Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Protestantismus
Protestantịsmus[lat.] der, Bez. für die Gesamtheit der aus der Reformation hervorgegangenen christl. Kirchen und Gemeinschaften sowie für das ihnen zugrunde liegende theolog. Selbstverständnis. Der urspr. polit. Begriff des P. leitet sich ab von der feierl. Protestation (Einspruch) der 19 evang. Reichsstände auf dem 2. Reichstag von Speyer (19. 4. 1529) gegen den Beschluss der »altgläubigen« Mehrheit, die weitere Ausbreitung der Reformation zu verhindern. Im konfessionellen Sinn hat sich der Begriff P. erst im 17. Jh. durchgesetzt, während im 16. Jh. die Reformatoren und ihre Anhänger die Selbstbez. »evangelisch« wählten. Seine reichsrechtl. Anerkennung fand der P. (alle sich zur Augsburgischen Konfession Bekennenden) mit dem Augsburger Religionsfrieden (1555). Der Westfälische Friede (1648) stellte das ref. dem luth. Bekenntnis rechtlich gleich. Geschichtlich haben sich auf dem Boden des P. mit den luth. und ref. Kirchen und der eine gewisse Sonderstellung einnehmenden anglikan. Kirche (Kirche von England) drei Hauptzweige herausgebildet, neben die eine Reihe von evang. Freikirchen und freien Gemeinschaften und Gemeinden traten (z. B. Baptisten, Brüdergemeine, Mennoniten, Methodisten, Quäker) sowie eine nur schwer zu schätzende Vielzahl unabhängiger Kirchen in der Dritten Welt (bes. in Afrika). Die luth. Kirchen haben sich im Luth. Weltbund (gegr. 1947), die ref. Kirchen im Ref. Weltbund (gegr. 1875) zusammengeschlossen; die Gemeinschaft der anglikan. Kirchen wird durch die Lambeth-Konferenzen (seit 1867) repräsentiert. Weltweit zählen die prot. Kirchen (1999) rd. 450 Mio. Mitgl., darunter rd. 61 Mio. Lutheraner, rd. 70 Mio. Reformierte, rd. 73 Mio. Anglikaner, über 200 Mio. Pfingstler und die Mitgl. der unabhängigen Kirchen. - Kennzeichnend für die prot. Theologie in ihrer Gesamtheit ist das Verständnis von der Bibel als der einzigen Offenbarungsquelle (sola scriptura), von Jesus Christus als dem alleinigen Heilsgrund (solus Christus), von der Rechtfertigung des Menschen allein aus Gnade (sola gratia) und seiner »Gerechtigkeit« allein im Glauben (sola fide). Christl. Existenz wird als Nachfolge des Gekreuzigten angesehen. Die Einheit der Kirche sieht der P. v. a. in ihrer geistl., nicht vorrangig in ihrer institutionellen Einheit, unterstützt jedoch im Rahmen der ökumenischen Bewegung die Bemühungen, die eine Überwindung der konfessionellen Trennung der Christenheit zum (End-)Ziel haben. In der Frage des geistl. Amtes vertreten die prot. Kirchen im Grundsatz das Priestertum aller Gläubigen. - Grundlage der prot. Ethik ist das im Glauben gebundene Gewissen, das ein vor Gott verantwortetes Handeln in christl. Freiheit ermöglicht, wobei der Ort und die soziale Gemeinschaft, in der der Glaubende lebt, als die Plätze angesehen werden, auf die er von Gott gestellt ist, um im Sinne des Evangeliums zu wirken.
▣ Literatur:
Weber, M.: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, 3 Bde. Tübingen 1920-21, Nachdr. ebd. 1988.
⃟ Theologie im 20. Jh., hg. v. G. Strecker. Tübingen 1983.
⃟ Barth, K.: Die prot. Theologie im 19. Jh. Zürich 51985.
⃟ Bekenntnisschriften u. Kirchenordnungen der nach Gottes Wort reformierten Kirche, hg. v. W. Niesel. Neuausg. Zürich 1985.
⃟ Wallmann, J.: Kirchengeschichte Dtl.s seit der Reformation. Tübingen 21985.
⃟ Die Bekenntnisschriften der evangelisch-luth. Kirche. Göttingen 101986.
⃟ Profile des neuzeitl. P., hg. v. F. W. Graf, 3 Tle. Gütersloh 1990-93.
⃟ Zahrnt, H.: Die Sache mit Gott. Die prot. Theologie im 20. Jh. Neuausg. München u. a. 1990.
▣ Literatur:
Weber, M.: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, 3 Bde. Tübingen 1920-21, Nachdr. ebd. 1988.
⃟ Theologie im 20. Jh., hg. v. G. Strecker. Tübingen 1983.
⃟ Barth, K.: Die prot. Theologie im 19. Jh. Zürich 51985.
⃟ Bekenntnisschriften u. Kirchenordnungen der nach Gottes Wort reformierten Kirche, hg. v. W. Niesel. Neuausg. Zürich 1985.
⃟ Wallmann, J.: Kirchengeschichte Dtl.s seit der Reformation. Tübingen 21985.
⃟ Die Bekenntnisschriften der evangelisch-luth. Kirche. Göttingen 101986.
⃟ Profile des neuzeitl. P., hg. v. F. W. Graf, 3 Tle. Gütersloh 1990-93.
⃟ Zahrnt, H.: Die Sache mit Gott. Die prot. Theologie im 20. Jh. Neuausg. München u. a. 1990.