Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Privatisierung
Privatisierung,i. e. S. die Überführung von Staatseigentum (v. a. Eigentum an öffentl. Unternehmen) in Privateigentum. Diese P. erfolgt durch Verkauf von Beteiligungen über die Börse, durch Nichtbeteiligung des Staates an Kapitalerhöhungen oder durch direkte Eigentumsübertragung an einen privaten Käufer. Im Falle der P. von einst durch Verstaatlichung entstandenem öffentl. Eigentum spricht man von Reprivatisierung. I. w. S. wird unter P. auch die Übertragung von bisher durch den öffentl. Sektor erstellten Leistungen (z. B. Abfallbeseitigung, Krankenhäuser, Schulen) oder von für den Eigenbedarf der öffentl. Verw. benötigten Hilfsdiensten (z. B. Gebäudereinigung) auf private Anbieter verstanden (Leistungs-P.). Die Überführung öffentl. Unternehmen in eine private Rechtsform, ohne dass sich die Eigentumsverhältnisse ändern (z. B. die erste Postreform), ist keine P., kann eine solche aber vorbereiten.
Während nach 1945 in Europa eher Verstaatlichungen vorherrschten, sind die P. öffentl. Unternehmen und die Deregulierung seit Mitte der 70er-Jahre in den Mittelpunkt der wirtschaftspolit. Diskussion gerückt. Anstöße gaben die Deregulierung in den USA sowie die Krisen versch. öffentl. Unternehmen (z. B. in der Stahl- oder Werftind.). Da in West-Dtl. anders als in Frankreich und Großbritannien keine umfassenden Verstaatlichungen stattgefunden haben, hatte die P. hier einen geringeren Umfang. Sie erfolgte in drei Phasen: 1959-65 v. a. durch den Verkauf von Aktien an Bezieher niedriger Einkommen (»Volksaktien«) mit vermögenspolit. Zielsetzung, 1984-89 primär aus ordnungspolit. Aspekt (Rückzug des Staates, Wettbewerbsförderung) und seit 1991 mit der Absicht, Geldmittel zur Sanierung der Staatsfinanzen sowie für Investitionen in Ost-Dtl. zu erlösen.Mit dem Zusammenbruch der ehem. Planwirtschaften erhielt die P. seit Ende der 1980er-Jahre eine neue Dimension. Die P. und Verwertung (durch Verkauf) des volkseigenen Vermögens der DDR durch die Treuhandanstalt begann 1990 und war Ende 1994 im Wesentlichen abgeschlossen. Die Rückübertragung von Vermögenswerten an Berechtigte wurde im Ges. zur Regelung offener Vermögensfragen von 1990 i. d. F. v. 21. 12. 1998 (Vermögensgesetz) geregelt, insbesondere wenn die Vermögenswerte entschädigungslos oder mit zu geringer Entschädigung enteignet wurden und soweit nicht Gründe für den Ausschluss der Rückübertragung vorlagen.
Literatur:
F. Schneider P. u. Deregulierung öffentl. Unternehmen in westeurop. Ländern. Erste Erfahrungen u. Analysen, hg. v. u. a. Wien 1990.
Privatisierungs- u. Beteiligungspolitik in der Bundesrep. Dtl., hg. v. F. Knauss. Baden-Baden 1993.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Privatisierung