Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Platon
Platon(lat. Plato), grch. Philosoph, * Athen 427 v. Chr., ✝ ebd. 348/347 v. Chr.; gründete in Athen zw. 387 und 385 die Akademie. Seine Philosophie ist entscheidend geprägt von seinem Lehrer Sokrates, von Euklid und den Pythagoreern beeinflusst; sie nimmt die Form des sokrat., stufenweise zur Erkenntnis führenden Dialogs auf. Kernstück seiner Philosophie ist die Ideenlehre: Die Ideen sind die Urgestalten (»eidos«) der sinnlich erfahrbaren Dinge, ihr Seins- und Erkenntnisgrund. Sie sind unveränderlich und ewig; ihre denkende Erfassung ist nicht Erfahrung, sondern »Erinnerung« (Anamnesis), da die Seele aus den sinnl. Gegebenheiten als solchen keine Wesenserkenntnis schöpfen kann. Die der sinnl. Erfahrung zugängl. Dinge sind in ihrem Sein durch die »Teilhabe« an den Ideen konstituiert; sie sind deren Abbilder oder »Schatten«. Von ihnen gibt es daher kein strenges Wissen, sondern nur ein »Meinen«. Die Ideen ihrerseits stehen zueinander ebenfalls in einem Verhältnis der Teilhabe und bilden in der Idee des Guten als des obersten Prinzips eine Sinneinheit. Von der Dialektik als Instrument seines Denkens unterscheidet P. den Mythos als gestalthafte Erfassungsweise. - Als Ziel seiner Ethik bestimmt P. das gute Leben und die Glückseligkeit, die ihre Erfüllung und geistige Voraussetzung in der Erkenntnis der Ideen und der Idee des Guten haben. Um den Weg zum Guten, dem göttl. Weltprinzip, offen zu halten, soll in der Seele die Vernunft über das Muthafte und das Begehren herrschen. Dann ergibt sich als ihre rechte Ordnung die Grundtugend der Gerechtigkeit. - Entsprechend den drei Seelenteilen soll der für P. ideale Staat, dargestellt in der »Politeia«, aufgebaut sein: Über den erwerbenden Stand erhebt sich der Kriegerstand. Aus ihm werden durch Bewährung die Herrscher ausgewählt, die, in der Ideenschau lebend, den Staat regieren. - Im Einzelnen bildete P.s Philosophie die Grundlage des metaphys. und ethischen Idealismus, der zunächst in der Akademie (bis 529 n. Chr.) weiterentwickelt und später von der neuplaton. Geisteshaltung (Neuplatonismus) durchdrungen wurde. Unter den Kirchenvätern waren viele, bes. Augustinus, von P. beeinflusst. Schon hier, bes. aber in der Scholastik sowie in der jüd. und arab. Philosophie, flossen platon. Gedanken mit neuplaton. zusammen. 1428 kam der vollständige grch. Text der Werke P.s von Konstantinopel nach Venedig. Von der Platon. Akademie in Florenz (gegr. 1459) aus verbreitete sich der Platonismus über ganz Europa, eine eigtl. platon. Schule bildete sich jedoch nur in England (Cambridger Schule, englische Philosophie). Der Dt. Idealismus des 19. Jh. brachte eine Neubelebung der platon. und neuplaton. Denkrichtung (Hegel). In neuerer Zeit zeigte sich ein tief greifender Einfluss P.s in der Phänomenologie E. Husserls und in der Wertphilosophie.Von P. sind zahlr. Dialoge und Briefe erhalten: 1. in der (»sokrat.«) Periode: Apologie (Verteidigungsrede des Sokrates), Kriton (über den Gesetzesgehorsam), Laches (über die Tapferkeit), Euthyphron (über die Frömmigkeit), Protagoras (über die Lehrbarkeit der Tugend), Gorgias (gegen die Sophisten); 2. (mittlere) Periode: Menon (Anamnesislehre), Phaidon (über die Unsterblichkeit der Seele), Phaidros und Symposion (über den Eros), Politeia (über den Idealstaat); 3. Periode (Alterswerk): Parmenides (die Ideenlehre), Theaitetos (Erkenntnislehre), Sophistes (Metaphysik), Politikos (über den philosophisch gebildeten Staatsmann), Philebos (Kritik des Hedonismus), Timaios (Naturphilosophie), die Gesetze (»Nomoi«, Staatslehre) u. a.
Literatur:
Gadamer, H.-G.: P.s dialekt. Ethik. Neuausg. Hamburg 1983.
Jaspers, K.: Plato. München 31985.
Szlezák, T. A.: P. u. die Schriftlichkeit der Philosophie. Berlin u. a. 1985.
Bormann, K.: P. Freiburg im Breisgau u. a. 21987.
Findlay, J. N.: Plato u. der P. Eine Einführung. A. d. Amerikan. Königstein im Taunus 21994.
Zehnpfennig, B.: P. zur Einführung. Hamburg 1997.
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