Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Parlamentarismus
Parlamentarịsmusder, i. w. S. Bez. für alle Reg.formen, in denen das Parlament als gewählte Repräsentation des Volkes (oder der Nation) die Gesetzgebungs- und Budgethoheit besitzt und zur Kontrolle der Reg. das Interpellations- und Enqueterecht (Anfrage, Untersuchungsausschuss) wahrnimmt. In dieser Sicht umfasst der Begriff P. auch das Präsidialsystem. I. e. S. bezeichnet P. das parlamentar. Regierungssystem, in dem das Parlament des Weiteren die Zuständigkeit besitzt, den Reg.chef zu wählen und dessen Kabinett zu bestätigen. Im Ggs. zum Präsidialsystem ist die Reg. vom Vertrauen des Parlaments abhängig. Spricht das Parlament der Reg. das Misstrauen aus (Misstrauensvotum), muss sie zurücktreten, bei einem konstruktiven Misstrauensvotum jedoch nur dann, wenn das Parlament zugleich einen neuen Reg.chef wählt. Die Reg. kann eine Gesetzesvorlage mit der Vertrauensfrage verbinden. Erhält sie bei der Verabschiedung dieses Gesetzes keine Mehrheit, muss sie zurücktreten oder durch Vorschlag an das Staatsoberhaupt Neuwahlen veranlassen.
Die im Zusammenhang mit der Entstehung des modernen Parteiwesens stehende Aufgliederung der Parlamente in Fraktionen stellt das Prinzip der Gewaltenteilung, bes. zw. Exekutive und Legislative, durch die enge Verschränkung von Parlamentsmehrheit und Reg. infrage, weil die Fraktion der Reg.partei nicht nur die Reg. stellt, sondern auch deren Politik parlamentarisch absichert. Da die Parlamentsminderheit nicht mit der Reg. verschränkt ist, kommt ihr als Opposition im parlamentar. Reg.system eine »systemtragende« Rolle zu; sie hat im Wesentlichen anstelle des Gesamtparlaments die Kontrolle der Reg. übernommen.
Literatur:
Kluxen, K.: Geschichte u. Problematik des P. Frankfurt am Main 21990.
Zeh, W.: P. Histor. Wurzeln - moderne Entfaltung. Heidelberg 51991.
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