarasewicz, M. Chlanad und Zuzanna Baranowska spielerisch-assoziativ fortgeführt. Die Trennung zw. einer figurativen und einer abstrakten Kunst spielt in Polen für den einzelnen Künstler kaum eine Rolle, da beide Richtungen als Ausdruck einer ästhetisch-konstruktiven Haltung zur realen Umwelt gesehen werden.
Literatur:
Ostrowski, J. K.: Die poln. Malerei vom Ende des 18. Jh. bis zum Beginn der Moderne. München 1989.
Junges Polen. P. K. um 1900, Redaktion: C. Sternberg u. C. Zangs. Ausst.-Kat. Städt. Museum Schloß Rheydt, Mönchengladbach 1991.
Kunst in Polen - p. K. 966-1990. Eine Einführung, bearb. v. S. Muthesius. Königstein im Taunus 1994.
Knaurs Kulturführer in Farbe. Polen, hg. v. M. Mehling, Beiträge v. S. K. Dmitriev u. a., Fotografie: A. Milovsky. München 1995.
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