Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
politische Dichtung
politische Dichtung(politische Literatur), unscharfer Sammelbegriff für literar. Werke, die polit. Ideen, Ereignisse und Themen behandeln, um so auf die Meinungsbildung, Handlungsweisen und Vorgänge in Staat und Gesellschaft einzuwirken. Der Begriff ist Ausdruck einer Literaturauffassung, die Literatur in erster Linie unter dem Aspekt ihrer gesellschaftskrit. oder sozialen Wirkung betrachtet, unabhängig von der Intention des Autors. I. e. S. bezeichnet p. D. Werke, die unmittelbar im Dienst der Politik - apologetisch oder scharf kritisierend - stehen (charakteristisch z. B. für die Arbeiterliteratur, die Blut-und-Boden-Dichtung und die Werke des sozialist. Realismus).
P. D. kann sich aller literar. Gattungen bedienen, bevorzugt jedoch die Kleinformen der Lyrik (Epigramm, Lied, Chanson, Song), Epik (Anekdote, Fabel, Kurzgeschichte) und des Dramas (Einakter, Sketch, Hörspiel, Lehrstück), daneben kurze Prosaformen wie Flugblatt, Traktat, Pamphlet, Dialog, Reportage usw. Häufig benutzte Verfahren sind Satire, Parodie, Travestie und Kontrafakturen bekannter Texte. Eine distanzierte Bewertung p. D. ist wegen des Zeitbezugs und der unvermeidl. Parteilichkeit kaum möglich. Dennoch zeugen Reaktionen auf p. D. und ihre Verfasser wie Verfolgung, Verbot, Zensur und Prozesse bis in die Gegenwart von ihrer über das rein Literarische hinausweisenden Bedeutung und Wirkung.
Literatur:
W. Hinderer. Geschichte der polit. Lyrik in Dtl., hg. v. Stuttgart 1978.
Schriftsteller u. Politik in Deutschland, hg. v. W. Link. Düsseldorf 1979.
Rudorf, F.: Poetologische Lyrik u. p. D. Frankfurt am Main 1988.
Hohmann, S.: Friedenskonzepte. Die Thematik des Friedens in der deutschsprachigen politischen Lyrik des Mittelalters. Köln 1992.
Craig, G. A.: Die Politik des Unpolitischen. Deutsche Schriftsteller u. die Macht. 1770 -1871. A. d. Engl. Neuausg. München 1996.
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