Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Psychologie
Psychologie[grch.] die, Wiss., die sich mit den Formen und Gesetzmäßigkeiten des menschl. Verhaltens und Erlebens befasst sowie deren Bedingungen untersucht (Human-P.). Das Verhalten von Tieren ist Gegenstand der Tier-P. (Verhaltensforschung).Zur empir. P. zählen neben der allg. P. (Untersuchung des psych. Grundgeschehens in Wahrnehmen, Denken, Sicherinnern, Fühlen, Wollen) v. a. die Teilgebiete Entwicklungs-P. (Beschreibung und Erforschung der ontogenet. Entwicklung des Verhaltens von Individuen und Gruppen), Ausdrucks-P. (Analyse menschl. Ausdrucksverhaltens), experimentelle P. (Experiment als Erkenntnismethode), Persönlichkeits-P. (Analyse persönlichkeitsbildender Faktoren durch Fragebogen, Test, Experiment), differenzielle P. (Untersuchung von Erleben und Verhalten des Individuums v. a. unter dem Aspekt der individuellen Unterschiede), Sozial-P. (befasst sich mit den sozialen Einflüssen auf Entwicklung und Verhalten eines Individuums). - Bes. enge Beziehungen bestehen zur Medizin. Sie sind v. a. darauf zurückzuführen, dass die Bindungen zw. psych. Gegebenheiten und somat. Erkrankungen untrennbar sind. Im Vordergrund der medizin. P. (klin. P.) steht damit die Betrachtung eines kranken Organismus in seiner Gesamtheit und infolgedessen die Behandlung jeweils nicht einer bestimmten organ. Krankheit, sondern eines Individuums insgesamt. - Die theoret. P. stellt aufgrund empir. Befunde allgemein Gesetzmäßigkeiten des Psychischen auf. Als angewandte P. (prakt. P.) werden diejenigen Teilgebiete der P. bezeichnet, die psycholog. Erkenntnisse für die versch. Bereiche des wirtsch., sozialen und kulturellen Lebens nutzbar machen (z. B. Berufs-P., Arbeits-P., Werbe-P., klin. P.).Methoden: In der wiss. P. dominiert heute das empirisch-quantitative Grundverständnis. Die Methoden der experimentellen oder empir. Beobachtungen reichen von hirnelektr. Messungen über Reaktionszeit- und Leistungsmessungen o. Ä. bis zu Verhaltenstests, Urteilsskalen zur Selbstbeurteilung (Fragebogen) oder Beurteilung durch geschulte Beobachter. In großem Umfang werden Testverfahren (v. a. in den Anwendungsfächern) und statist. Methoden (zur Überprüfung theoret. Erwartungen) verwendet.Geschichte: Die P. erreichte bei Aristoteles wiss. Rang, wurde aber als Teil der Philosophie betrachtet, eine Vorstellung, die bes. in Dtl. bis ins 20. Jh. nachgewirkt hat. Im 19. Jh. suchte man strenge mathematisch-experimentelle, naturwiss. Verfahren in die P. einzuführen. Die so entstandene Psychophysik und die physiolog. P. wurden auf wahrnehmungspsycholog. Gebiet weiterentwickelt. Unter ihren Vertretern gilt W. Wundt, der 1879 in Leipzig ein psycholog. Laboratorium gründete, als der eigentl. Begründer der wiss. P. 1870 leitete C. von Ehrenfels die Gestalt- oder Ganzheits-P. ein. W. Dilthey setzte der naturwiss.-kausal erklärenden die geisteswiss. orientierte, phänomenolog. oder »verstehende P.« entgegen. Um 1890 begannen die bahnbrechenden Untersuchungen über das Unbewusste, vorbereitet von J. F. Herbart, F. Nietzsche u. a., auf denen S. Freud, zunächst abseits der Schul-P., die Psychoanalyse aufbaute. Aus der grundsätzl. Ablehnung der Methode der Selbstbeobachtung als rein subjektiver Methode haben die Vertreter des russ. (I. P. Pawlow, W. M. Bechterew) und des amerikan. Behaviorismus (J. B. Watson) die Konsequenz gezogen, dass die P. als Wiss. sich nur mit dem experimentell untersuchten Verhalten zu beschäftigen habe; das führte zunächst zu einer Bevorzugung des Tierexperiments. K. Lewin baute Mitte der 1930er-Jahre versch. Ansätze zu einer Gruppendynamik aus, die heute unter die Sozial-P. gefasst wird. H. Münsterberg begründete als »Psychotechnik« (1914) die angewandte P. und L. Witmer 1907 die klin. P. Seit der Einführung der Faktorenanalyse durch C. Spearman spielen mathemat. Modelle und die statist. Auswertung von Beobachtungen eine große Rolle.
▣ Literatur:
Bonin, W. F.: Die großen Psychologen. Düsseldorf 1983.
⃟ Lück, H. E.: Geschichte der P. Stuttgart u. a. 1991.
⃟ Grundlagen der P., bearb. v. D. Krech u. a., hg. v. H. Benesch. A. d. Amerikan. Studienausg. Weinheim 1992.
⃟ Lexikon der P., hg. v. W. Arnold u. a., 3 Bde. Freiburg im Breisgau u. a. 131995.
⃟ Dorsch Psycholog. Wb., hg. v. H. Häcker u. K. H. Stapf. Bern 131998.
⃟ Städtler, T.: Lexikon der P. Stuttgart 1998.
▣ Literatur:
Bonin, W. F.: Die großen Psychologen. Düsseldorf 1983.
⃟ Lück, H. E.: Geschichte der P. Stuttgart u. a. 1991.
⃟ Grundlagen der P., bearb. v. D. Krech u. a., hg. v. H. Benesch. A. d. Amerikan. Studienausg. Weinheim 1992.
⃟ Lexikon der P., hg. v. W. Arnold u. a., 3 Bde. Freiburg im Breisgau u. a. 131995.
⃟ Dorsch Psycholog. Wb., hg. v. H. Häcker u. K. H. Stapf. Bern 131998.
⃟ Städtler, T.: Lexikon der P. Stuttgart 1998.