Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Pietismus
Pi|etịsmus[lat. pietas »Frömmigkeit«] der, Ende des 17. Jh. entstandene Bewegung des Protestantismus, die eine geistl. Erneuerung der Kirche zum Ziel hatte. Gegen die einseitig auf die Lehre ausgerichtete evang. Theologie betonte der P. das Ideal eines an der Bibel orientierten prakt. Christentums, das sich in lebendiger (Christus-)Frömmigkeit und tätiger Nächstenliebe äußert und seine Grundlagen im regelmäßigen Bibelstudium und der individuellen »Wiedergeburt« (Bekehrung) hat. Begründer des luth. P. ist P. J. Spener, der mit seiner theolog. Hauptschrift »Pia desideria« (»Fromme Bitten«; 1675) das Programm des P. und mit den von ihm ins Leben gerufenen Collegia pietatis (zuerst 1670 in Frankfurt am Main) die für den P. charakterist. Versammlungsform schuf. Die Anhänger wurden spöttisch Pietisten (Frömmler) genannt. Zentren des P. bestanden in Halle (A. H. Francke), Württemberg (J. Bengel, * 1687, ✝ 1752; F. C. Oetinger, * 1702, ✝ 1782) und am Niederrhein (G. Tersteegen); maßgeblich von ihm beeinflusst war N. L. Graf von Zinzendorf. Der P. prägte nachhaltig die gesellschaftl., polit. und pädagog. Entwicklung, wirkte auf die dt. Literatur (Empfindsamkeit) des 18. Jh.; im 19. Jh. fand er seine Fortsetzung in den Erweckungsbewegungen und wird heute v. a. durch die Gemeinschaftsbewegung repräsentiert.
Literatur:
Scharfe, M.: Die Religion des Volkes. Kleine Kultur- u. Sozialgeschichte des P. Gütersloh 1980.
Schmidt, Martin: P. Stuttgart u. a. 31983.
Gesch. des P., hg. v. M. Brecht u. a., auf 4 Bde. ber. Göttingen1993 ff.
Jung, M. H.: Frauen des P. Gütersloh 1998.
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