Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Portugal
Pọrtugal Fläche: 92 389 km2
Einwohner: (1997) 9,943 Mio.
Hauptstadt: Lissabon
Verwaltungsgliederung: 18 Distrikte und zwei autonome Regionen (Azoren, Madeira)
Amtssprache: Portugiesisch
Nationalfeiertage: 10. 6. und 5. 10.
Währung: 1 Escudo (Esc) = 100 Centavos (ctvs)
Zeitzone: WEZ
(amtl. portugies. República Portuguesa), Staat im SW Europas, umfasst den W-Teil der Iber. Halbinsel (grenzt an den Atlant. Ozean und Spanien), die Azoren und Madeira. Zu P. gehört die überseeische Besitzung Macau.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1976 (mehrfach, zuletzt 1997, geändert) ist P. eine parlamentarisch-demokrat. Rep. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der auf fünf Jahre direkt gewählte Präs. Er ernennt den MinPräs. und auf dessen Vorschlag die übrigen Mitgl. des Kabinetts, das sowohl dem Präs. als auch dem Parlament verantwortlich ist. Der Staatsrat (10 Mitgl.) fungiert als Beratungsorgan des Präs. Die Legislative liegt bei der Nationalversammlung (230 Abg., für vier Jahre gewählt). Die jüngste Verf.-Änderung sieht vor, die Zahl der Abg. auf 180 zu reduzieren. Einflussreichste Parteien: Sozialist. Partei (PS), Sozialdemokrat. Partei (PSD), Volkspartei (PP) sowie das Linksbündnis Demokrat. Einheitskoalition (CDU).
Landesnatur: Im N und O hat P. Anteil am inneren Hochland der Iber. Halbinsel mit Gebirgen bis fast 2 000 m ü. M. (Serra da Estrêla 1 991 m ü. M.). An der Küste und im S herrscht Tiefland vor, nur stellenweise von kleineren Gebirgen durchzogen. Die Hauptflüsse Tejo, Douro, Guadiana, Minho kommen in engen Tälern vom span. Hochland und sind nur im Unterlauf schiffbar. Das Klima ist im N mild und feucht; bis über 2 500 mm Niederschlag fällt im nordwestl. Bergland, nach O und zum subtrop. sommerheißen S nimmt er bis auf 400 mm ab. Die jahreszeitl. und episod. Schwankungen in der Wasserführung der Flüsse zählen zu den höchsten der Erde. Die nördl. Gebirge sind reich an Wäldern (Eichen, Kastanien), im S herrschen immergrüne Buschheiden, Kork-, Eichen- und Olivenhaine vor.
Bevölkerung: Die Bev. besteht fast ausschl. aus Portugiesen. Dicht besiedelt ist der rd. 50 km breite Küstenstreifen von der N-Grenze bis Lissabon. Ein Drittel der Bev. lebt in Städten (Großstädte sind Lissabon und Porto). Trotz einer hohen Geburtenrate nimmt die Bev. wegen der starken Auswanderung kaum zu (Hauptaufnahmeland ist Frankreich). - Allg. achtjährige Schulpflicht (7. bis 14. Lebensjahr). Es gibt 18 Univ., eine TU sowie weitere Hochschuleinrichtungen.
Wirtschaft, Verkehr: P. ist ein rohstoffarmes Land. - Die Landwirtschaft nutzt knapp 50 % der Staatsfläche. Angebaut werden bes. Weizen (im feuchten NW stattdessen Mais, im Bergland Gerste und Roggen), Wein, Oliven und Baumwolle. In der Viehwirtschaft überwiegt die Schafhaltung, ferner Haltung von Schweinen, Rindern, Ziegen. Der Wald nimmt 32,4 % der Fläche ein; Korkeichen liefern über die Hälfte der Welterzeugung an Kork. Aufforstung und Bewässerung (Alentejo-Bewässerungsprojekt) werden gefördert. An Bodenschätzen werden Wolfram, Eisen, Zinn, Kupfer, Mangan, Gold und etwas Kohle gewonnen; bed. Uranlager sind bekannt. Zur Deckung des Energiebedarfs ist P. weitgehend auf Importe angewiesen. Durch den Beitritt P.s zur EG 1986 verbesserte sich die Wirtschaftslage wesentlich. Das ausländ. Interesse am Investitionsstandort P. führte zur Verbesserung der Infrastruktur und zum Ausbau v. a. der Schuh-, Leder- und Textilind. (u. a. im neuen Ind.gebiet des Vale do Ave im Norden des Landes). Bed. sind weiterhin die chem. Ind. (Düngemittel, Zement, Phosphate, Erdölverarbeitung), die Papiererzeugung, Stahl- und Kfz-Ind. sowie die Fertigung von Textilmaschinen und Haushaltgeräten. Eine große Rolle spielt die Seefischerei (200-Meilen-Zone seit 1977). P.s Außenhandel ist durch Einfuhrüberschüsse gekennzeichnet. Ausfuhrprodukte sind Textilrohstoffe und -erzeugnisse, Maschinen und Apparate, Kork, Wein, Fischkonserven, Holz. Eine wichtige Einnahmequelle ist der Fremdenverkehr (1994: 21,73 Mio. Auslandsgäste). Haupthandelspartner sind Spanien, Dtl., Frankreich, Italien und Großbritannien. - Die Verkehrsinfrastruktur ist weitgehend auf die Küste orientiert und weist deutl. Lücken auf. Das Straßennetz umfasst 70 176 km, darunter sind 86 % befestigte Straßen (587 km Autobahnen), das Eisenbahnnetz hat eine Länge von 3 072 km, davon sind 461 km elektrifiziert. Im N sind 765 km Schmalspurstrecken in Betrieb; sonst besitzen alle Strecken die span. Breitspur. Bed. Häfen sind Lissabon, Leixões (Porto), Setúbal, Aveiro und Sines; internat. Flughäfen: Lissabon, Porto, Faro, Funchal (Madeira) und Santa Maria (Azoren).
Geschichte: Zur Vorgeschichte Mittelmeerraum, zur Antike Spanien, Geschichte. Das heutige P. gehörte z. Z. der arab. Herrschaft zum Kalifat Córdoba. 1055-64 eroberte Ferdinand I. von Kastilien-León den Norden. Sein Nachfolger Alfons VI. belehnte 1095 seinen Schwiegersohn, den Grafen Heinrich von Burgund, mit dem Gebiet (Grafschaft P.). Dessen Sohn Alfons-Heinrich setzte die Eroberung nach S fort und nahm 1139 den Königstitel an (Alfons I., der Eroberer). Damit begann die staatl. Selbstständigkeit P.s. Mithilfe eines Kreuzfahrerheeres konnte 1147 Lissabon eingenommen werden. P. erlebte unter König Dinis (1279-1325) die erste Blütezeit. Die Eroberung Süd-P.s (Algarve) beendete die portugies. Reconquista, der Sieg über Kastilien (Aljubarrota, 1385) sicherte die Unabhängigkeit des Landes und brachte das Haus Avis an die Macht. Durch Johann I. (1385-1433), Alfons V., den Afrikaner (1438-81), Johann II. (1481-95) und Emanuel I., d. Gr. (1495-1521), stieg P. zur führenden See- und Kolonialmacht W-Europas auf. Prinz Heinrich der Seefahrer veranlasste ab 1418 Entdeckungsfahrten längs der W-Küste Afrikas; zugleich wurden Madeira, die Azoren und die Kapverd. Inseln besiedelt. In Marokko eroberten die Portugiesen Ceuta (1415), Tanger (1471) u. a. Küstenplätze. Vasco da Gama gelangte 1498 als Erster auf dem Seeweg um Afrika herum nach Indien, wo durch Almeida und Albuquerque 1505-15 die wichtigsten Handelsplätze (Goa, Hormus, Diu, Malakka) portugiesisch wurden; als P. dann auch Ceylon (1518) und die Molukken (1512/29) gewonnen hatte, beherrschte es den ganzen Handel im Ind. Ozean. Ferner setzte es sich an der west- und ostafrikan. Küste fest; Kolonie in Amerika wurde 1500 Brasilien. In den Verträgen von Tordesillas (1494) und Saragossa (1529) einigten sich P. und Kastilien auf die Aufteilung ihrer Interessensphären. Im Geist des strengen Katholizismus vertrieb Emanuel I. den größten Teil der Juden und Mauren, 1536 wurde die Inquisition eingeführt. Als 1580 das portugies. Königshaus ausstarb, nahm Philipp II. von Spanien das Land in Besitz. Unter der Herrschaft der span. Könige verlor P. seine wertvollsten ostind. Kolonien (Molukken, Ceylon) an die Niederländer. Ein Volksaufstand erhob den Herzog Johann von Bragança als Johann IV. zum König von P. (1640-56), er sicherte die Unabhängigkeit, die erst 1668 von Spanien anerkannt wurde. Die Reg. Johanns V. (1706-50) brachte P., v. a. durch das brasilian. Gold, eine kulturelle Blüte. Unter Joseph I. (1750-77) regierte Min. Pombal im Geist des aufgeklärten Absolutismus. 1807 ließ Napoleon I. P. besetzen (Napoleonische Kriege), Prinzregent Johann VI. (seit 1792, dann 1816-26 König) floh nach Brasilien; 1808-14 war P. Stützpunkt des brit. Feldherrn Wellington.
Die liberale Revolution von 1820 hatte die Einführung einer Verf. zur Folge, die den Cortes weitgehende Rechte gegenüber dem König einräumte. 1822 erklärte sich Brasilien unter Pedro I. (Peter I.), dem Sohn Johanns VI., für unabhängig. Pedros Tochter Maria da Glória erhielt 1826 die portugies. Krone; sie wurde 1828 von Johanns jüngerem Sohn Dom Miguel verdrängt, bis Pedro 1832-34 den Thron für seine Tochter zurückeroberte. Durch ihre Heirat (1836) mit einem Prinzen von Sachsen-Coburg entstand das Königshaus Sachsen-Coburg-Bragança. Die folgenden Jahrzehnte waren von ständigen Parteienkämpfen gekennzeichnet, ein Volksaufstand wurde 1846/47 mit brit. und span. Hilfe niedergeschlagen. Ende des 19. Jh. dehnte P. seinen Kolonialbesitz an der west- und ostafrikan. Küste ins Hinterland aus. Doch blieb es wirtsch. rückständig, die Staatsfinanzen waren zerrüttet. Am 1. 2. 1908 wurden König Karl I. und sein ältester Sohn durch ein Attentat ermordet, sein 2. Sohn, Emanuel II., wurde am 5. 10. 1910 gestürzt. Die Ausrufung der Rep. (1910) brachte dem Land keine Stabilität (1911-26: 44 Reg.). Die Beteiligung am Ersten Weltkrieg (an der Seite der Entente) belastete P. zusätzlich.
Ende Mai 1926 errichtete Gomes da Costa eine Diktatur, trat jedoch im Juni die Macht an General Carmona ab, der 1928-51 Staatspräs. war. Sein leitender Min. Oliveira Salazar wurde 1932 MinPräs. und schuf durch die ständisch-autoritäre Verf. von 1933 den »Neuen Staat« (»Estado Novo«), jede Opposition wurde unterdrückt. Am Zweiten Weltkrieg nahm P. nicht teil. 1949 trat es der NATO bei. Als letzte europ. Kolonialmacht bemühte sich P. um die Erhaltung seiner Kolonien, auch mit militär. Einsatz. 1968 wurde der schwer kranke Salazar durch M. J. das Neves Alves Caetano abgelöst. Am 25. 4. 1974 stürzte die »Bewegung der Streitkräfte« (portugies. Abk. MFA) in einer unblutigen Revolution (»Nelkenrevolution«) das diktator. Regime. Eine Militärjunta unter General A. S. R. de Spínola übernahm die Reg.; Parteien konstituierten sich neu, die eigentl. Macht konzentrierte sich aber beim Revolutionsrat. Nach Spannungen mit der stark linkssozialistisch ausgerichteten MFA musste Spínola zurücktreten. Unter seinen Nachfolgern Präs. F. da Costa Gomes (1974-76) und MinPräs. V. dos Santos Gonçalves (1974/75) gewann die KP zeitweilig großen Einfluss, die Reg. verstaatlichte Bahnen und Großbetriebe und enteignete Großgrundbesitz. Die Kolonien hatten bereits 1974 die Unabhängigkeit erhalten (in der Folge starke Rückwanderungsbewegungen). 1976 trat eine neue Verf. in Kraft. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung (1976) siegte die Sozialist. Partei (M. Soares MinPräs. 1976-78). Mit der Wahl von General A. Eanes zum Staatspräs. (Juni 1976, wieder gewählt im Dez. 1980) setzten sich gemäßigte Kräfte durch, die auch die Reg.koalitionen der nächsten Jahre beherrschten. Der Großgrundbesitz wurde zurückgegeben, eine Verf.reform schaffte 1982 den Revolutionsrat ab. Die Staatsbetriebe wurden reprivatisiert. Soares wurde 1986 zum Präs. gewählt (bestätigt 1991). Bei den Parlamentswahlen 1987 erreichten die Sozialdemokraten die absolute Mehrheit (erneut 1991). MinPräs. Cavaco Silva gelang es - nach dem Beitritt zur EG 1986 (Ratifizierung der Verträge von Maastricht Ende 1992) -, die Inflation zu bremsen und einen deutl. Wirtschaftsaufschwung zu erreichen. Nach den Wahlen im Okt. 1995 mussten die Sozialdemokraten die Regierungsverantwortung wieder an die Sozialist. Partei abgeben, deren Vors. A.-M. Guterres zum MinPräs. gewählt wurde. Bei den Präsidentschaftswahlen im Jan. 1996 siegte der Sozialist Jorge F. Branco de Sampaio über Cavaco Silva und löste Soares im Amt ab. Auch unter der sozialist. Reg. setzte sich der wirtsch. Aufschwung fort, v. a. die Erreichung der Euro-Kriterien gilt als großer Erfolg des einst rückständigen Landes.
P. bemüht sich um eine enge wirtschaftl., soziale und kulturelle Zusammenarbeit mit den anderen Ländern portugies. Sprache (Angola, Brasilien, Guinea-Bissau, Kap Verde, Moçambique und Saõ Tomé e Príncipe): 1996 wurde die lusophone Gemeinschaft Comunidade dos Países de Língua Portugesa gegründet.
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Iking, B.: Die Auswirkungen des EG-Beitritts auf die Industriepolitik P.s Frankfurt am Main 1997.
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Vom Ständestaat zur Demokratie. P. im zwanzigsten Jahrhundert, hg. v. F. Rosas. A. d. Portugies. München 1997.
Golder, M. u. Rahden, M. von: Studien zur Zeitgeschichte P.s. Hamburg 1998.
Kustos, N. u. Schümann, B.: Das große P.-Buch. Hamburg 1998.
Ruhl, K.-J.: Spanien-P.-Ploetz. Freiburg im Breisgau 41998.
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