Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Politik
Politik[frz., von grch. politike̅́ (téchnē) »Kunst der Staatsverwaltung«], auf die Durchsetzung bestimmter Ziele insbes. im staatl. Bereich und auf die Gestaltung des öffentl. Lebens gerichtetes Verhalten von Individuen, Gruppen, Organisationen, Parteien, Klassen, Parlamenten und Regierung. Aus der Interessenbestimmtheit ergibt sich der Kampfcharakter der P. Ihre Legitimation findet P. in einem demokrat. System letztlich in der Zustimmung (der Mehrheit) der Betroffenen, in totalitären Systemen wird sie aus der herrschenden Ideologie abgeleitet. Nach dem Gegenstand oder Bereich des polit. Handelns unterscheidet man z. B. Außen-, Wirtschafts-, Gesundheits-P., nach der jeweiligen Ebene z. B. Bundes-, Landes- und Kommunal-P., nach dem Handlungs- und Interessenträger z. B. Partei-, Verbands-P., nach den Grundsätzen des polit. Handelns z. B. Macht-, Interessen-, Hegemonial-, Friedens-, Real-P. Zu den polit. Systemen Staat.
Von der Antike (Platon, Aristoteles) über das MA. (Thomas von Aquin, Scholastik) bis ins 18. Jh. war die P. der prakt. Philosophie zugeordnet. In Antike und MA. wurde sie als Lehre von der rechten Ordnung des Gemeinschaftswesens verstanden. Dagegen sind bei N. Machiavelli Erwerb, Gebrauch und Verlust von Macht durch den Fürsten Hauptinhalt der P.; von hier aus entwickelte sich die Lehre der Staatsräson, nach der Machtgewinn Ziel und Hauptinhalt der P. bildet. Die moderne Naturrechtslehre (S. von Pufendorf, J. Locke) begreift P. als auf diesseitige Ziele ausgerichtetes Handeln zum Wohl des Gemeinwesens. Die Lehre von der Staatsräson setzte sich stärker im kontinentalen Europa durch, das seitdem das polit. Handeln vornehmlich dem Staat und seinen Organen zuordnete. Einflussreich für das P.-Verständnis des 20. Jh. wurde M. Weber, der unter P. v. a. den Kampf um die Macht verstand. Diese Ansätze wurden radikalisiert von C. Schmitt, der das Freund-Feind-Verhältnis als zentral für die P. begriff. Der Marxismus bestimmte P. wesentlich als Klassenkampf. Neuere Strömungen wenden sich gegen die Einengung des Politischen auf seine Machtstruktur und verweisen auf die gesellschaftl. Ordnung als Wirkungsbereich polit. und sozialen Handelns. In den angelsächs. Ländern wurde die Bindung an die Forderungen der prakt. Philosophie nie völlig aufgegeben; der Staat ist das Instrumentarium, das den Interessen der Gesellschaft dienlich zu machen ist.
Literatur:
Sternberger, D.: Drei Wurzeln der P. Tb.-Ausg. Frankfurt 61989.
Der Begriff der P. Bedingungen u. Gründe polit. Handelns, hg. v. V. Gerhardt. Stuttgart 1990.
P.-Lexikon, hg. v. E. Holtmann. München 21994.
Schmidt, Manfred G.: Wörterbuch zur P. Stuttgart 1995.
Wörterbuch Staat u. P., hg. v. D. Nohlen. Neuausg. Bonn 1998.
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