Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Polen
I Polen[zu Pol], Metallurgie: das Entfernen von Gasen und Oxiden aus der Metallschmelze durch Einleiten von Wasser, Wasserdampf oder Druckluft, urspr. durch Eintauchen frischen Holzes.
II Polen
(poln. Polacy), westslaw. Volk, das Staatsvolk Polens; größere Gruppen leben auch in den USA (6-10 Mio.), in Dtl. (1,5 Mio.), Brasilien und Frankreich (je 0,8-1 Mio.), Kanada (0,6 Mio.), Weißrussland (0,4-1 Mio.), der Ukraine (0,3-0,5 Mio.), in Litauen (0,25-0,30 Mio.) u. a. Ländern. -Die P. sind aus den im Flussgebiet der Oder und Weichsel ansässigen westslaw. Stämmen unter Führung der Polanen hervorgegangen. Die Siedlungsgebiete dieser Stämme bilden seit dem 9./10. Jh. die Kernräume der polit. Landschaften Polens.
III Polen
⃟ Fläche: 312 685 km2
Einwohner: (1998) 38,66 Mio.
Hauptstadt: Warschau
Verwaltungsgliederung: 16 Woiwodschaften
Amtssprache: Polnisch
Nationalfeiertag: 3. 5.
Währung: 1 Złoty (Zł) = 100 Groszy (Gr)
Zeitzone: MEZ
(amtlich poln. Rzeczpospolita Polska), Staat im O Mitteleuropas, grenzt im W an Dtl., im N an die Ostsee, im NO an das russ. Gebiet Kaliningrad (Königsberg) und an Litauen, im O an Weißrussland und die Ukraine und im S an die Slowak. Republik und die Tschech. Republik.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1997 (in Kraft seit 16. 10.) ist P. eine parlamentar. Rep. Staatsoberhaupt ist der Präs. der Rep., der für fünf Jahre direkt gewählt wird und über besondere Befugnisse in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie beim Staatsnotstand verfügt. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, die in besonderen Fällen als Nationalversammlung zusammentreten: dem Abg.haus (poln. »Sejm«, 460 auf vier Jahre gewählte Mitgl.) und dem Senat mit 100 Senatoren, die in den 16 Woiwodschaften für vier Jahre gewählt werden. Der vom Vertrauen des Sejm abhängige, vom Staatspräs. ernannte Min.rat (Reg.), geführt von einem MinPräs., leitet die Exekutive. Wichtigste Parteien sind: Wahlaktion der »Solidarność« (AWS), Bündnis der Demokrat. Linken (SLD), Freiheitsunion (UW), Poln. Bauernpartei (PSL), Bewegung für den Wiederaufbau Polens (ROP).
Landesnatur: P. ist größtenteils ein Tiefland, 75 % seines Territoriums liegen unter 200 m ü. M. Es ist von eiszeitl. Ablagerungen bedeckt und durch vorwiegend ostwestlich verlaufende Niederungen im Bereich eiszeitl. Urstromtäler gegliedert. An die Jungmoränenlandschaft der Weichseleiszeit im N (Balt. Landrücken) mit ihren Seenplatten und Endmoränenzügen (Pommersche und Masur. Seenplatte) schließt sich in Mittel-P. die schwach wellige Altmoränenlandschaft der Saaleeiszeit an. Nach S tauchen aus der glazialen Decke die z. T. lössbedeckten Tafeln und Stufenlandschaften des poln. Mittelgebirges auf, das östlich der Weichsel aus dem Lubliner Hügelland und Roztoce (in P. bis 390 m ü. M.), westlich davon aus dem Kleinpoln. Berg- und Hügelland (Łysica im Kielcer Bergland, 612 m ü. M.) besteht. Das Becken von Sandomierz und die geolog. Mulde des oberschles. Beckens trennen das Bergland vom Gebirgsgürtel der Sudeten und Karpaten; die höchsten Zonen sind Riesengebirge und Hohe Tatra (Meeraugspitze, poln. Rysy, 2 499 m ü. M.). Hauptflüsse sind Weichsel und Oder. P. besitzt ein Übergangsklima, das von SW nach NO zunehmend kontinentaler wird.
Bevölkerung: Die Bev. besteht fast ausschließlich aus Polen; von den etwa 1,3 % Angehörigen nat. Minderheiten sind die Polendeutschen die größte Gruppe, gefolgt von Ukrainern und Weißrussen. Großstädte mit (1998) über 500 000 Ew. sind Warschau, Lodz, Krakau, Breslau und Posen. Am dichtesten sind die zentral- und südpoln., am schwächsten die nordostpoln. Wwschaften besiedelt. Allg. Schulpflicht besteht vom 8. bis zum 16. Lebensjahr, 8-jährige Primar-, 4-jährige allgemein bildende Sekundarschulen; außerdem Berufs- und beruflich-techn. Fachschulen und (seit 1989) weltl. und kirchl. Gymnasien, die zur Hochschulreife führen. P. besitzt 11 Univ. (eine kath. in Lublin), 18 TH (Polytechnika) sowie 35 weitere Hochschulen. Rd. 97 % der Bev. sind Christen, über 94 % Katholiken.
Wirtschaft, Verkehr: P., vor dem Zweiten Weltkrieg ein Agrarland, entwickelte sich ab 1950 zu einem Industrie-Agrar-Staat. Die nach sowjet. Vorbild etablierte Planwirtschaft brachte das Land jedoch in eine schwere Krise, die 1981-83 zu großen sozialen Unruhen führte (Solidarność). Im Okt. 1989 wurde der Übergang zur privaten Marktwirtschaft eingeleitet, deren Verwirklichung mit erhebl. wirtsch. Problemen verbunden war (hohe Auslandsverschuldung, Arbeitslosigkeit). Das heutige Wirtschaftswachstum P.s, das alle Wirtschaftsbereiche erfasst hat, beruht auf dem privaten Sektor; es liegt in Europa mit an vorderster Stelle. In der Landwirtschaft, auch unter der sozialist. Herrschaft zu 80 % privat bewirtschaftet, herrschen Kleinbetriebe vor. Angebaut werden bes. Roggen, Kartoffeln, Futterpflanzen und Weizen, ferner Zuckerrüben, Raps und Gemüse. Bed. sind Rinder-, Schweine-, Pferde- (wegen des geringen Mechanisierungsgrades) und Geflügelhaltung (v. a. Gänse für den Export). Der Wald nimmt 28 % der Landesfläche ein (zu 80 % Nadelhölzer). Bed. ist die Hochseefischerei. Eine wichtige Rolle spielt der Bergbau, bes. wegen der großen Steinkohlenvorkommen in Oberschlesien. Die Braunkohle (in Südwest-P. an der Grenze zum sächs. Gebiet um Zittau, Konin, Turek, Bełchatów südlich von Lodz) wird in Großkraftwerken verstromt. In Niederschlesien werden große Kupfervorkommen abgebaut und verhüttet. Ferner werden Blei-, Zink- und Eisenerze sowie Schwefel (Tarnobrzeg), Salz, im Karpatenvorland etwas Erdgas und -öl gefördert. Neben den traditionellen Ind.standorten Warschau, Lodz, dem Oberschles. Ind.gebiet (um Kattowitz), Danzig und Stettin entstanden neue Ind.zentren in Nowa Huta (zu Krakau) und Tschenstochau (Eisenhüttenind.), Płock (Erdölverarbeitung), Puławy, Włocławek und Thorn (Chemiewerke), Konin (Aluminiumhütte), Legnica, Glogów und Lubin (Kupferhütte). Die wichtigsten Zweige der verarbeitenden Ind. sind Maschinen-, Fahrzeug- (Automobile, Lokomotiven, Waggons) und Schiffbau (v. a. in Danzig), die Nahrungsmittel-, Baustoff-, Holz- und Papier- sowie die Textilind. (Zentrum Lodz). Exportiert werden Maschinen und Transportmittel, v. a. Schiffe, Chemikalien, bes. Schwefel, Steinkohle, Koks und Elektrizität, Metalle, bes. Kupfer, sowie Textilien und Bekleidung. Haupthandelspartner sind die EU-Staaten (v. a. Dtl.), Russland, Großbritannien, Frankreich, USA und die Niederlande. - Hauptverkehrsträger ist die staatl. Eisenbahn mit einem Streckennetz von 22 285 km (davon 50 % elektrifiziert), das befestigte Straßennetz ist 239 000 km lang, das Binnenwasserstraßennetz (Schiffsverkehr auf Oder, Weichsel, Warthe und Gleiwitzkanal) 3 812 km. Wichtigste Hochseehäfen sind Stettin (mit Außenhafen Swinemünde), Danzig und Gdynia; internat. Flughafen in Warschau. Hauptanziehungspunkte des Fremdenverkehrs sind die Hohe Tatra, Beskiden und Sudeten (bes. Riesengebirge), die Ostseeküste und die Masurischen Seen sowie Warschau, Krakau, Tschenstochau (Wallfahrtszentrum), Breslau u. a. Städte. Viele Heilquellen führten zur Entstehung von Kurorten in den Sudeten (Kudowa Zdrój, Polanice Zdrój und Duszniki Zdrój) und Beskiden (Rabka, Krynica).
Geschichte: Der frühe Piastenstaat (10. Jh.-1138): Erster historisch fassbarer Herrscher eines poln. Staates war Herzog Mieszko I. (um 960-992) aus dem Geschlecht der Piasten. Sein Reich umfasste v. a. den Raum um die mittlere Warthe (Siedlungsgebiet der Polanen, sog. »Groß-P.«) und die mittlere Weichsel (Masowien) sowie um den Goplo-See. 966 trat er zum lat. Christentum über. Sein Sohn Boleslaw I. Chrobry (992-1025) gewann Klein-P. (Polonia Minor, um Krakau), Schlesien, vorübergehend Mähren, die Westslowakei, Pommern und die Lausitz und stieß bis Kiew (1018) vor; zugleich wurde P. (so die um 1000 bei ausländ. Chronisten aufgekommene Staatsbez.) durch die Gründung des Erzbistums Gnesen (1000) auch kirchlich selbstständig. 1025 ließ sich Boleslaw I. Chrobry zum König krönen.Die Zeit der Teilfürstentümer (1138-1320): Nach Einführung der Senioratserbordnung durch Boleslaw III. Krzywousty (1102/07-1138) zerfiel das Land in Teilfürstentümer. Pommern schied 1181 endgültig aus der losen Abhängigkeit aus, während Schlesien ab 1163 eine Sonderentwicklung nahm und sich um 1300 der böhm. Lehnshoheit unterstellte. Eine schwere äußere Bedrohung stellte der Einfall der Mongolen dar (1241 Niederlage eines polnisch-dt. Ritterheeres bei Liegnitz). Im 12. Jh. setzte eine intensive Kolonisierung aus dem Gebiet des Hl. Röm. Reiches ein, als Fürsten und kirchl. Institutionen versuchten, neue Siedler für ihre Güter heranzuziehen (deutsche Ostsiedlung). Die dt. Neusiedler prägten v. a. das Bild der Städte. Zur Abwehr der heidn. Prußen rief Herzog Konrad I. von Masowien 1226 den Dt. Orden nach Polen. Nach der 1283 abgeschlossenen Unterwerfung der Prußen weitete der Orden seine weltl. Herrschaft 1308 über das von P. beanspruchte Pommerellen aus. Die Auseinandersetzung mit dem Dt. Orden sowie das Erstarken der Bürgerschaft und des Adels bestimmten die Entwicklung im 14. und 15. Jh. maßgeblich.Die Piasten (1320-70): Herzog Wladislaw Łokietek errang zu Anfang des 14. Jh. die Oberherrschaft über ganz P. und ließ sich 1320 in Krakau zum König krönen. Sein Sohn Kasimir III., d. Gr. (1333-70), der letzte der Piasten, verzichtete zugunsten des Dt. Ordens auf Pommerellen (Westpreußen) und dehnte das Reich nach SO (Galizien, Wolhynien, Podolien) aus. Er schuf ein allg. poln. Landrecht und gründete die Univ. Krakau (1364).Das Haus Anjou (1370-86) und die Jagiellonen (1386-1572):Ludwig I., d. Gr. (1370-82), ein Neffe Kasimirs aus dem Haus Anjou, konnte sich die Zustimmung des poln. Adels zur Nachfolge für sich und seine Tochter Jadwiga (Hedwig 1) nur durch eine großzügige Privilegienerteilung erkaufen. In den Unionen von Krewo und Krakau 1385/86 wurde festgelegt, dass sich der bisher heidn. Großfürst Jagiełło von Litauen taufen lassen und die Erbin Jadwiga zur Frau nehmen sollte. Als König Wladislaw II. (1386-1434) vereinigte er das multinat. und mehrkonfessionelle Doppelreich P.-Litauen zunächst in Personalunion. Dieser Übermacht unterlag der Dt. Orden 1410 bei Tannenberg und dann im »Dreizehnjährigen Krieg« (1454-66). Im 2. Thorner Frieden von 1466 musste er für das ihm verbliebene Ostpreußen die poln. Lehnshoheit anerkennen, während Pommerellen mit dem Culmer Land und Ermland ein besonderer Ständestaat unter der Herrschaft des poln. Königs wurde. 1561 kam auch Livland an P., Kurland wurde poln. Lehen. Durch die Lubliner Union von 1569 wurden Litauen und der westpreuß. Ständestaat ganz mit P. verschmolzen; doch behaupteten die dt. Städte Thorn, Elbing und v. a. Danzig sowie das Bistum Ermland ihre Selbstständigkeit. Der eindringende Protestantismus wurde durch die kath. Gegenreformation zurückgedrängt. Die Königsgewalt war schon seit dem 15. Jh. durch die wachsende Macht des Adels, der »Schlachta«, geschwächt worden, die ihren polit. Mittelpunkt im poln. Reichstag fand.Wahlkönigtum (1572-1795): Seitdem die Jagiellonen 1572 mit Sigismund II. August ausgestorben waren, wählte der poln. Adel ausländ. Fürsten zu Königen, so Stephan Báthory von Siebenbürgen (1575/76-86 als Stephan IV. Báthory) und die aus dem schwed. Haus Wasa stammenden Monarchen Sigismund III. (1587-1632), Wladislaw IV. (1632-48) und Johann II. Kasimir (1648-68). P. verlor 1629 Livland an Schweden und musste 1657/60 zugunsten Brandenburgs auf die Lehnshoheit über Ostpreußen verzichten. Nachdem gegenüber Russland bis 1619 einige Gebietsgewinne erzielt werden konnten und 1610-12 sogar die Übernahme des Zarenthrons möglich schien, brach in der Ukraine ein großer Aufstand der Kosaken aus, die sich 1654 unter die Herrschaft der russ. Zaren stellten. Weitere Ostgebiete (Kiew) gingen im Frieden von Andrussowo (1667) verloren. Im Kampf gegen die Türken errang P. unter Johann III. Sobieski (1674-96) im Bündnis mit Österreich militär. Erfolge (1683 Sieg in der Schlacht am Kahlenberg); es gewann Podolien zurück. Warschau (seit 1596 Hptst.) wurde im 18. Jh. ausgebaut. Die Wahl des sächs. Kurfürsten August des Starken zum König von P. (1697-1706, 1709-33) verstrickte das Land in den Nord. Krieg, in dem Russland bereits als die ausschlaggebende Macht in P. auftrat. Sein Sohn August III. (1733-63) konnte sich im Poln. Thronfolgekrieg nur dank der russ. Hilfe gegen Stanislaus Leszczyński durchsetzen, und der letzte poln. König Stanislaus II. August Poniatowski (1764-95) musste sich der russ. Kaiserin Katharina II. beugen. Schließlich kam es zu den drei Teilungen P.s (1772, 1793 und 1795), wobei sich Russland (zu etwa 2/3 ), Preußen und Österreich (zu je etwa 1/6 ) des Landes bemächtigten. Noch am 3. 5. 1791 war eine demokrat. Verfassung (die erste geschriebene in Europa) verabschiedet worden. Ein nat. Aufstand 1794 unter der Führung T. Kościuszkos scheiterte an der russisch-preuß. Übermacht.Unter der Herrschaft der Teilungsmächte (1795-1918): Das 1807 durch Napoleon I. aus preuß. Teilungsgebieten errichtete Herzogtum Warschau wurde im Ergebnis des Wiener Kongresses (1814/15) um Posen und Krakau verkleinert und als Königreich P. (Kongress-P.) in Personalunion mit Russland vereinigt. Krakau erhielt den Status einer Freien Stadt (bis 1846); die Österreich zugesprochenen Gebiete wurden 1849 als Kronland Galizien reorganisiert. Alle Versuche zur Wiederherstellung des Nationalstaates (Novemberaufstand 1830/31, Aufstandsversuche in Galizien 1846 und Posen 1848, Januaraufstand 1863) wurden blutig niedergeschlagen. Kongress-P. sah sich einer heftigen Russifizierungspolitik ausgesetzt. Seitdem bewahrten die Polen hier und im österr. Galizien für lange Zeit ihre nat. Identität durch Pflege ihrer Sprache und Kultur.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs belebte die Hoffnung auf Wiederherstellung der Eigenstaatlichkeit (zunächst Proklamation eines poln. Königreichs ohne Territorialabgrenzung durch die Mittelmächte am 5. 11. 1916). Am 8. 1. 1918 forderte der amerikan. Präs. W. Wilson die Bildung eines unabhängigen poln. Staates mit einem Zugang zur See. Am 7. 10. 1918 rief der Regentschaftsrat die Unabhängigkeit P.s aus; Staatschef der Rep. P. war 1918-22 J. Piłsudski.Polen zw. den Weltkriegen (1918-39): Durch den Versailler Vertrag erhielt P. den größten Teil der Provinz Westpreußen (»Poln. Korridor«) und fast die ganze Provinz Posen. Danzig wurde Freie Stadt. Oberschlesien, wo trotz mehrerer poln. Aufstände die Abstimmung vom 20. 3. 1921 eine dt. Mehrheit ergab, wurde geteilt (Schlesien, Geschichte). Von Österreich erhielt P. Galizien; das Teschener Gebiet musste 1920 entlang der Olsa mit der Tschechoslowakei geteilt werden. Ein poln. Vorstoß auf Kiew (April/Mai 1920) löste den Polnisch-Sowjet. Krieg (1920/21) aus; die Gegenoffensive Sowjetrusslands scheiterte schließlich am poln. Sieg in der Schlacht bei Warschau (16. 8. 1920, »Wunder an der Weichsel«). Im Frieden von Riga (18. 3. 1921) wurde eine Grenze gezogen, die mehr als 200 km östlich der Curzon-Linie verlief. 1920 hatte P. zudem das Wilnagebiet annektiert. Die innere Konsolidierung (formal beendet mit Annahme der Verf. vom 17. 3. 1921) wurde erschwert durch die polit. Zersplitterung der Parteien, die wirtsch. Rückständigkeit, die in der Teilungszeit entstandenen unterschiedl. Wirtschafts-, Bildungs-, Justiz- und Verw.systeme sowie durch die Existenz starker nat. Minderheiten (31 % der Gesamtbev.). Außenpolitisch war P. in das frz. Allianzsystem einbezogen (Bündnis vom 19. 2. 1921). Die restriktive Politik gegenüber der dt. Minderheit, die dt. Weigerung, die neue dt. O-Grenze anzuerkennen, ein »Zollkrieg« um die oberschles. Kohle, andererseits der politisch-ideolog. Gegensatz zum Sowjetsystem schlossen eine Kooperation P.s mit seinen beiden größten Nachbarn aus.
Am 12. 5. 1926 übernahm Marschall Piłsudski in einem Staatsstreich die Macht (1926-28 und 1930 MinPräs., 1926-35 Kriegsmin.), errichtete unter formaler Beibehaltung von Verf. und Parlament ein autoritäres System und setzte 1935 eine autoritäre Präsidialverf. durch. Zur außenpolit. Absicherung wurden Nichtangriffsverträge mit der Sowjetunion (1932) und Dtl. (1934) abgeschlossen. Außenmin. J. Beck strebte den Aufstieg P.s zur ostmitteleurop. Führungsmacht im Rahmen eines »Dritten Europa« von der Ostsee bis zur Adria an.
Nach dem Tod Piłsudskis 1935 wurde das Militär unter Marschall E. Rydz-Śmigły staatsbestimmend. Die Verschärfung der Minderheitenpolitik, auch gegenüber der dt. Volksgruppe, engte die außenpolit. Manövrierfähigkeit ein. Im Okt. 1938 wurde die Tschechoslowakei zur Abtretung des Olsagebietes gezwungen. Der verstärkte außenpolit. Druck des Dt. Reiches 1938/39 (Forderung nach Angliederung Danzigs an Dtl. und nach Errichtung exterritorialer Verkehrswege durch den Poln. Korridor) veranlasste P. wieder zu engerer Anlehnung an die Westmächte. Die Kündigung des Dt.-Poln. Nichtangriffspakts durch Hitler (28. 4. 1939) hoffte P. durch die brit. Garantieerklärung (31. 3. 1939) und das polnisch-brit. Beistandsabkommen (25. 8. 1939) ausbalancieren zu können. Doch im Dt.-Sowjet. Nichtangriffspakt (»Hitler-Stalin-Pakt«) vom 23. 8. 1939 war in einer Geheimklausel u. a. die Aufteilung P.s vereinbart worden. Der dt. Angriff auf P. am 1. 9. 1939 löste den Zweiten Weltkrieg aus.Polen im Zweiten Weltkrieg: Das poln. Heer konnte sich nicht gegen die dt. Wehrmacht und die seit dem 17. 9. 1939 einrückende Rote Armee behaupten. Ein dt.-sowjet. Grenz- und Freundschaftsvertrag (28. 9. 1939) teilte P. entlang der Flüsse Narew, Bug und San in ein dt. und ein sowjet. Gebiet auf. Die v. a. von Ukrainern und Weißrussen bewohnten östl. Gebiete (200 280 km2 mit 13,5 Mio. Ew., darunter 3,5 Mio. Polen) wurden der Ukrain. SSR und der Weißruss. SSR eingegliedert (1940/41 Zwangsdeportation von weit über 1 Mio. Polen nach Zentralasien und Sibirien). West-P. (90 000 km2 mit 10 Mio. Ew.) wurde am 8. 10. 1939 dem Dt. Reich angeschlossen, der Rest am 26. 10. 1939 als Dt. Generalgouv. P. (98 000 km2 mit über 10 Mio. Ew.) organisiert, dem 1941 Galizien angegliedert wurde. Der nat.-soz. Terror nahm mit Zwangsverpflichtungen nach Dtl., Deportationen und der Ausrottung - anfangs der jüd., später auch anderer poln. Bev.teile - in den Konzentrations- und Vernichtungslagern immer größere Ausmaße an. 1939-45 kamen 6,03 Mio. Polen, unter ihnen rd. 3 Mio. Juden, ums Leben.
In Paris wurde 1939 unter General W. Sikorski eine Exilreg. gebildet, die eine Exilarmee aufstellte. Die von den Alliierten als Krieg führender Bundesgenosse anerkannte, nach der frz. Niederlage von London aus operierende Exilreg. schloss am 30. 7. 1941 ein Bündnis mit der Sowjetunion, das die Aufstellung einer poln. Armee aus 80 000 Kriegsgefangenen unter General W. Anders ermöglichte. Die Entdeckung der Massengräber poln. Offiziere bei Katyn im April 1943 führte jedoch zum Bruch mit der sowjet. Führung. Die Exilreg. wurde von Großbritannien zu einem Ausgleich mit der Sowjetunion gedrängt, lehnte aber die Anerkennung der Curzon-Linie (bei Inaussichtstellung einer Entschädigung mit dt. Gebieten östlich der Oder) ebenso ab wie eine kommunist. Reg.beteiligung im befreiten P. Mit den ab 1943 rekrutierten Einheiten unter General Z. Berling beteiligten sich die poln. Kommunisten an der Seite der Roten Armee an der militär. Befreiung P.s. 1939 waren erste Widerstandsorganisationen entstanden, die sich im Febr. 1942 mit einer der Londoner Exilreg. unterstellten »Armia Krajowa« (Abk. AK, dt. »Armee im Lande«) eine militär. Organisation schufen. Kommunist. Widerstandsgruppen wurden in der »Armia Ludowa« (Abk. AL, dt. »Volksarmee«) zusammengefasst. Ein Aufstand im Warschauer Getto 1943, der den Abtransport der Juden in die Vernichtungslager aufhalten sollte, wurde durch die dt. Besatzungsmacht blutig unterdrückt. Als im Juli 1944 die Rote Armee den Bug überschritt und das von prosowjet. Kräften gebildete »Lubliner Komitee« (eigtl. »Poln. Komitee der Nat. Befreiung«) eine kommunist. Verw. aufzubauen begann, löste die AK den Warschauer Aufstand (1. 8.-2. 10. 1944) aus, den die dt. Wehrmacht jedoch niederschlagen konnte. Das Lubliner Komitee (am 1. 1. 1945 in »Provisor. Reg.« umbenannt) übernahm in den von der Roten Armee freigekämpften poln. Gebieten die Reg.gewalt und mit sowjet. Unterstützung auch die Verw. in den dt. Ostgebieten. Mit dem Potsdamer Abkommen (2. 8. 1945) unterstellten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs die ehem. ostdt. Gebiete bis zur Oder und Neiße sowie das südl. Ostpreußen und Danzig poln. Verw. (vorbehaltlich einer endgültigen Regelung der W-Grenze in einem Friedensvertrag). Dafür musste P. auf das Gebiet östlich der Curzon-Linie (rd. 180 000 km2) zugunsten der UdSSR verzichten (fixiert im polnisch-sowjet. Abkommen vom 16. 8. 1945). Das poln. Staatsgebiet umfasste nunmehr rd. 313 000 km2. Mit der schon vor der Potsdamer Konferenz einsetzenden Vertreibung der Deutschen (Höhepunkt 1945/46) und der Zwangsumsiedlung der Polen aus den an die Sowjetunion gefallenen Ostgebieten kam es zu einer gewaltigen Bev.verschiebung..Nachkriegszeit (1945-52):Aus Vertretern der »Provisor. Reg.« und Exilpolitikern wurde am 28. 6. 1945 eine »Reg. der Nat. Einheit« gebildet, in der Kommunisten Schlüsselpositionen innehatten. Die Sowjetunion sicherte sich einen starken Einfluss auf P. u. a. durch den Abschluss eines Freundschafts- und Beistandsvertrags (21. 4. 1945). Mit Ausnahme der oppositionellen Poln. Bauernpartei (PSL) wurden alle Parteien in einem »Demokrat. Block« zusammengefasst, der von der kommunist. Poln. Arbeiterpartei (PPR) unter Gen.-Sekr. W. Gomułka beherrscht war und die Wahl zum Parlament (19. 1. 1947) für sich entschied. Mit der Annahme der »Kleinen Verf.« (19. 2. 1947) begann die offene Kursnahme auf die Errichtung einer Volksdemokratie. B. Bierut (Kommunist) wurde Staatspräs. (1947-52) und J. Cyrankiewicz (Sozialist) MinPräs. (1947-52, 1954-70). Nach dem Ausschluss Jugoslawiens aus dem »sozialist. Lager« (1948) wurden die poln. Nationalkommunisten als »Rechtsabweichler« aus führenden Positionen entfernt und verhaftet (u. a. Gomułka). 1948 fusionierten nach Säuberungen PPR und Sozialist. Partei (PPS) zur Vereinigten Poln. Arbeiterpartei (PZPR), deren Führung Bierut übernahm. Nach einer Bodenreform und der Verstaatlichung der Ind., der Banken und des Verkehrswesens in den ersten Nachkriegsjahren vollzog sich 1947 der Übergang zur zentralen Planwirtschaft. 1949 wurden in Landwirtschaft und Kleingewerbe Zwangskollektivierungen und Enteignungsmaßnahmen eingeleitet. Damit ging eine zunehmend verschärfte Reglementierung, bald eine offene Verfolgung der kath. Kirche einher. Die nach 1949 forcierte Industrialisierung brachte unter großem Konsumverzicht der Bev. eine völlige Umgestaltung der Wirtschaftsstruktur. Im Görlitzer Vertrag (6. 7. 1950) erkannte die DDR die Oder-Neiße-Linie an.Die Volksrepublik Polen (1952-89): Mit der volksdemokrat. Verf. vom 22. 7. 1952 nahm das Land offiziell die Staatsbez. »Volksrep. P.« an. Als Mitgl. des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (seit 1949) und des Warschauer Pakts (seit 1955) fügte sich P. in den Ostblock ein. Unter dem Eindruck der Entstalinisierung in der Sowjetunion kam es im Juni 1956 zum Posener Aufstand; im Okt. 1956 wurde Gomułka an die Spitze der PZPR zurückberufen. Bei fester Einbettung in das »sozialist. Lager« änderte er den polit. Kurs: Wiedereinführung der bäuerl. Privatwirtschaften, Fortsetzung der Industrialisierung unter Verstärkung des Konsumgütersektors, Begrenzung der sowjet. Stationierungstruppen und Entlassung der Berater (u. a. des als Verteidigungsmin. amtierenden sowjet. Marschalls K. K. Rokossowski), Normalisierung der Beziehungen zur kath. Kirche. Die poln. Beteiligung an der militär. Intervention in der ČSSR im Aug. 1968 sicherte Gomułka die Unterstützung der sowjet. Reg. bei der Zurückdrängung seiner Gegner im Innern (v. a. die nationalkommunistische Opposition um Innenmin. M. Moczar) und beim Abschluss des Dt.-Poln. Vertrages (7. 12. 1970).
Streiks und Arbeiterunruhen in den Küstenstädten führten im Dez. 1970 zur Entlassung Gomułkas und zur Machtübernahme durch E. Gierek, dem zus. mit MinPräs. P. Jaroszewicz in kurzer Zeit die polit. und wirtsch. Konsolidierung gelang (»poln. Wirtschaftswunder« bis 1973). 1972 übernahm H. Jabłonski das Amt des Staatsratsvors. (bis 1985). Nach erneuten Streiks und Arbeiterunruhen 1976 bildete sich das »Komitee zur Verteidigung der Arbeiter« (KOR). Die mit der Wahl des Krakauer Kardinals K. Wojtyła zum Papst (16. 10. 1978) Johannes Paul II. einsetzende religiöse Erneuerungsbewegung unterstützte die Forderung nach tief greifenden Reformen. Ausgelöst durch wirtsch. Schwierigkeiten (v. a. Missverhältnis zw. Kaufkraft und Warenangebot) kam es 1980 zu einer landesweiten Streikbewegung (Zentrum u. a. in Danzig); sie konnte nur durch Zulassung einer unabhängigen Gewerkschaft (am 17. 9. 1980 Gründung und am 10. 11. 1980 gerichtl. Bestätigung der Solidarność unter Führung L. Wałęsas) und durch weitere Zugeständnisse (Danziger Abkommen vom 31. 8. 1980) beendet werden. Gierek wurde als 1. Sekretär der PZPR Anfang Sept. 1980 durch S. Kania ersetzt. Im Febr. 1981 übernahm General W. Jaruzelski das Amt des MinPräs., im Okt. 1981 auch das des Parteichefs. Die sich rapide zuspitzende innenpolit. und wirtsch. Situation sowie die sich abzeichnende Möglichkeit einer sowjet. Intervention veranlassten ihn zur Verhängung des Kriegsrechts (13. 12. 1981); ein »Militärrat der Nat. Rettung« unter seinem Vorsitz übernahm die Macht. Streiks wurden untersagt, viele Gewerkschaftsaktivisten und Intellektuelle interniert. Anfängl. Widerstand in den Betrieben wurde gewaltsam unterdrückt, die Gewerkschaft im Okt. 1982 endgültig verboten. Nach Aufhebung des Kriegsrechts (22. 7. 1983) wurden zwar fast alle Internierten freigelassen, doch blieben zahlr. Beschränkungen (einschl. des Verbots der »Solidarność«) aufrechterhalten. Die Ermordung des Priesters J. Popiełuszko (1984) löste neue Spannungen aus. Zur Überwindung wirtsch. Schwierigkeiten legte die Reg. ein Reformprogramm vor, das in einem Referendum im Nov. 1987 abgelehnt wurde. Da es den Reg. Z. Messner (1985-88) und M. Rakowski (1988/89) nicht gelang, die innenpolit. Krise zu überwinden (ab Aug. 1988 erneut landesweite Streiks), wurden Anfang Febr. 1989 Gespräche mit der Opposition am »Runden Tisch« aufgenommen. Ergebnisse waren u. a. die Wiederzulassung von »Solidarność« und die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer. Die Parlamentswahlen im Juni 1989 brachten einen überwältigenden Sieg der Opposition; das Bürgerkomitee »Solidarność« erhielt im Sejm alle 161 der Opposition zugestandenen Sitze, in der 2. Kammer 99 von 100 Sitzen. Der seit 1985 als Vors. des Staatsrats amtierende Jaruzelski wurde am 19. 7. 1989 zum Staatspräs. gewählt (im Amt bis Dez. 1990). Am 24. 8. 1989 wurde der Oppositionspolitiker T. Mazowiecki Reg.chef. Republik Polen (seit 1989): Im Rahmen der im Dez. 1989 verabschiedeten Verf.änderungen wurde die Staatsbez. »Rep. P.« wieder eingeführt. 1990 löste sich die PZPR auf, ein Teil ihrer Mitgl. gründete die »Sozialdemokratie der Rep. P.«. Im Dez. 1990 wurde Wałęsa zum Staatspräs. gewählt (Rücktritt als Vors. der Gewerkschaft »Solidarność«). MinPräs. J. K. Bielecki (Jan.-Dez. 1991) setzte den marktwirtsch. orientierten Reformkurs fort. Mit den wachsenden wirtsch.-sozialen Problemen bei der Umsetzung der Reg.politik büßte auch die »Solidarność«-Bewegung, die seit ihrer Einbindung in die Reg.verantwortung politisch zersplitterte, an Popularität und Einfluss ein. Die Parlamentswahlen im Okt. 1991 erbrachten keine klare Mehrheit; MinPräs. einer Mehrparteienkoalition wurde J. Olszewski, der das Tempo der marktwirtsch. Reformen zu drosseln suchte.
Nach der Abberufung Olszewskis (Juni 1992) führte Hanna Suchocka (Demokrat. Union) von Juli 1992 bis Mai 1993 als MinPräs. eine Koalitionsreg. von sieben aus der Gewerkschaft »Solidarność« hervorgegangenen Parteien. Ein Reg.programm zur »Allg. Privatisierung« (Privatisierung von rd. 600 Staatsbetrieben, Ausgabe von Volksaktien) wurde Ende April 1993 vom Sejm gebilligt. Das Abtreibungs-Ges. polarisierte die Gesellschaft und setzte die Reg.koalition einer Zerreißprobe aus. Nach vorgezogenen Neuwahlen im Sept. 1993, bei denen v. a. das Linksbündnis SLD und die Poln. Bauernpartei (PSL) Stimmengewinne zu verzeichnen hatten, wurden Korrekturen an dem prinzipiell befürworteten marktwirtschaftl. Kurs gefordert. Bei den Präsidentenwahlen setzte sich im Nov. 1995 A. Kwaśniewski, der Kandidat der Linksallianz, gegen den amtierenden Präs. L. Wałęsa durch, sah sich jedoch im Ergebnis der Wahlen von Sept. 1997 (Sieg der Wahlaktion der Solidarność) im Sejm einer liberal-konservativen Mehrheit gegenübergestellt (MinPräs. J. Buzek, seit Okt. 1997).
Im Juli 1997 traten die Flüsse Oder, Neiße und Weichsel nach lang anhaltenden Regenfällen (v. a. in der Slowak. Rep.) über die Ufer und verursachten schwerste Landschafts-, Umwelt- und Gebäudeschäden (geschätzter Schadensumfang 1,8 Mrd. DM).In seiner Außenpolitik schloss P. im Nov. 1990 mit Dtl. einen Grenzvertrag (Festlegung der Oder-Neiße-Linie als endgültige dt.-poln. Grenze), im Juni 1991 einen Nachbarschaftsvertrag. 1991 wurde P. Vollmitgl. des Europarates und unterzeichnete im selben Jahr mit der EU ein Assoziierungsabkommen. Zugleich bemühte sich die poln. Diplomatie um eine aktive Nachbarschaftspolitik (Visegrád-Allianz, Visegrád). In der außen- und sicherheitspolit. Konzeption gewann die Gestaltung einer frz.-dt.-poln. »Achse« eine Schlüsselstellung. Neben dem vorrangigen Ziel seiner vollständigen Westintegration sucht P. gutnachbarl. Beziehungen zu seinen östl. Nachbarn (v. a. zu Russland). 1994 stellte die poln. Regierung den Antrag auf Aufnahme in die EU und unterzeichnete das NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden«; am 12. 3. 1999 wurde P. Mitgl. der NATO.
▣ Literatur:
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⃟ Dönhoff, M. Gräfin: Polen u. Deutsche. Frankfurt am Main 1991.
⃟ Oberzill, G. H.: P. Olten u. a. 21991.
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⃟ P. nach dem Kommunismus, hg. v. E. Oberländer. Stuttgart 1993.
⃟ Juchler, J.: Osteuropa im Umbruch. Polit., wirtschaftl. u. gesellschaftl. Entwicklungen 1989-1993. Zürich 1994.
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⃟ P. Geschichte, Kunst u. Landschaft einer alten europ. Kulturnation, Beiträge v. I. Bentchev u. a. Köln 51996.
⃟ Schmidt-Rösler, A.: P. vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 1996;
⃟ Urban, T.: P.. München 1998;
⃟ Bingen, D.: Die Rep. P. Eine kleine polit. Landeskunde. München 21999.
II Polen
(poln. Polacy), westslaw. Volk, das Staatsvolk Polens; größere Gruppen leben auch in den USA (6-10 Mio.), in Dtl. (1,5 Mio.), Brasilien und Frankreich (je 0,8-1 Mio.), Kanada (0,6 Mio.), Weißrussland (0,4-1 Mio.), der Ukraine (0,3-0,5 Mio.), in Litauen (0,25-0,30 Mio.) u. a. Ländern. -Die P. sind aus den im Flussgebiet der Oder und Weichsel ansässigen westslaw. Stämmen unter Führung der Polanen hervorgegangen. Die Siedlungsgebiete dieser Stämme bilden seit dem 9./10. Jh. die Kernräume der polit. Landschaften Polens.
III Polen
⃟ Fläche: 312 685 km2
Einwohner: (1998) 38,66 Mio.
Hauptstadt: Warschau
Verwaltungsgliederung: 16 Woiwodschaften
Amtssprache: Polnisch
Nationalfeiertag: 3. 5.
Währung: 1 Złoty (Zł) = 100 Groszy (Gr)
Zeitzone: MEZ
(amtlich poln. Rzeczpospolita Polska), Staat im O Mitteleuropas, grenzt im W an Dtl., im N an die Ostsee, im NO an das russ. Gebiet Kaliningrad (Königsberg) und an Litauen, im O an Weißrussland und die Ukraine und im S an die Slowak. Republik und die Tschech. Republik.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1997 (in Kraft seit 16. 10.) ist P. eine parlamentar. Rep. Staatsoberhaupt ist der Präs. der Rep., der für fünf Jahre direkt gewählt wird und über besondere Befugnisse in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie beim Staatsnotstand verfügt. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, die in besonderen Fällen als Nationalversammlung zusammentreten: dem Abg.haus (poln. »Sejm«, 460 auf vier Jahre gewählte Mitgl.) und dem Senat mit 100 Senatoren, die in den 16 Woiwodschaften für vier Jahre gewählt werden. Der vom Vertrauen des Sejm abhängige, vom Staatspräs. ernannte Min.rat (Reg.), geführt von einem MinPräs., leitet die Exekutive. Wichtigste Parteien sind: Wahlaktion der »Solidarność« (AWS), Bündnis der Demokrat. Linken (SLD), Freiheitsunion (UW), Poln. Bauernpartei (PSL), Bewegung für den Wiederaufbau Polens (ROP).
Landesnatur: P. ist größtenteils ein Tiefland, 75 % seines Territoriums liegen unter 200 m ü. M. Es ist von eiszeitl. Ablagerungen bedeckt und durch vorwiegend ostwestlich verlaufende Niederungen im Bereich eiszeitl. Urstromtäler gegliedert. An die Jungmoränenlandschaft der Weichseleiszeit im N (Balt. Landrücken) mit ihren Seenplatten und Endmoränenzügen (Pommersche und Masur. Seenplatte) schließt sich in Mittel-P. die schwach wellige Altmoränenlandschaft der Saaleeiszeit an. Nach S tauchen aus der glazialen Decke die z. T. lössbedeckten Tafeln und Stufenlandschaften des poln. Mittelgebirges auf, das östlich der Weichsel aus dem Lubliner Hügelland und Roztoce (in P. bis 390 m ü. M.), westlich davon aus dem Kleinpoln. Berg- und Hügelland (Łysica im Kielcer Bergland, 612 m ü. M.) besteht. Das Becken von Sandomierz und die geolog. Mulde des oberschles. Beckens trennen das Bergland vom Gebirgsgürtel der Sudeten und Karpaten; die höchsten Zonen sind Riesengebirge und Hohe Tatra (Meeraugspitze, poln. Rysy, 2 499 m ü. M.). Hauptflüsse sind Weichsel und Oder. P. besitzt ein Übergangsklima, das von SW nach NO zunehmend kontinentaler wird.
Bevölkerung: Die Bev. besteht fast ausschließlich aus Polen; von den etwa 1,3 % Angehörigen nat. Minderheiten sind die Polendeutschen die größte Gruppe, gefolgt von Ukrainern und Weißrussen. Großstädte mit (1998) über 500 000 Ew. sind Warschau, Lodz, Krakau, Breslau und Posen. Am dichtesten sind die zentral- und südpoln., am schwächsten die nordostpoln. Wwschaften besiedelt. Allg. Schulpflicht besteht vom 8. bis zum 16. Lebensjahr, 8-jährige Primar-, 4-jährige allgemein bildende Sekundarschulen; außerdem Berufs- und beruflich-techn. Fachschulen und (seit 1989) weltl. und kirchl. Gymnasien, die zur Hochschulreife führen. P. besitzt 11 Univ. (eine kath. in Lublin), 18 TH (Polytechnika) sowie 35 weitere Hochschulen. Rd. 97 % der Bev. sind Christen, über 94 % Katholiken.
Wirtschaft, Verkehr: P., vor dem Zweiten Weltkrieg ein Agrarland, entwickelte sich ab 1950 zu einem Industrie-Agrar-Staat. Die nach sowjet. Vorbild etablierte Planwirtschaft brachte das Land jedoch in eine schwere Krise, die 1981-83 zu großen sozialen Unruhen führte (Solidarność). Im Okt. 1989 wurde der Übergang zur privaten Marktwirtschaft eingeleitet, deren Verwirklichung mit erhebl. wirtsch. Problemen verbunden war (hohe Auslandsverschuldung, Arbeitslosigkeit). Das heutige Wirtschaftswachstum P.s, das alle Wirtschaftsbereiche erfasst hat, beruht auf dem privaten Sektor; es liegt in Europa mit an vorderster Stelle. In der Landwirtschaft, auch unter der sozialist. Herrschaft zu 80 % privat bewirtschaftet, herrschen Kleinbetriebe vor. Angebaut werden bes. Roggen, Kartoffeln, Futterpflanzen und Weizen, ferner Zuckerrüben, Raps und Gemüse. Bed. sind Rinder-, Schweine-, Pferde- (wegen des geringen Mechanisierungsgrades) und Geflügelhaltung (v. a. Gänse für den Export). Der Wald nimmt 28 % der Landesfläche ein (zu 80 % Nadelhölzer). Bed. ist die Hochseefischerei. Eine wichtige Rolle spielt der Bergbau, bes. wegen der großen Steinkohlenvorkommen in Oberschlesien. Die Braunkohle (in Südwest-P. an der Grenze zum sächs. Gebiet um Zittau, Konin, Turek, Bełchatów südlich von Lodz) wird in Großkraftwerken verstromt. In Niederschlesien werden große Kupfervorkommen abgebaut und verhüttet. Ferner werden Blei-, Zink- und Eisenerze sowie Schwefel (Tarnobrzeg), Salz, im Karpatenvorland etwas Erdgas und -öl gefördert. Neben den traditionellen Ind.standorten Warschau, Lodz, dem Oberschles. Ind.gebiet (um Kattowitz), Danzig und Stettin entstanden neue Ind.zentren in Nowa Huta (zu Krakau) und Tschenstochau (Eisenhüttenind.), Płock (Erdölverarbeitung), Puławy, Włocławek und Thorn (Chemiewerke), Konin (Aluminiumhütte), Legnica, Glogów und Lubin (Kupferhütte). Die wichtigsten Zweige der verarbeitenden Ind. sind Maschinen-, Fahrzeug- (Automobile, Lokomotiven, Waggons) und Schiffbau (v. a. in Danzig), die Nahrungsmittel-, Baustoff-, Holz- und Papier- sowie die Textilind. (Zentrum Lodz). Exportiert werden Maschinen und Transportmittel, v. a. Schiffe, Chemikalien, bes. Schwefel, Steinkohle, Koks und Elektrizität, Metalle, bes. Kupfer, sowie Textilien und Bekleidung. Haupthandelspartner sind die EU-Staaten (v. a. Dtl.), Russland, Großbritannien, Frankreich, USA und die Niederlande. - Hauptverkehrsträger ist die staatl. Eisenbahn mit einem Streckennetz von 22 285 km (davon 50 % elektrifiziert), das befestigte Straßennetz ist 239 000 km lang, das Binnenwasserstraßennetz (Schiffsverkehr auf Oder, Weichsel, Warthe und Gleiwitzkanal) 3 812 km. Wichtigste Hochseehäfen sind Stettin (mit Außenhafen Swinemünde), Danzig und Gdynia; internat. Flughafen in Warschau. Hauptanziehungspunkte des Fremdenverkehrs sind die Hohe Tatra, Beskiden und Sudeten (bes. Riesengebirge), die Ostseeküste und die Masurischen Seen sowie Warschau, Krakau, Tschenstochau (Wallfahrtszentrum), Breslau u. a. Städte. Viele Heilquellen führten zur Entstehung von Kurorten in den Sudeten (Kudowa Zdrój, Polanice Zdrój und Duszniki Zdrój) und Beskiden (Rabka, Krynica).
Geschichte: Der frühe Piastenstaat (10. Jh.-1138): Erster historisch fassbarer Herrscher eines poln. Staates war Herzog Mieszko I. (um 960-992) aus dem Geschlecht der Piasten. Sein Reich umfasste v. a. den Raum um die mittlere Warthe (Siedlungsgebiet der Polanen, sog. »Groß-P.«) und die mittlere Weichsel (Masowien) sowie um den Goplo-See. 966 trat er zum lat. Christentum über. Sein Sohn Boleslaw I. Chrobry (992-1025) gewann Klein-P. (Polonia Minor, um Krakau), Schlesien, vorübergehend Mähren, die Westslowakei, Pommern und die Lausitz und stieß bis Kiew (1018) vor; zugleich wurde P. (so die um 1000 bei ausländ. Chronisten aufgekommene Staatsbez.) durch die Gründung des Erzbistums Gnesen (1000) auch kirchlich selbstständig. 1025 ließ sich Boleslaw I. Chrobry zum König krönen.Die Zeit der Teilfürstentümer (1138-1320): Nach Einführung der Senioratserbordnung durch Boleslaw III. Krzywousty (1102/07-1138) zerfiel das Land in Teilfürstentümer. Pommern schied 1181 endgültig aus der losen Abhängigkeit aus, während Schlesien ab 1163 eine Sonderentwicklung nahm und sich um 1300 der böhm. Lehnshoheit unterstellte. Eine schwere äußere Bedrohung stellte der Einfall der Mongolen dar (1241 Niederlage eines polnisch-dt. Ritterheeres bei Liegnitz). Im 12. Jh. setzte eine intensive Kolonisierung aus dem Gebiet des Hl. Röm. Reiches ein, als Fürsten und kirchl. Institutionen versuchten, neue Siedler für ihre Güter heranzuziehen (deutsche Ostsiedlung). Die dt. Neusiedler prägten v. a. das Bild der Städte. Zur Abwehr der heidn. Prußen rief Herzog Konrad I. von Masowien 1226 den Dt. Orden nach Polen. Nach der 1283 abgeschlossenen Unterwerfung der Prußen weitete der Orden seine weltl. Herrschaft 1308 über das von P. beanspruchte Pommerellen aus. Die Auseinandersetzung mit dem Dt. Orden sowie das Erstarken der Bürgerschaft und des Adels bestimmten die Entwicklung im 14. und 15. Jh. maßgeblich.Die Piasten (1320-70): Herzog Wladislaw Łokietek errang zu Anfang des 14. Jh. die Oberherrschaft über ganz P. und ließ sich 1320 in Krakau zum König krönen. Sein Sohn Kasimir III., d. Gr. (1333-70), der letzte der Piasten, verzichtete zugunsten des Dt. Ordens auf Pommerellen (Westpreußen) und dehnte das Reich nach SO (Galizien, Wolhynien, Podolien) aus. Er schuf ein allg. poln. Landrecht und gründete die Univ. Krakau (1364).Das Haus Anjou (1370-86) und die Jagiellonen (1386-1572):Ludwig I., d. Gr. (1370-82), ein Neffe Kasimirs aus dem Haus Anjou, konnte sich die Zustimmung des poln. Adels zur Nachfolge für sich und seine Tochter Jadwiga (Hedwig 1) nur durch eine großzügige Privilegienerteilung erkaufen. In den Unionen von Krewo und Krakau 1385/86 wurde festgelegt, dass sich der bisher heidn. Großfürst Jagiełło von Litauen taufen lassen und die Erbin Jadwiga zur Frau nehmen sollte. Als König Wladislaw II. (1386-1434) vereinigte er das multinat. und mehrkonfessionelle Doppelreich P.-Litauen zunächst in Personalunion. Dieser Übermacht unterlag der Dt. Orden 1410 bei Tannenberg und dann im »Dreizehnjährigen Krieg« (1454-66). Im 2. Thorner Frieden von 1466 musste er für das ihm verbliebene Ostpreußen die poln. Lehnshoheit anerkennen, während Pommerellen mit dem Culmer Land und Ermland ein besonderer Ständestaat unter der Herrschaft des poln. Königs wurde. 1561 kam auch Livland an P., Kurland wurde poln. Lehen. Durch die Lubliner Union von 1569 wurden Litauen und der westpreuß. Ständestaat ganz mit P. verschmolzen; doch behaupteten die dt. Städte Thorn, Elbing und v. a. Danzig sowie das Bistum Ermland ihre Selbstständigkeit. Der eindringende Protestantismus wurde durch die kath. Gegenreformation zurückgedrängt. Die Königsgewalt war schon seit dem 15. Jh. durch die wachsende Macht des Adels, der »Schlachta«, geschwächt worden, die ihren polit. Mittelpunkt im poln. Reichstag fand.Wahlkönigtum (1572-1795): Seitdem die Jagiellonen 1572 mit Sigismund II. August ausgestorben waren, wählte der poln. Adel ausländ. Fürsten zu Königen, so Stephan Báthory von Siebenbürgen (1575/76-86 als Stephan IV. Báthory) und die aus dem schwed. Haus Wasa stammenden Monarchen Sigismund III. (1587-1632), Wladislaw IV. (1632-48) und Johann II. Kasimir (1648-68). P. verlor 1629 Livland an Schweden und musste 1657/60 zugunsten Brandenburgs auf die Lehnshoheit über Ostpreußen verzichten. Nachdem gegenüber Russland bis 1619 einige Gebietsgewinne erzielt werden konnten und 1610-12 sogar die Übernahme des Zarenthrons möglich schien, brach in der Ukraine ein großer Aufstand der Kosaken aus, die sich 1654 unter die Herrschaft der russ. Zaren stellten. Weitere Ostgebiete (Kiew) gingen im Frieden von Andrussowo (1667) verloren. Im Kampf gegen die Türken errang P. unter Johann III. Sobieski (1674-96) im Bündnis mit Österreich militär. Erfolge (1683 Sieg in der Schlacht am Kahlenberg); es gewann Podolien zurück. Warschau (seit 1596 Hptst.) wurde im 18. Jh. ausgebaut. Die Wahl des sächs. Kurfürsten August des Starken zum König von P. (1697-1706, 1709-33) verstrickte das Land in den Nord. Krieg, in dem Russland bereits als die ausschlaggebende Macht in P. auftrat. Sein Sohn August III. (1733-63) konnte sich im Poln. Thronfolgekrieg nur dank der russ. Hilfe gegen Stanislaus Leszczyński durchsetzen, und der letzte poln. König Stanislaus II. August Poniatowski (1764-95) musste sich der russ. Kaiserin Katharina II. beugen. Schließlich kam es zu den drei Teilungen P.s (1772, 1793 und 1795), wobei sich Russland (zu etwa 2/3 ), Preußen und Österreich (zu je etwa 1/6 ) des Landes bemächtigten. Noch am 3. 5. 1791 war eine demokrat. Verfassung (die erste geschriebene in Europa) verabschiedet worden. Ein nat. Aufstand 1794 unter der Führung T. Kościuszkos scheiterte an der russisch-preuß. Übermacht.Unter der Herrschaft der Teilungsmächte (1795-1918): Das 1807 durch Napoleon I. aus preuß. Teilungsgebieten errichtete Herzogtum Warschau wurde im Ergebnis des Wiener Kongresses (1814/15) um Posen und Krakau verkleinert und als Königreich P. (Kongress-P.) in Personalunion mit Russland vereinigt. Krakau erhielt den Status einer Freien Stadt (bis 1846); die Österreich zugesprochenen Gebiete wurden 1849 als Kronland Galizien reorganisiert. Alle Versuche zur Wiederherstellung des Nationalstaates (Novemberaufstand 1830/31, Aufstandsversuche in Galizien 1846 und Posen 1848, Januaraufstand 1863) wurden blutig niedergeschlagen. Kongress-P. sah sich einer heftigen Russifizierungspolitik ausgesetzt. Seitdem bewahrten die Polen hier und im österr. Galizien für lange Zeit ihre nat. Identität durch Pflege ihrer Sprache und Kultur.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs belebte die Hoffnung auf Wiederherstellung der Eigenstaatlichkeit (zunächst Proklamation eines poln. Königreichs ohne Territorialabgrenzung durch die Mittelmächte am 5. 11. 1916). Am 8. 1. 1918 forderte der amerikan. Präs. W. Wilson die Bildung eines unabhängigen poln. Staates mit einem Zugang zur See. Am 7. 10. 1918 rief der Regentschaftsrat die Unabhängigkeit P.s aus; Staatschef der Rep. P. war 1918-22 J. Piłsudski.Polen zw. den Weltkriegen (1918-39): Durch den Versailler Vertrag erhielt P. den größten Teil der Provinz Westpreußen (»Poln. Korridor«) und fast die ganze Provinz Posen. Danzig wurde Freie Stadt. Oberschlesien, wo trotz mehrerer poln. Aufstände die Abstimmung vom 20. 3. 1921 eine dt. Mehrheit ergab, wurde geteilt (Schlesien, Geschichte). Von Österreich erhielt P. Galizien; das Teschener Gebiet musste 1920 entlang der Olsa mit der Tschechoslowakei geteilt werden. Ein poln. Vorstoß auf Kiew (April/Mai 1920) löste den Polnisch-Sowjet. Krieg (1920/21) aus; die Gegenoffensive Sowjetrusslands scheiterte schließlich am poln. Sieg in der Schlacht bei Warschau (16. 8. 1920, »Wunder an der Weichsel«). Im Frieden von Riga (18. 3. 1921) wurde eine Grenze gezogen, die mehr als 200 km östlich der Curzon-Linie verlief. 1920 hatte P. zudem das Wilnagebiet annektiert. Die innere Konsolidierung (formal beendet mit Annahme der Verf. vom 17. 3. 1921) wurde erschwert durch die polit. Zersplitterung der Parteien, die wirtsch. Rückständigkeit, die in der Teilungszeit entstandenen unterschiedl. Wirtschafts-, Bildungs-, Justiz- und Verw.systeme sowie durch die Existenz starker nat. Minderheiten (31 % der Gesamtbev.). Außenpolitisch war P. in das frz. Allianzsystem einbezogen (Bündnis vom 19. 2. 1921). Die restriktive Politik gegenüber der dt. Minderheit, die dt. Weigerung, die neue dt. O-Grenze anzuerkennen, ein »Zollkrieg« um die oberschles. Kohle, andererseits der politisch-ideolog. Gegensatz zum Sowjetsystem schlossen eine Kooperation P.s mit seinen beiden größten Nachbarn aus.
Am 12. 5. 1926 übernahm Marschall Piłsudski in einem Staatsstreich die Macht (1926-28 und 1930 MinPräs., 1926-35 Kriegsmin.), errichtete unter formaler Beibehaltung von Verf. und Parlament ein autoritäres System und setzte 1935 eine autoritäre Präsidialverf. durch. Zur außenpolit. Absicherung wurden Nichtangriffsverträge mit der Sowjetunion (1932) und Dtl. (1934) abgeschlossen. Außenmin. J. Beck strebte den Aufstieg P.s zur ostmitteleurop. Führungsmacht im Rahmen eines »Dritten Europa« von der Ostsee bis zur Adria an.
Nach dem Tod Piłsudskis 1935 wurde das Militär unter Marschall E. Rydz-Śmigły staatsbestimmend. Die Verschärfung der Minderheitenpolitik, auch gegenüber der dt. Volksgruppe, engte die außenpolit. Manövrierfähigkeit ein. Im Okt. 1938 wurde die Tschechoslowakei zur Abtretung des Olsagebietes gezwungen. Der verstärkte außenpolit. Druck des Dt. Reiches 1938/39 (Forderung nach Angliederung Danzigs an Dtl. und nach Errichtung exterritorialer Verkehrswege durch den Poln. Korridor) veranlasste P. wieder zu engerer Anlehnung an die Westmächte. Die Kündigung des Dt.-Poln. Nichtangriffspakts durch Hitler (28. 4. 1939) hoffte P. durch die brit. Garantieerklärung (31. 3. 1939) und das polnisch-brit. Beistandsabkommen (25. 8. 1939) ausbalancieren zu können. Doch im Dt.-Sowjet. Nichtangriffspakt (»Hitler-Stalin-Pakt«) vom 23. 8. 1939 war in einer Geheimklausel u. a. die Aufteilung P.s vereinbart worden. Der dt. Angriff auf P. am 1. 9. 1939 löste den Zweiten Weltkrieg aus.Polen im Zweiten Weltkrieg: Das poln. Heer konnte sich nicht gegen die dt. Wehrmacht und die seit dem 17. 9. 1939 einrückende Rote Armee behaupten. Ein dt.-sowjet. Grenz- und Freundschaftsvertrag (28. 9. 1939) teilte P. entlang der Flüsse Narew, Bug und San in ein dt. und ein sowjet. Gebiet auf. Die v. a. von Ukrainern und Weißrussen bewohnten östl. Gebiete (200 280 km2 mit 13,5 Mio. Ew., darunter 3,5 Mio. Polen) wurden der Ukrain. SSR und der Weißruss. SSR eingegliedert (1940/41 Zwangsdeportation von weit über 1 Mio. Polen nach Zentralasien und Sibirien). West-P. (90 000 km2 mit 10 Mio. Ew.) wurde am 8. 10. 1939 dem Dt. Reich angeschlossen, der Rest am 26. 10. 1939 als Dt. Generalgouv. P. (98 000 km2 mit über 10 Mio. Ew.) organisiert, dem 1941 Galizien angegliedert wurde. Der nat.-soz. Terror nahm mit Zwangsverpflichtungen nach Dtl., Deportationen und der Ausrottung - anfangs der jüd., später auch anderer poln. Bev.teile - in den Konzentrations- und Vernichtungslagern immer größere Ausmaße an. 1939-45 kamen 6,03 Mio. Polen, unter ihnen rd. 3 Mio. Juden, ums Leben.
In Paris wurde 1939 unter General W. Sikorski eine Exilreg. gebildet, die eine Exilarmee aufstellte. Die von den Alliierten als Krieg führender Bundesgenosse anerkannte, nach der frz. Niederlage von London aus operierende Exilreg. schloss am 30. 7. 1941 ein Bündnis mit der Sowjetunion, das die Aufstellung einer poln. Armee aus 80 000 Kriegsgefangenen unter General W. Anders ermöglichte. Die Entdeckung der Massengräber poln. Offiziere bei Katyn im April 1943 führte jedoch zum Bruch mit der sowjet. Führung. Die Exilreg. wurde von Großbritannien zu einem Ausgleich mit der Sowjetunion gedrängt, lehnte aber die Anerkennung der Curzon-Linie (bei Inaussichtstellung einer Entschädigung mit dt. Gebieten östlich der Oder) ebenso ab wie eine kommunist. Reg.beteiligung im befreiten P. Mit den ab 1943 rekrutierten Einheiten unter General Z. Berling beteiligten sich die poln. Kommunisten an der Seite der Roten Armee an der militär. Befreiung P.s. 1939 waren erste Widerstandsorganisationen entstanden, die sich im Febr. 1942 mit einer der Londoner Exilreg. unterstellten »Armia Krajowa« (Abk. AK, dt. »Armee im Lande«) eine militär. Organisation schufen. Kommunist. Widerstandsgruppen wurden in der »Armia Ludowa« (Abk. AL, dt. »Volksarmee«) zusammengefasst. Ein Aufstand im Warschauer Getto 1943, der den Abtransport der Juden in die Vernichtungslager aufhalten sollte, wurde durch die dt. Besatzungsmacht blutig unterdrückt. Als im Juli 1944 die Rote Armee den Bug überschritt und das von prosowjet. Kräften gebildete »Lubliner Komitee« (eigtl. »Poln. Komitee der Nat. Befreiung«) eine kommunist. Verw. aufzubauen begann, löste die AK den Warschauer Aufstand (1. 8.-2. 10. 1944) aus, den die dt. Wehrmacht jedoch niederschlagen konnte. Das Lubliner Komitee (am 1. 1. 1945 in »Provisor. Reg.« umbenannt) übernahm in den von der Roten Armee freigekämpften poln. Gebieten die Reg.gewalt und mit sowjet. Unterstützung auch die Verw. in den dt. Ostgebieten. Mit dem Potsdamer Abkommen (2. 8. 1945) unterstellten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs die ehem. ostdt. Gebiete bis zur Oder und Neiße sowie das südl. Ostpreußen und Danzig poln. Verw. (vorbehaltlich einer endgültigen Regelung der W-Grenze in einem Friedensvertrag). Dafür musste P. auf das Gebiet östlich der Curzon-Linie (rd. 180 000 km2) zugunsten der UdSSR verzichten (fixiert im polnisch-sowjet. Abkommen vom 16. 8. 1945). Das poln. Staatsgebiet umfasste nunmehr rd. 313 000 km2. Mit der schon vor der Potsdamer Konferenz einsetzenden Vertreibung der Deutschen (Höhepunkt 1945/46) und der Zwangsumsiedlung der Polen aus den an die Sowjetunion gefallenen Ostgebieten kam es zu einer gewaltigen Bev.verschiebung..Nachkriegszeit (1945-52):Aus Vertretern der »Provisor. Reg.« und Exilpolitikern wurde am 28. 6. 1945 eine »Reg. der Nat. Einheit« gebildet, in der Kommunisten Schlüsselpositionen innehatten. Die Sowjetunion sicherte sich einen starken Einfluss auf P. u. a. durch den Abschluss eines Freundschafts- und Beistandsvertrags (21. 4. 1945). Mit Ausnahme der oppositionellen Poln. Bauernpartei (PSL) wurden alle Parteien in einem »Demokrat. Block« zusammengefasst, der von der kommunist. Poln. Arbeiterpartei (PPR) unter Gen.-Sekr. W. Gomułka beherrscht war und die Wahl zum Parlament (19. 1. 1947) für sich entschied. Mit der Annahme der »Kleinen Verf.« (19. 2. 1947) begann die offene Kursnahme auf die Errichtung einer Volksdemokratie. B. Bierut (Kommunist) wurde Staatspräs. (1947-52) und J. Cyrankiewicz (Sozialist) MinPräs. (1947-52, 1954-70). Nach dem Ausschluss Jugoslawiens aus dem »sozialist. Lager« (1948) wurden die poln. Nationalkommunisten als »Rechtsabweichler« aus führenden Positionen entfernt und verhaftet (u. a. Gomułka). 1948 fusionierten nach Säuberungen PPR und Sozialist. Partei (PPS) zur Vereinigten Poln. Arbeiterpartei (PZPR), deren Führung Bierut übernahm. Nach einer Bodenreform und der Verstaatlichung der Ind., der Banken und des Verkehrswesens in den ersten Nachkriegsjahren vollzog sich 1947 der Übergang zur zentralen Planwirtschaft. 1949 wurden in Landwirtschaft und Kleingewerbe Zwangskollektivierungen und Enteignungsmaßnahmen eingeleitet. Damit ging eine zunehmend verschärfte Reglementierung, bald eine offene Verfolgung der kath. Kirche einher. Die nach 1949 forcierte Industrialisierung brachte unter großem Konsumverzicht der Bev. eine völlige Umgestaltung der Wirtschaftsstruktur. Im Görlitzer Vertrag (6. 7. 1950) erkannte die DDR die Oder-Neiße-Linie an.Die Volksrepublik Polen (1952-89): Mit der volksdemokrat. Verf. vom 22. 7. 1952 nahm das Land offiziell die Staatsbez. »Volksrep. P.« an. Als Mitgl. des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (seit 1949) und des Warschauer Pakts (seit 1955) fügte sich P. in den Ostblock ein. Unter dem Eindruck der Entstalinisierung in der Sowjetunion kam es im Juni 1956 zum Posener Aufstand; im Okt. 1956 wurde Gomułka an die Spitze der PZPR zurückberufen. Bei fester Einbettung in das »sozialist. Lager« änderte er den polit. Kurs: Wiedereinführung der bäuerl. Privatwirtschaften, Fortsetzung der Industrialisierung unter Verstärkung des Konsumgütersektors, Begrenzung der sowjet. Stationierungstruppen und Entlassung der Berater (u. a. des als Verteidigungsmin. amtierenden sowjet. Marschalls K. K. Rokossowski), Normalisierung der Beziehungen zur kath. Kirche. Die poln. Beteiligung an der militär. Intervention in der ČSSR im Aug. 1968 sicherte Gomułka die Unterstützung der sowjet. Reg. bei der Zurückdrängung seiner Gegner im Innern (v. a. die nationalkommunistische Opposition um Innenmin. M. Moczar) und beim Abschluss des Dt.-Poln. Vertrages (7. 12. 1970).
Streiks und Arbeiterunruhen in den Küstenstädten führten im Dez. 1970 zur Entlassung Gomułkas und zur Machtübernahme durch E. Gierek, dem zus. mit MinPräs. P. Jaroszewicz in kurzer Zeit die polit. und wirtsch. Konsolidierung gelang (»poln. Wirtschaftswunder« bis 1973). 1972 übernahm H. Jabłonski das Amt des Staatsratsvors. (bis 1985). Nach erneuten Streiks und Arbeiterunruhen 1976 bildete sich das »Komitee zur Verteidigung der Arbeiter« (KOR). Die mit der Wahl des Krakauer Kardinals K. Wojtyła zum Papst (16. 10. 1978) Johannes Paul II. einsetzende religiöse Erneuerungsbewegung unterstützte die Forderung nach tief greifenden Reformen. Ausgelöst durch wirtsch. Schwierigkeiten (v. a. Missverhältnis zw. Kaufkraft und Warenangebot) kam es 1980 zu einer landesweiten Streikbewegung (Zentrum u. a. in Danzig); sie konnte nur durch Zulassung einer unabhängigen Gewerkschaft (am 17. 9. 1980 Gründung und am 10. 11. 1980 gerichtl. Bestätigung der Solidarność unter Führung L. Wałęsas) und durch weitere Zugeständnisse (Danziger Abkommen vom 31. 8. 1980) beendet werden. Gierek wurde als 1. Sekretär der PZPR Anfang Sept. 1980 durch S. Kania ersetzt. Im Febr. 1981 übernahm General W. Jaruzelski das Amt des MinPräs., im Okt. 1981 auch das des Parteichefs. Die sich rapide zuspitzende innenpolit. und wirtsch. Situation sowie die sich abzeichnende Möglichkeit einer sowjet. Intervention veranlassten ihn zur Verhängung des Kriegsrechts (13. 12. 1981); ein »Militärrat der Nat. Rettung« unter seinem Vorsitz übernahm die Macht. Streiks wurden untersagt, viele Gewerkschaftsaktivisten und Intellektuelle interniert. Anfängl. Widerstand in den Betrieben wurde gewaltsam unterdrückt, die Gewerkschaft im Okt. 1982 endgültig verboten. Nach Aufhebung des Kriegsrechts (22. 7. 1983) wurden zwar fast alle Internierten freigelassen, doch blieben zahlr. Beschränkungen (einschl. des Verbots der »Solidarność«) aufrechterhalten. Die Ermordung des Priesters J. Popiełuszko (1984) löste neue Spannungen aus. Zur Überwindung wirtsch. Schwierigkeiten legte die Reg. ein Reformprogramm vor, das in einem Referendum im Nov. 1987 abgelehnt wurde. Da es den Reg. Z. Messner (1985-88) und M. Rakowski (1988/89) nicht gelang, die innenpolit. Krise zu überwinden (ab Aug. 1988 erneut landesweite Streiks), wurden Anfang Febr. 1989 Gespräche mit der Opposition am »Runden Tisch« aufgenommen. Ergebnisse waren u. a. die Wiederzulassung von »Solidarność« und die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer. Die Parlamentswahlen im Juni 1989 brachten einen überwältigenden Sieg der Opposition; das Bürgerkomitee »Solidarność« erhielt im Sejm alle 161 der Opposition zugestandenen Sitze, in der 2. Kammer 99 von 100 Sitzen. Der seit 1985 als Vors. des Staatsrats amtierende Jaruzelski wurde am 19. 7. 1989 zum Staatspräs. gewählt (im Amt bis Dez. 1990). Am 24. 8. 1989 wurde der Oppositionspolitiker T. Mazowiecki Reg.chef. Republik Polen (seit 1989): Im Rahmen der im Dez. 1989 verabschiedeten Verf.änderungen wurde die Staatsbez. »Rep. P.« wieder eingeführt. 1990 löste sich die PZPR auf, ein Teil ihrer Mitgl. gründete die »Sozialdemokratie der Rep. P.«. Im Dez. 1990 wurde Wałęsa zum Staatspräs. gewählt (Rücktritt als Vors. der Gewerkschaft »Solidarność«). MinPräs. J. K. Bielecki (Jan.-Dez. 1991) setzte den marktwirtsch. orientierten Reformkurs fort. Mit den wachsenden wirtsch.-sozialen Problemen bei der Umsetzung der Reg.politik büßte auch die »Solidarność«-Bewegung, die seit ihrer Einbindung in die Reg.verantwortung politisch zersplitterte, an Popularität und Einfluss ein. Die Parlamentswahlen im Okt. 1991 erbrachten keine klare Mehrheit; MinPräs. einer Mehrparteienkoalition wurde J. Olszewski, der das Tempo der marktwirtsch. Reformen zu drosseln suchte.
Nach der Abberufung Olszewskis (Juni 1992) führte Hanna Suchocka (Demokrat. Union) von Juli 1992 bis Mai 1993 als MinPräs. eine Koalitionsreg. von sieben aus der Gewerkschaft »Solidarność« hervorgegangenen Parteien. Ein Reg.programm zur »Allg. Privatisierung« (Privatisierung von rd. 600 Staatsbetrieben, Ausgabe von Volksaktien) wurde Ende April 1993 vom Sejm gebilligt. Das Abtreibungs-Ges. polarisierte die Gesellschaft und setzte die Reg.koalition einer Zerreißprobe aus. Nach vorgezogenen Neuwahlen im Sept. 1993, bei denen v. a. das Linksbündnis SLD und die Poln. Bauernpartei (PSL) Stimmengewinne zu verzeichnen hatten, wurden Korrekturen an dem prinzipiell befürworteten marktwirtschaftl. Kurs gefordert. Bei den Präsidentenwahlen setzte sich im Nov. 1995 A. Kwaśniewski, der Kandidat der Linksallianz, gegen den amtierenden Präs. L. Wałęsa durch, sah sich jedoch im Ergebnis der Wahlen von Sept. 1997 (Sieg der Wahlaktion der Solidarność) im Sejm einer liberal-konservativen Mehrheit gegenübergestellt (MinPräs. J. Buzek, seit Okt. 1997).
Im Juli 1997 traten die Flüsse Oder, Neiße und Weichsel nach lang anhaltenden Regenfällen (v. a. in der Slowak. Rep.) über die Ufer und verursachten schwerste Landschafts-, Umwelt- und Gebäudeschäden (geschätzter Schadensumfang 1,8 Mrd. DM).In seiner Außenpolitik schloss P. im Nov. 1990 mit Dtl. einen Grenzvertrag (Festlegung der Oder-Neiße-Linie als endgültige dt.-poln. Grenze), im Juni 1991 einen Nachbarschaftsvertrag. 1991 wurde P. Vollmitgl. des Europarates und unterzeichnete im selben Jahr mit der EU ein Assoziierungsabkommen. Zugleich bemühte sich die poln. Diplomatie um eine aktive Nachbarschaftspolitik (Visegrád-Allianz, Visegrád). In der außen- und sicherheitspolit. Konzeption gewann die Gestaltung einer frz.-dt.-poln. »Achse« eine Schlüsselstellung. Neben dem vorrangigen Ziel seiner vollständigen Westintegration sucht P. gutnachbarl. Beziehungen zu seinen östl. Nachbarn (v. a. zu Russland). 1994 stellte die poln. Regierung den Antrag auf Aufnahme in die EU und unterzeichnete das NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden«; am 12. 3. 1999 wurde P. Mitgl. der NATO.
▣ Literatur:
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