Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Philosophie
Philosophie[grch. »Liebe zur Weisheit«] die, nach der Auffassung von Sokrates und Platon das Streben nach Weisheit. Inhalt bildet die systemat. Beschäftigung mit den Grundfragen: Was ist der Grund und Ursprung der Dinge? (Vorsokratiker) - Was bin ich? (Sokrates) - Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen? (I. Kant). Die P. richtet sich auf das Ganze der Wirklichkeit und seine Grundbestimmungen, während sich die Einzelwiss., die urspr. zur P. gehörten, mit der Erforschung der Gesetzmäßigkeiten bestimmter, umgrenzter Gegenstandsbereiche befassen.Systematik: Platons Unterscheidung von Logik, Ethik und Ästhetik wirkte lange nach. Die Systematik des Aristoteles umfasste theoret. P. (Metaphysik, Mathematik, Physik), prakt. P. (Ethik, Ökonomik, Politik) und Schaffenswissenschaften (Poetik, Rhetorik). In der Scholastik gliederte sich P. in Metaphysik (Ontologie und Theologie), Physik (Kosmologie und Psychologie) und Ethik (Politik). Die in der akadem. P. seit dem 18. Jh. gültige Einteilung war die in Metaphysik (oder Ontologie), Logik, Ethik, Ästhetik, Erkenntnistheorie (und Psychologie); sie wird z. T. noch heute aufrechterhalten. Daneben trat eine Reihe von Sonderdisziplinen in Erscheinung, wie Rechts-P., Geschichts-P., Sprach-P., Sozial-P., Kultur- und Religions-P. sowie die Wiss.theorie. Die Ausgliederung der Naturwiss. aus der P. zog sich bis ins 17. und 18. Jh. hin; Kunstwiss., Psychologie, Pädagogik, Soziologie und andere Geisteswiss. wurden im 18. und 19. Jh. unabhängige Disziplinen. Geschichte: Ohne Verbindung mit der abendländ. P. entwickelten sich die ind. P. (indische Philosophie und Religion) und die chinesische Philosophie, mit später mannigfachen Wechselwirkungen zu ihnen die japanische Philosophie. Die abendländ. P. hat ihren Ursprung in der griechischen Philosophie (seit 600 v. Chr.). Seit den ersten christl. Jahrhunderten erfolgte eine Verschmelzung antiken Denkens mit Inhalten christl. Glaubens; einen Höhepunkt bildete die Scholastik. Die arabische P. (arabische Wissenschaft; islamische Philosophie) und die jüdische Philosophie hatten seit dem 12. und 13. Jh. zeitweise bed. Einfluss. Seit der Renaissance entfaltete sich die abendländ. P. in sachlich abgrenzbaren Richtungen wie Rationalismus und Empirismus, Idealismus und Materialismus und in räumlich-national beschreibbaren Beiträgen (deutsche Philosophie, englische Philosophie, französische Philosophie, russische Philosophie, amerikanische P. [Vereinigte Staaten von Amerika, Philosophie; lateinamerikanische Philosophie] u. a.). Die P. des 20. Jh. gliedert sich in vielfältige Strömungen, v. a. Phänomenologie, Existenzphilosophie und Hermeneutik; Positivismus und Neopositivismus, Pragmatismus und kritischer Rationalismus, außerdem die kritische Theorie der Frankfurter Schule, Strukturalismus und Sprachphilosophie. Einen breiten Raum nehmen Wissenschaftstheorie und Ethik (prakt. P.) ein. Die feminist. P. beschäftigt sich mit der Leistung von Frauen im Rahmen der Wissenschafts- und Philosophiegeschichte und setzt sich kritisch mit den weitgehend von Männern geprägten Denktraditionen und -mustern auseinander.
Literatur:
Hirschberger, J.: Geschichte der P., 2 Bde. Sonderausg. Freiburg im Breisgau u. a. 13-141987-88, Nachdr. ebd. 1996.
Stegmüller, W.: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, 4 Bde. Stuttgart 1-8 1987-89.
Heidegger, M.: Was ist das - die P.? Pfullingen 101992.
Jaspers, K.: Einführung in die P. München u. a. 301992.
P. im 20. Jh., hg. v. A. Hügli u. P. Lübcke, 2 Bde. Reinbek 1993-94.
Durozoi, G. u. Roussel, A.: Dictionnaire de philosophie. Paris 1997.
Aster, E. von: Geschichte der P. Stuttgart 181998.
Helferich, C.: Geschichte der P. München 1998.
Philosophische Disziplinen. Ein Handbuch, hg. v. A. Pieper. Leipzig 1998.
P. der Gegenwart. In Einzeldarstellungen, hg. v. J. Nida-Rümelin. Stuttgart 21999.
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