Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Pferde
Pferde [von mlat. paraveredus »Postpferd«] (Einhufer, Equidae), Familie der Unpaarhufer mit nur einer Gattung (Equus), zu der Esel, Halbesel, Zebras und das Prschewalskipferd gehören (die wildpferdeähnl. Rassen Dülmener und Mustangs haben zu den echten Wild-P. keine direkte Beziehung; es sind verwilderte oder ständig in freier Wildbahn lebende Hauspferderassen). Die P. treten nur mit der Spitze der mit einem breiten Huf bekleideten Mittelzehe (3. Zehe) auf. Die 2. und 4. Mittelfußknochen sind zu schmalen Stäben verkümmert (Griffelbeine). Von den übrigen Mitgl. der Familie Equidae unterscheiden sich die (vermutlich) vom Prschewalskipferd (Wild-P.) abstammenden Haus-P. (P. i. e. S.) durch kurze Ohren, Hornwarzen an allen vier Beinen, durch den behaarten Schweif und das Wiehern. - Die P. haben sich vor rd. 60 Mio. Jahren aus einer etwa fuchsgroßen Stammform Hyracotherium in Amerika entwickelt. Sie waren zunächst waldbewohnende Laubfresser und wurden später Grasfresser in offenen Landschaften. Vor rd. 2,5 Mio. Jahren (Ende des Pliozäns) gelangte ein Seitenzweig nach Asien, während in Amerika alle P. nach der Eiszeit ausstarben. Mit den span. Eroberern kamen die P. dann wieder nach Amerika.Hauspferde: Die P. i. e. S. sind hochbeinige Lauf- und Fluchttiere. Sie ernähren sich von Pflanzen; ihr Verdauungstrakt ist auf die ursprüngl. Steppenheimat abgestimmt, wo zur Futtersuche täglich weite Strecken zurückgelegt werden müssen, wobei kontinuierlich kleine Mengen schwer verdaul. Futters aufgenommen werden. Die Schneidezähne der P. tragen eine tütenartige Schmelzeinstülpung (Bohne), die Eckzähne sind nur beim Hengst erhalten, die Backenzähne besitzen Schmelzfalten. Die Abnutzung des Gebisses ermöglicht eine Altersbestimmung; P. können bis zu 40 Jahre alt werden, im Mittel sind es 16-18 Jahre. - Das männl. P. heißt Hengst (kastriert Wallach), das weibl. Stute, das junge Fohlen. Die Geschlechtsreife tritt mit ca. 18 Monaten ein; zuchtreif ist ein Haus-P. je nach Rasse allerdings frühestens mit 24-30 Monaten. Die Brunst der Stuten (Rosse) dauert zw. 3 und 15 (selten 30) Tage. Die Trächtigkeitsdauer liegt zw. 320 und 336 (bis 360) Tagen. Einzelgeburten sind beim P. die Regel; Zwillingsgeburten sind selten. Das Fohlen saugt zw. vier und fünf Monate bei der Mutter; dann wird es abgesetzt. Die Aufzucht der Fohlen und Jung-P. erfolgt meist in Gruppen. Die Ausbildung zum Renn-, Reit-, Wagen- oder Zugpferd beginnt zw. dem 2. und 4. Lebensjahr.
Die Größe der Hauspferderassen variiert zw. 180 cm Widerristhöhe (Stockmaß), z. B. beim engl. Shire Horse, und 71 cm, z. B. beim argentin. Falabella. Nach Fell- und Langhaarfarbe unterscheidet man Braune (hell- bis dunkelbraunes Fell, schwarzes Langhaar und schwarze Füße), Füchse (rotbraunes Fell und ebensolches Langhaar, in stark variierender Schattierung vom hellen Lehmfuchs bis zum fast schwarzen Kohlfuchs), Rappen (schwarzes Fell und schwarzes Langhaar) sowie Schimmel (weißes Fell, weißes Langhaar, dunkle Augen); besondere Farbschläge sind Isabellen und Falben. Einzelne weiße Haare im Fell bezeichnet man als Stichelhaare; treten sie vermehrt auf, heißen die P. Rotschimmel, Rappschimmel oder Apfelschimmel. Vielfach weisen die P. auch mehr oder weniger große weiße Abzeichen im Fell auf, meist auf dem Nasenrücken (z. B. Blesse) oder an den Füßen. P. mit weißer Grundfarbe und unregelmäßig geformten braunen und/oder schwarzen Flecken auf dem Körper heißen Schecken. - Aufgrund des Temperamentes und der Körperform erfolgt eine Einteilung in Vollblut-, Warmblut- und Kaltblutpferde. Zu den temperamentvollen und leicht gebauten Vollblut-P. gehören das Arab. und Engl. Vollblut sowie die Traber; es sind in erster Linie Sportpferde. Unter dem Begriff Warmblut-P. sind alle Rassen zusammengefasst, die sich als Reit- und Wagen-P. sowie für den leichten Zug eignen; hier wird noch zw. Edlem Warmblut und Schwerem Warmblut unterschieden. Das Kaltblut-P. ist ein auf Masse und Starkknochigkeit für den schweren Zug gezüchteter frühreifer Typ mit ruhigem Temperament. Wirtschaftliches: Der Bestand betrug (1996) in Dtl. rund 652 000. Als Hauptmängel im P.-Handel gelten: Rotz, Dummkoller, Dämpfigkeit, Kehlkopfpfeifen, period. Augenentzündung (Mondblindheit), Koppen.
Recht: Für Reiter und Führer von P. gelten die für den Fahrverkehr bestehenden Verkehrsregeln sinngemäß (§ 28 StVO). Für Schäden, die durch P. verursacht werden, haftet der Tierhalter nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung, §§ 833 ff. BGB.Kulturgeschichte: Die Domestikation des vorher nur gejagten Wild-P. setzte in N- und W-Europa im 4. Jt. v. Chr. ein. Spätneolith. Domestikationszentren befanden sich im S Sibiriens, im Altai- und Sajangebirge sowie in Zentralasien. Um die Mitte des 2. vorchristl. Jt. sind P. als Last-, Reit- und Opfertiere in Indien und China bekannt. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Reiterbilder (u. a. Ritzzeichnungen auf Knochen). Aus dem Zweistromland stammt die älteste schriftl. Urkunde über die Existenz von P. (um 2000 v. Chr.). Nach Ägypten kamen die P. im 17. Jh. v. Chr. In Griechenland spielte die Reiterei nur eine geringe Rolle. Auch die Römer erkannten erst spät die Bedeutung eines schlagkräftigen Reiterheeres. - Das P. hatte in vielen, bes. den indoeurop. Religionen große Bedeutung. Es galt als Amme des Menschen (man trank Stutenmilch und daraus hergestellten Kumys) und wurde oft zum Träger der Seelen Verstorbener. Als wertvollster Besitz wurde es den Toten ins Grab mitgegeben. Viele Götter wurden beritten, andere in P.-Gestalt dargestellt. Sowohl bei den Sumerern (Schamasch) als auch bei den Iraniern (Mithra), Griechen (Helios) und Römern (Sol) fuhr der Sonnengott vierspännig über den Himmel, den Wagen des Hindu-Sonnengottes Surya zogen sieben Pferde. P.-Opfer sind für viele Völker bezeugt. P.-Schädel wurden in Bäumen und an Giebeln aufgehängt, u. a. als Schutz gegen Dämonen.
▣ Literatur:
Blendinger, W.: Psychologie u. Verhaltensweise des P. Berlin u. a. 51988.
⃟ Schäfer, M.: Die Sprache des P. Lebensweise, Verhalten, Ausdrucksformen. Neuausg. Stuttgart 1993.
⃟ Buurman-Paul, U. u. Paul, W.: Moderne Pferdezucht u. Haltung. Vererbung, Trächtigkeit, Geburt u. Aufzucht. München u. a. 51994.
⃟ Straiton, E. C.: Pferdekrankheiten erkennen u. behandeln. A. d. Engl. München u. a. 111995.
⃟ Kapitzke, G.: Das Pferd von A - Z. München 51999.
Die Größe der Hauspferderassen variiert zw. 180 cm Widerristhöhe (Stockmaß), z. B. beim engl. Shire Horse, und 71 cm, z. B. beim argentin. Falabella. Nach Fell- und Langhaarfarbe unterscheidet man Braune (hell- bis dunkelbraunes Fell, schwarzes Langhaar und schwarze Füße), Füchse (rotbraunes Fell und ebensolches Langhaar, in stark variierender Schattierung vom hellen Lehmfuchs bis zum fast schwarzen Kohlfuchs), Rappen (schwarzes Fell und schwarzes Langhaar) sowie Schimmel (weißes Fell, weißes Langhaar, dunkle Augen); besondere Farbschläge sind Isabellen und Falben. Einzelne weiße Haare im Fell bezeichnet man als Stichelhaare; treten sie vermehrt auf, heißen die P. Rotschimmel, Rappschimmel oder Apfelschimmel. Vielfach weisen die P. auch mehr oder weniger große weiße Abzeichen im Fell auf, meist auf dem Nasenrücken (z. B. Blesse) oder an den Füßen. P. mit weißer Grundfarbe und unregelmäßig geformten braunen und/oder schwarzen Flecken auf dem Körper heißen Schecken. - Aufgrund des Temperamentes und der Körperform erfolgt eine Einteilung in Vollblut-, Warmblut- und Kaltblutpferde. Zu den temperamentvollen und leicht gebauten Vollblut-P. gehören das Arab. und Engl. Vollblut sowie die Traber; es sind in erster Linie Sportpferde. Unter dem Begriff Warmblut-P. sind alle Rassen zusammengefasst, die sich als Reit- und Wagen-P. sowie für den leichten Zug eignen; hier wird noch zw. Edlem Warmblut und Schwerem Warmblut unterschieden. Das Kaltblut-P. ist ein auf Masse und Starkknochigkeit für den schweren Zug gezüchteter frühreifer Typ mit ruhigem Temperament. Wirtschaftliches: Der Bestand betrug (1996) in Dtl. rund 652 000. Als Hauptmängel im P.-Handel gelten: Rotz, Dummkoller, Dämpfigkeit, Kehlkopfpfeifen, period. Augenentzündung (Mondblindheit), Koppen.
Recht: Für Reiter und Führer von P. gelten die für den Fahrverkehr bestehenden Verkehrsregeln sinngemäß (§ 28 StVO). Für Schäden, die durch P. verursacht werden, haftet der Tierhalter nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung, §§ 833 ff. BGB.Kulturgeschichte: Die Domestikation des vorher nur gejagten Wild-P. setzte in N- und W-Europa im 4. Jt. v. Chr. ein. Spätneolith. Domestikationszentren befanden sich im S Sibiriens, im Altai- und Sajangebirge sowie in Zentralasien. Um die Mitte des 2. vorchristl. Jt. sind P. als Last-, Reit- und Opfertiere in Indien und China bekannt. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Reiterbilder (u. a. Ritzzeichnungen auf Knochen). Aus dem Zweistromland stammt die älteste schriftl. Urkunde über die Existenz von P. (um 2000 v. Chr.). Nach Ägypten kamen die P. im 17. Jh. v. Chr. In Griechenland spielte die Reiterei nur eine geringe Rolle. Auch die Römer erkannten erst spät die Bedeutung eines schlagkräftigen Reiterheeres. - Das P. hatte in vielen, bes. den indoeurop. Religionen große Bedeutung. Es galt als Amme des Menschen (man trank Stutenmilch und daraus hergestellten Kumys) und wurde oft zum Träger der Seelen Verstorbener. Als wertvollster Besitz wurde es den Toten ins Grab mitgegeben. Viele Götter wurden beritten, andere in P.-Gestalt dargestellt. Sowohl bei den Sumerern (Schamasch) als auch bei den Iraniern (Mithra), Griechen (Helios) und Römern (Sol) fuhr der Sonnengott vierspännig über den Himmel, den Wagen des Hindu-Sonnengottes Surya zogen sieben Pferde. P.-Opfer sind für viele Völker bezeugt. P.-Schädel wurden in Bäumen und an Giebeln aufgehängt, u. a. als Schutz gegen Dämonen.
▣ Literatur:
Blendinger, W.: Psychologie u. Verhaltensweise des P. Berlin u. a. 51988.
⃟ Schäfer, M.: Die Sprache des P. Lebensweise, Verhalten, Ausdrucksformen. Neuausg. Stuttgart 1993.
⃟ Buurman-Paul, U. u. Paul, W.: Moderne Pferdezucht u. Haltung. Vererbung, Trächtigkeit, Geburt u. Aufzucht. München u. a. 51994.
⃟ Straiton, E. C.: Pferdekrankheiten erkennen u. behandeln. A. d. Engl. München u. a. 111995.
⃟ Kapitzke, G.: Das Pferd von A - Z. München 51999.