Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Passion
Passion[lat.] die,
1) allg.: starke, leidenschaftl. Neigung, Liebhaberei.
2) bildende Kunst: Darstellungen aus der Leidensgeschichte Christi in Malerei und Plastik, seit frühchristl. Zeit v. a. als Zyklus (Türreliefs von Santa Sabina in Rom, Glasmalereien in der Kathedrale von Chartres, Lettnerreliefs im Naumburger Dom, Fresken Giottos in der Arenakapelle in Padua, graf. Folgen von M. Schongauer und A. Dürer).
3) christl. Religion: das Leiden und Sterben Jesu Christi (P.-Geschichte).
4) Musik: In der Liturgie der Karwoche wird die Leidensgeschichte Christi nach den vier Evangelisten feierlich vorgelesen bzw. gesungen. Frühe Beispiele für eine musikal. Ausgestaltung einzelner Textpartien gibt es aus dem 15. Jh. Im 16./17. Jh. bildete sich ein Typus mit geteilter Vortragsweise in einstimmige chorale Rezitation (Evangelist) und mehrstimmigen Choralsatz (übrige Partien) heraus, der wegen der kontrastierenden Stimmen- und Rollenzuweisung responsoriale P. genannt wird (z. B. O. di Lasso, J. Walter, H. Schütz). Ein zweiter Typus mit durchgängig mehrstimmiger, motett. Satzweise (durchkomponierte P.) begegnet u. a. bei J. A. Burck, C. de Rore, L. Lechner und C. Demantius. Im Zuge der Entwicklung des Generalbassstils entstand im 17. Jh. die orator. P. für Einzelsänger (Evangelist, Christus usw.), Chor und Orchester; sie bringt außer dem Bibeltext lyr. und lehrhafte Betrachtungen in Rezitativ- und Arienform für die Einzelsänger sowie selbstständige Instrumentalstücke. Orator. P. wurden u. a. vertont von G. F. Händel, G. P. Telemann, R. Keiser, G. Böhm, J. P. Krieger. Höhepunkte bilden die beiden P. von J. S. Bach (»Johannes-P.«, 1724; »Matthäus-P.«, 1729). Daneben gibt es zwei weitere P.-Typen, die sich von den vorgenannten P. durch eigens gedichtete Texte unterscheiden: die P.-Kantate (z. B. »Der Tod Jesu«, Dichtung von K. W. Ramler, Musik K. H. Graun, 1755) und das P.-Oratorium (z. B. »Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus«, Dichtung von B. H. Brockes, 1712, jeweils vertont von R. Keiser, G. F. Händel, G. P. Telemann, J. Mattheson). P.-Oratorien wurden auch von A. Caldera, A. Scarlatti, N. Jommelli, G. Paisiello und J. A. Hasse geschaffen. Im 20. Jh. wurde im Zuge der Wiederentdeckung der klass. Vokalpolyphonie auf die A-cappella-Formen der responsorialen und der durchkomponierten P. (H. Distler, J. Ahrens, E. Pepping, K. Thomas) zurückgegriffen. Zum anderen entstanden P., die sich an den Mitteln der Neuen Musik orientieren und sich nicht mehr den oben genannten P.-Typen zuordnen lassen (K. Penderecki, M. Kagel).
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