Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Polizei
Polizei[mlat. policia, aus grch. politeía »Staatsverwaltung«], 1) die gesamte Tätigkeit von Verw.behörden (z. B. Bau- und Gewerbeaufsicht) und Vollzugsorganen (uniformierte P.) zur Abwehr von Gefahren für die öffentl. Sicherheit und Ordnung sowie zur Beseitigung bereits eingetretener Störungen (materieller P.-Begriff); 2) die im Vollzugsdienst tätigen Dienstkräfte, d. h. die uniformierten P.-Kräfte und die Kriminal-P. (institutioneller P.-Begriff).In Dtl. ist die P. grundsätzlich eine Angelegenheit der Länder (P.-Hoheit der Länder). Sie tragen und regeln die P.-Organisation des Landes und erlassen allg. P.-Gesetze. Während die P. -Organisation in den einzelnen Ländern Unterschiede aufweist, stimmt das Recht des polizeil. Handelns weitgehend überein. Danach ist die allg. Vollzugs-P. für den gesamten polizeil. Vollzugsdienst zuständig, soweit dieser nicht Sonderpolizeibehörden (z. B. Wasserschutz-P., Grenz-P.) vorbehalten ist. Daneben gibt es die Kriminal-P. (oft organisatorisch verbunden mit der allg. Vollzugs-P.), die Bereitschafts-P., die Landeskriminalämter als zentrale Dienststellen für kriminalpolizeil. Aufgaben und die P.-Schulen. Der Bund hat eine Regelungsbefugnis hinsichtlich einiger nur ihm zustehender P.-Behörden (Art. 73 Nr. 10 GG, z. B. Bundeskriminalamt, Bundesgrenzschutz); ferner kann er zahlr., v. a. der Gefahrenabwehr dienende Spezialmaterien wie das Gewerbe-, Lebensmittel-, Gesundheits-, Umweltschutz- und Verkehrsrecht regeln.
Um bundesweit die Fahndung der P. effektiver zu gestalten, ist beim Bundeskriminalamt ein elektron. Informationssystem (Inpol) errichtet worden, das neben seiner Funktion als Fahndungsdatei heute u. a. auch eine Haft-, Ermittlungs- und Straftäterdatei enthält. Hauptaufgabe der P. ist die Gefahrenabwehr. Darüber hinaus ist ein wesentl. Bestandteil polizeil. Tätigkeit die Mitwirkung bei der Verfolgung strafbarer Handlungen und Ordnungswidrigkeiten (§ 163 StPO, § 152 GVG). Bei der Gefahrenabwehr ist die (Vollzugs-)P. grundsätzlich nur insoweit (sachlich) zuständig, als die allg. Ordnungsbehörden oder die Sonderordnungsbehörden nicht oder nicht rechtzeitig handeln können. In ähnl. Weise obliegt der (Vollzugs-)P. der Schutz von privaten Interessen und Rechten nur dann, wenn gerichtl. Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeil. Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des privaten Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Die Gefahrenabwehr kann mit eigenen Mitteln der P. oder durch Einschreiten gegen Dritte erfolgen. Grundlage ist die polizeil. Generalermächtigung (polizeil. Generalklausel der allg. P.-Gesetze), sofern nicht Spezialermächtigungen (z. B. nach Gewerbeordnung, Immissionsschutz-Ges.) in Betracht kommen. Nach der Generalermächtigung ist Voraussetzung für ein Einschreiten das Vorhandensein einer Gefahr für die Allgemeinheit oder den Einzelnen, durch die die öffentl. Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. Eine Gefahr besteht bei erkennbarer Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Gefahrenabwehr ist auch die Beseitigung bereits eingetretener Störungen. Ein Einschreiten erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen (Opportunitätsprinzip). Die Maßnahmen unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und müssen sich im Rahmen der Grundrechtsbeschränkungen bewegen. Dies gilt bes. für eine Reihe typischer polizeil. Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger, für die die Generalklausel oft nicht ausreicht, sodass in den P.-Gesetzen Sonderregelungen erfolgt sind. Zu diesen »polizeil. Standardmaßnahmen« gehören u. a. Identitätsfeststellung von Personen, Mitnahme zur Dienststelle (Sistierung), erkennungsdienstl. Maßnahmen, Vorladung und Vorführung, Schutzgewahrsam.Formen polizeil. Handelns sind rein tatsächl. Handlungen (Realakte) und Rechtshandlungen (Regelungen) wie P.-Verordnungen, P.-Verfügungen und polizeil. Erlaubnisse. P.-Verordnungen sind der Gefahrenabwehr dienende Gebote oder Verbote, die für eine unbestimmte Anzahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind (nur in Ländern mit materiellem P.-Begriff). P.-Verfügungen sind Verw.akte, die der Regelung von Einzelfällen dienen; sie richten sich an bestimmte Personen oder einen bestimmten Personenkreis (Allgemeinverfügung). Polizeil. Erlaubnisse sind bes. da erforderlich, wo eine Betätigung mit Gefahr verbunden ist. Vollstreckungsfähige P.-Verfügungen können mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden (P.-Zwang). Ohne vorausgehende Verfügung kann Zwang angewendet werden, wenn dies zur Gefahrenabwehr notwendig ist. Zwangsmittel sind: Ausführung einer zu erzwingenden Handlung auf Kosten des Pflichtigen (Ersatzvornahme), Festsetzung eines Zwangsgeldes und Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperl. Gewalt und durch Waffen. Bei Ordnungswidrigkeiten ist unter bestimmten Voraussetzungen neben gebührenfreier die gebührenpflichtige Verwarnung zulässig. P.- und Ordnungsbehörden können auch Bußgelder verhängen. Gegen Maßnahmen der P.- und Ordnungsbehörden kann man sich i. d. R. durch Widerspruchsverfahren und, soweit dies erfolglos war, durch verwaltungsgerichtl. Klage wehren.In Österreich unterscheidet man Sicherheits-P. und Verw.-P. Erstere umfasst jene Maßnahmen, die der Abwehr und der Unterdrückung der allg. Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit, öffentl. Ruhe und Ordnung im Inneren dienen. Die Verw.-P. ist für die Abwehr von bereichstyp. Gefahren und den Schutz von materienspezif. Ordnungsinteressen (z. B. Gewerbe-P.) zuständig. Innerhalb der Sicherheits-P. bestehen die allg. und die örtl. Sicherheits-P.; Letztere ist Aufgabe der Gemeinden. Die allg. Sicherheits-P. umfasst die Bekämpfung von gerichtlich strafbaren Delikten (Kriminal-P.), die Vorsorge für die Sicherheit des Staates (Staats-P.) sowie die Sorge für Ordnung und Sicherheit im Allgemeinen.
In der Schweiz sind primär die Kantone zuständig für den Erlass polizeil. Vorschriften. Sie verfügen über stehende P.-Truppen u. a. Kontrollorgane. Die kantonale P.-Hoheit erstreckt sich nur auf das Gebiet des betreffenden Kantons, doch sind die Kantone bes. auf dem Gebiet der Strafverfolgung zu gegenseitiger Rechtshilfe verpflichtet. Der Bund hat hier nur eine beschränkte Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Gewerbe-P., des Straßenverkehrs und des Gesundheitsschutzes. Der Vollzug der bundesrechtl. Erlasse erfolgt weitgehend durch die Kantone. Als bundesrechtl. Organ ist die Bundesanwaltschaft und die ihr zugeordnete gerichtl. P. zuständig für strafrechtl. Ermittlungen bei einer Reihe von Delikten, die vom Bundesstrafgericht beurteilt werden. (Europol, Interpol)
▣ Literatur:
Harnischmacher, R.u. Semerak, A.: Dt. Polizeigeschichte. Stuttgart u. a. 1986.
⃟ Götz, V.: Allgemeines P.- u. Ordnungsrecht. Göttingen 121995.
⃟ Möller, M. u. Wilhelm, J.: Allgemeines P.- u. Ordnungsrecht mit Verwaltungszwang u. Rechtsschutz. Köln 41995.
⃟ Handbuch des Polizeirechts, hg. v. H. Lisken u. a., bearb. v. H. Bäumler u. a. München 21996.
Um bundesweit die Fahndung der P. effektiver zu gestalten, ist beim Bundeskriminalamt ein elektron. Informationssystem (Inpol) errichtet worden, das neben seiner Funktion als Fahndungsdatei heute u. a. auch eine Haft-, Ermittlungs- und Straftäterdatei enthält. Hauptaufgabe der P. ist die Gefahrenabwehr. Darüber hinaus ist ein wesentl. Bestandteil polizeil. Tätigkeit die Mitwirkung bei der Verfolgung strafbarer Handlungen und Ordnungswidrigkeiten (§ 163 StPO, § 152 GVG). Bei der Gefahrenabwehr ist die (Vollzugs-)P. grundsätzlich nur insoweit (sachlich) zuständig, als die allg. Ordnungsbehörden oder die Sonderordnungsbehörden nicht oder nicht rechtzeitig handeln können. In ähnl. Weise obliegt der (Vollzugs-)P. der Schutz von privaten Interessen und Rechten nur dann, wenn gerichtl. Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeil. Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des privaten Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Die Gefahrenabwehr kann mit eigenen Mitteln der P. oder durch Einschreiten gegen Dritte erfolgen. Grundlage ist die polizeil. Generalermächtigung (polizeil. Generalklausel der allg. P.-Gesetze), sofern nicht Spezialermächtigungen (z. B. nach Gewerbeordnung, Immissionsschutz-Ges.) in Betracht kommen. Nach der Generalermächtigung ist Voraussetzung für ein Einschreiten das Vorhandensein einer Gefahr für die Allgemeinheit oder den Einzelnen, durch die die öffentl. Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. Eine Gefahr besteht bei erkennbarer Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Gefahrenabwehr ist auch die Beseitigung bereits eingetretener Störungen. Ein Einschreiten erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen (Opportunitätsprinzip). Die Maßnahmen unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und müssen sich im Rahmen der Grundrechtsbeschränkungen bewegen. Dies gilt bes. für eine Reihe typischer polizeil. Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger, für die die Generalklausel oft nicht ausreicht, sodass in den P.-Gesetzen Sonderregelungen erfolgt sind. Zu diesen »polizeil. Standardmaßnahmen« gehören u. a. Identitätsfeststellung von Personen, Mitnahme zur Dienststelle (Sistierung), erkennungsdienstl. Maßnahmen, Vorladung und Vorführung, Schutzgewahrsam.Formen polizeil. Handelns sind rein tatsächl. Handlungen (Realakte) und Rechtshandlungen (Regelungen) wie P.-Verordnungen, P.-Verfügungen und polizeil. Erlaubnisse. P.-Verordnungen sind der Gefahrenabwehr dienende Gebote oder Verbote, die für eine unbestimmte Anzahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind (nur in Ländern mit materiellem P.-Begriff). P.-Verfügungen sind Verw.akte, die der Regelung von Einzelfällen dienen; sie richten sich an bestimmte Personen oder einen bestimmten Personenkreis (Allgemeinverfügung). Polizeil. Erlaubnisse sind bes. da erforderlich, wo eine Betätigung mit Gefahr verbunden ist. Vollstreckungsfähige P.-Verfügungen können mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden (P.-Zwang). Ohne vorausgehende Verfügung kann Zwang angewendet werden, wenn dies zur Gefahrenabwehr notwendig ist. Zwangsmittel sind: Ausführung einer zu erzwingenden Handlung auf Kosten des Pflichtigen (Ersatzvornahme), Festsetzung eines Zwangsgeldes und Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperl. Gewalt und durch Waffen. Bei Ordnungswidrigkeiten ist unter bestimmten Voraussetzungen neben gebührenfreier die gebührenpflichtige Verwarnung zulässig. P.- und Ordnungsbehörden können auch Bußgelder verhängen. Gegen Maßnahmen der P.- und Ordnungsbehörden kann man sich i. d. R. durch Widerspruchsverfahren und, soweit dies erfolglos war, durch verwaltungsgerichtl. Klage wehren.In Österreich unterscheidet man Sicherheits-P. und Verw.-P. Erstere umfasst jene Maßnahmen, die der Abwehr und der Unterdrückung der allg. Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit, öffentl. Ruhe und Ordnung im Inneren dienen. Die Verw.-P. ist für die Abwehr von bereichstyp. Gefahren und den Schutz von materienspezif. Ordnungsinteressen (z. B. Gewerbe-P.) zuständig. Innerhalb der Sicherheits-P. bestehen die allg. und die örtl. Sicherheits-P.; Letztere ist Aufgabe der Gemeinden. Die allg. Sicherheits-P. umfasst die Bekämpfung von gerichtlich strafbaren Delikten (Kriminal-P.), die Vorsorge für die Sicherheit des Staates (Staats-P.) sowie die Sorge für Ordnung und Sicherheit im Allgemeinen.
In der Schweiz sind primär die Kantone zuständig für den Erlass polizeil. Vorschriften. Sie verfügen über stehende P.-Truppen u. a. Kontrollorgane. Die kantonale P.-Hoheit erstreckt sich nur auf das Gebiet des betreffenden Kantons, doch sind die Kantone bes. auf dem Gebiet der Strafverfolgung zu gegenseitiger Rechtshilfe verpflichtet. Der Bund hat hier nur eine beschränkte Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Gewerbe-P., des Straßenverkehrs und des Gesundheitsschutzes. Der Vollzug der bundesrechtl. Erlasse erfolgt weitgehend durch die Kantone. Als bundesrechtl. Organ ist die Bundesanwaltschaft und die ihr zugeordnete gerichtl. P. zuständig für strafrechtl. Ermittlungen bei einer Reihe von Delikten, die vom Bundesstrafgericht beurteilt werden. (Europol, Interpol)
▣ Literatur:
Harnischmacher, R.u. Semerak, A.: Dt. Polizeigeschichte. Stuttgart u. a. 1986.
⃟ Götz, V.: Allgemeines P.- u. Ordnungsrecht. Göttingen 121995.
⃟ Möller, M. u. Wilhelm, J.: Allgemeines P.- u. Ordnungsrecht mit Verwaltungszwang u. Rechtsschutz. Köln 41995.
⃟ Handbuch des Polizeirechts, hg. v. H. Lisken u. a., bearb. v. H. Bäumler u. a. München 21996.