Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Peru
Peru Fläche: 1 285 216 km2
Einwohner: (1995) 23,78 Mio.
Hauptstadt: Lima
Verwaltungsgliederung: 24 Departamentos und die Provincia Constitucional Callao
Amtssprachen: Spanisch, Ketschua, Aimara
Nationalfeiertag: 28. 7.
Währung: 1 Neuer Sol (S/.) = 100 Céntimos
Zeitzone: MEZ — 6 Std.
(amtlich span. República del Perú), Staat im W Südamerikas, grenzt im N an Ecuador und Kolumbien, im O an Brasilien, im SO an Bolivien, im S an Chile, im W an den Pazifik.
Staat und Recht: Nach der am 29. 12. 1993 in Kraft getretenen Verf. ist P. eine präsidiale Rep. Staatsoberhaupt ist der mit weitgehenden Vollmachten ausgestattete Präs. (auf fünf Jahre direkt gewählt; eine Wiederwahl möglich). Er ernennt den MinPräs. und die übrigen Mitgl. des Kabinetts. Die Legislative wird durch das Parlament (120 Abg., auf fünf Jahre gewählt) ausgeübt. Einflussreichste Parteien: Cambio 90 - Nuevo Mayoría (C90 - NM), Unión por la Perú (UP), Frente Independiente Moralizador (FIM), Coordinación Democrática - Perú País Posible (CODE - PP).
Landesnatur: P. gliedert sich in drei Großlandschaften: die flache, 50-140 km breite Küstenzone am Pazifik (Costa), das von Hochbecken erfüllte Gebirgsland (Sierra) der Anden (höchster Berg: Huascarán, 6 768 m ü. M.) und das östl., feuchtheiße, bes. im Amazonasbecken weithin unerschlossene Waldland (an den Gebirgsflanken Montaña, in der Ebene Selva gen.). Die wasserreichen Flüsse (Marañón, Ucayali u. a.) fließen in den Anden in schluchtartigen Tälern zum Amazonassystem; im SO, im zentralen Hochland (Altiplano), hat P. Anteil am Titicacasee. Das trop. Klima wird an der Küste von dem kühlen Humboldtstrom beeinflusst. Die Küstenebene ist wüstenhaft trocken, mit Kakteen und Dornensträuchern, unterbrochen von Flussoasen. Die Waldgrenze reicht in den Bergen bis 3 500 m ü. M., Ackerbau ist bis 4 000 m ü. M. möglich; die Schneegrenze liegt bei 5 000 m ü. M.
Bevölkerung: Die Bev. besteht zu rd. 47 % aus Ketschua, 32 % Mestizen, 12 % Weißen, 5,4 % Aimara, 1,7 % anderen Indianern sowie Schwarzen, Mulatten und Ostasiaten. Etwa 50 % der Bev. leben in der Costa, 39 % in der Sierra, 10 % in der Selva (auf zwei Drittel der Gesamtfläche). Im Ballungsraum Lima (mit großen Slumgebieten) wohnen 27 % der Gesamtbevölkerung. Das jährl. Wachstum der Bev. betrug 1985-93 2,1 %. - Trotz Schulpflicht (7.-15. Lebensjahr) besucht etwa ein Viertel der Kinder keine Schule; die Analphabetenquote liegt bei 15 %. Von den 51 Univ. und Hochschulen ist die staatl. Univ. in Lima die älteste P.s und zugleich des amerikan. Festlands überhaupt (1551 gegr.). - Der Katholizismus ist Staatsreligion (96 % der Bevölkerung).
Wirtschaft, Verkehr: Trotz umfangreicher Rohstoffvorkommen und relativ günstiger Voraussetzungen für die Landwirtschaft befindet sich die peruan. Wirtschaft seit den 1970er-Jahren in einer Krise. Nach anfänglich hohem Wirtschaftswachstum Mitte der 1980er-Jahre führte dessen starkes Absinken seit 1988 zu großen Handelsbilanzdefiziten des ehem. Agrarlandes und steigender Inflation. Hauptdevisenträger des hoch verschuldeten Staates ist der Bergbau (einschl. des Erdölsektors). Der seit 1970 staatlich kontrollierte Erzabbau (v. a. Kupfer, Blei, Silber) und die 1968 verstaatlichte Erdölförderung (große Erdölvorkommen im N des Amazonastieflandes; seit 1977 852 km lange Pipeline zur Küste) erbringen etwa die Hälfte der Exporterlöse. Weitere wichtige Bodenschätze sind Eisen-, Zinkerz, Gold, Wismut, Molybdän, Wolfram, Zinn und Quecksilber. An der Küste und auf den ihr vorgelagerten Inseln werden Salz und Guano gewonnen. Fischfang und -verarbeitung zählen zu den Hauptwirtschaftszweigen des Landes. Der nährstoffreiche Humboldtstrom vor der peruan. Küste bedingt den Fischreichtum der Gewässer. Die Fischereischutzzone wurde bereits 1969 auf 200 Seemeilen ausgedehnt. Infolge der Überfischung der Anchovisbestände ist die Bedeutung P. als Fischmehlexporteur zurückgegangen. Wichtigste Ind.zweige sind die Textil-, Nahrungsmittel-, Chemie- und Metallind. mit den Hauptstandorten Lima-Callao, Chimbote, Chiclayo und Trujillo. Die Agrarreform von 1969 begrenzte privaten Grundbesitz auf 150 ha an der Küste und 60 ha (bzw. 30-35 ha) im Hochland. In den Tälern der Costa werden Baumwolle, Zuckerrohr, Reis, Mais, Gemüse, Tabak und Wein angebaut; auf den Hochflächen der Anden Viehhaltung, in den Tälern v. a. Ackerbau, z. T. illegaler Kokaanbau auf 200 000 ha. Der Kokainumsatz übertrifft wertmäßig die legalen Exporteinkünfte. Außer Holz werden Naturkautschuk und Rohchinin gesammelt. - Die Eisenbahn (2 121 km) führt mit Stichbahnen von den Pazifikhäfen in die Hochgebirgstäler. Von den Straßen (rd. 70 000 km) sind 7 600 km asphaltiert, 13 500 km anderweitig befestigt; wichtigste sind die Carretera Panamericana (3 400 km langes Teilstück entlang der Küste) und die 800 km lange Transandenstraße (Lima-Pucallpa). Die wichtigsten Handelshäfen am Pazifik sind Callao, Trujillo, Chimbote, Matarani und Ilo; Binnenschifffahrt auf dem Titicacasee und auf den Flüssen im Amazonasgebiet (über den Amazonas Zugang zum Atlantik); internat. Flughäfen in Lima, Iquitos, Cuzco und Arequipa.
Geschichte: Das heutige P. war das Kernland des Großreichs der Inka. Dieses wurde 1532/33 von F. Pizarro unterworfen. Das span. Vizekönigreich P. umfasste fast das ganze span. Südamerika; im N wurde 1739 das Vizekönigreich Neugranada, im S 1776 das Vizekönigreich Río de la Plata abgetrennt. Durch seinen Silberreichtum war P. eine der wertvollsten Kolonien Spaniens. 1780-82 kam es im Hochland von P. zu einem für die spanisch-kreol. Herrschaft bedrohl. Aufstand unter J. G. Condorcanqui, der sich Inka Tupac Amaru II. nannte. Im Unabhängigkeitskampf Südamerikas (seit 1810) blieb P. zunächst eine Stütze der span. Herrschaft, erst nach Einzug des argentin. Generals J. de San Martín in Lima wurde 1821 die Unabhängigkeit ausgerufen und durch die Siege S. de Bolívars und A. J. de Sucres gefestigt (1824). Nach langen blutigen Wirren erlebte das Land um die Mitte des 19. Jh. durch den Guano der Küsteninseln und den Salpeter der Südprovinzen einen großen wirtsch. Aufschwung, der sein Ende mit dem Salpeterkrieg (seit 1879) fand; P. musste im Frieden von Ancón (1883) die Salpeterprovinzen Tarapacá, Arica und Tacna an Chile abtreten. Brit. und nordamerikan. Kapital hatte nun vorherrschenden Einfluss in P.; nur langsam erholte sich das Land. 1908-12 und 1919-30 regierte Präs. P. A. Leguía als Diktator. Ihm gelang es 1929, Tacna von Chile zurückzuerhalten. Nach seinem Sturz wurde die innenpolit. Lage labil. Die innenpolit. Gegensätze äußerten sich auch im Aufstieg der Partei Alianza Popular Revolucionaria Americana (APRA). Wegen ihres sozialen Programms wurde sie scharf unterdrückt, ihre Führung ging in den Untergrund. 1940 brach ein bewaffneter Konflikt mit Ecuador um die Zugänge zum oberen Amazonas aus. Die Konferenz von Rio de Janeiro (1942) entschied den Streit zugunsten P.s. 1947 errichtete General M. A. Odría Amoretti (1950-56 Präs.) eine Militärdiktatur, die 1956 wieder einem verfassungsgemäßen Reg.system weichen musste. 1963 verhinderte das Militär die Amtsübernahme des zum Präs. gewählten Führers der APRA, A. Leguía. Die Nachwahlen gewann F. Belaúnde Terry; seine Reformbemühungen blieben allerdings in den Ansätzen stecken. 1968 wurde nach einem Putsch General G. J. Velasco Alvarado Präs. Er führte eine umfangreiche Strukturreform durch (u. a. Verstaatlichung eines Teils der Ind. und der ausländ. Banken); sein Nachfolger, der 1975 gleichfalls durch Putsch an die Macht gekommene F. Morales Bermúdez, machte viele dieser Maßnahmen rückgängig. 1980 fanden wieder Wahlen statt, die erneut Belaúnde Terry gewann. Seine Regierung und die folgende unter Präs. A. García Pérez (APRA) scheiterten am Terror der Guerilla, bes. des Sendero Luminoso (SL), und des Militärs. Die Wahlen 1990 gewann A. Fujimori für das Wahlbündnis Cambio '90. Um sein hartes Sanierungsprogramm durchzusetzen, löste er im April 1992 das Parlament auf, setzte die Verf. außer Kraft und unterdrückte jede polit. Opposition. Zwar hatte er Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus (Festnahme von A. Guzmán, dem Führer des SL), doch war P. außenpolitisch weitgehend isoliert. Aufgrund der neuen, von der verfassunggebenden Versammlung ausgearbeiteten, im Okt. 1993 durch Referendum bestätigten Verf. wurde Fujimori im April 1995 wieder gewählt; er setzte sich u. a. gegen den früheren UN-Gen.-Sekr. J. Pérez de Cuéllar durch. Die Besetzung der japan. Botschaft (ab 17. 12. 1996) durch die »Revolutionäre Bewegung Túpac Amaru« (span. Abk.: MRTA, benannt nach einem peruan. Revolutionär des 18. Jh.), wurde mit der Erstürmung der Botschaft Ende April 1997 durch peruan. Militäreinheiten beendet. Bes. im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung werden Fujimori Verstöße gegen Menschenrechte vorgeworfen. Die autokrat. Methoden seiner Reg., die nicht zu einer Entschärfung der sozialen Widersprüche führten, stoßen zunehmend auf Kritik.Der langjährige Grenzstreit mit Ecuador (militär. Konflikt 1995) wurde nach langen Verhandlungen in Brasília im Okt. 1998 durch einen Friedensvertrag beendet, der den Grenzverlauf endgültig regelt.
Literatur:
Oertzen, E. von: P. München 1988.
P. Materialien zur Landeskunde, hg. v. R. Kornberger. Frankfurt am Main 21988.
Stingl, M.: Auf den Spuren der ältesten Reiche P.s. Leipzig 21990.
Uhlig, R.-D. u. Boewen, U.: P. Reiseführer mit Landeskunde. Dreieich 1996.
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