Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Postmoderne
Postmodẹrne[lat. »Nachmoderne«], zentraler Begriff der Kulturtheorie, der in den 1930er-/1940er-Jahren seinen Ursprung hat und seit Ende der 1960er-Jahre gebräuchlich ist für Wandlungen und Umbrüche v. a. in Architektur, bildender Kunst, Lit., Musik und Tanz. Der Name steht für eine Vielfalt von Konzeptionen, die sämtlich eine Relativierung überkommener Wertmaßstäbe spiegeln. Der entscheidende Unterschied zur klass. Moderne besteht einerseits in der Ablehnung ihrer Forderung nach ständiger Neuerung, andererseits in einem neuen Interesse für Tradition und Gesch. - Den zuvor schon in der literarisch-philosoph. Diskussion vorgeprägten Begriff der P. führte der amerikan. Architekturtheoretiker C. Jencks mit der Schrift »The language of post-modern architecture« (1977; dt. »Die Sprache der postmodernen Architektur«) in die Architekturtheorie ein. Wie auch schon bei R. Venturi und A. Rossi wendet sich die von Jencks vorgetragene Kritik gegen die Entwicklungen einer kommerzialisierten, modernen Architektur (»Spätmoderne«). Die postmoderne Architektur, als deren Hauptvertreter u. a. H. Hollein, Isozaki Arata, C. W. Moore, Rossi, R. Stern, J. Stirling, Venturi und O. M. Ungers gelten, die aber ebenso im Werk zahlr. anderer Architekten (u. a. R. Bofill) ihren Stellenwert erhält, wendet sich gegen die Folgen der modernen Architektur, wie sie von Le Corbusier, W. Gropius, L. Mies van der Rohe, F. L. Wright u. a. begründet wurde. Sie wendet sich gegen Purismus und Monofunktionalisierung, gegen die Abwendung von der Gesch., gegen den Internationalismus (Internationaler Stil) und die Vernachlässigung lokaler und regionaler Identität. Gegenüber dem funktionalist. Purismus kehrt die Architektur der P. äußerlich zum histor. Eklektizismus zurück und kann insofern als rekursive P. bezeichnet werden. Anders als im 19. Jh. vollzieht sich die Verwendung eines histor. Formenvokabulars und des von der Ästhetik des Neuen Bauens disqualifizierten Ornaments freilich in ironisch-parodist. oder schockierender Weise, als Collage versch. Stile. Ziel der postmodernen Architekten ist ein »kontextuelles« Bauen, das einen Bezug zur regionalen Umgebung, zum gewachsenen urbanen Gefüge hat und mit den divergierenden Geschmackskulturen seiner Bewohner vermittelt ist. - In der bildenden Kunst wurde von dem Kunsthistoriker A. Bonito der Begriff Transavantgarde geprägt für Tendenzen eines radikalen Individualismus, der in seine vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten histor. Stilzitate, überlieferte oder private Mythologien (individuelle Mythologie) einschließt (Neue Wilde, Arte cifra, New image painting). - In der Lit. wird der Prozess- und Spielcharakter betont, Fiktion und Realität sollen nicht mehr unterscheidbar sein. Häufige Stilmittel sind Groteske, Satire und Parodie; Mythos, Sciencefiction, Kriminalroman und Comic werden postmodernistisch umfunktioniert. - Pluralität ist auch die Grundtendenz jener zeitgenöss. Philosophie, die unter der Zusammenfassung P. allg. übergreifende Ideen und Bekenntnisse ablehnt.
Literatur:
Jencks, C.: Die Sprache der postmodernen Architektur. A. d. Engl. Stuttgart 31988.
Postmodern fiction in Europe and the Americas, hg. v. T. d'Haen u. a. Amsterdam 1988.
Fechner, F.: Politik u. P. Postmodernisierung als Demokratisierung? Wien 1990.
Technolog. Zeitalter oder P.?, hg. v. W. C. Zimmerli. München 21991.
P. Zeichen eines kulturellen Wandels, hg. v. A. Huyssen u. K. R. Scherpe. Neuausg. Reinbek 1993.
Wellmer, A.: Zur Dialektik von Moderne u. P. Frankfurt am Main 51993.
Jenseits des Diskurses. Literatur u. Sprache in der P., hg. v. A. Berger u. a. Wien 1994.
Mocek, R.: Die P. - intellektuelle Mode oder Kulturzeichen der Gegenwart? Velten 1995.
Welsch, W.: Unsere postmoderne Moderne. Berlin 51997.
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