Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Parlament
Parlamẹnt[zu frz. parler »sprechen«] das, Volksvertretung, die aus einer oder zwei Kammern bestehen kann. Beim Einkammersystem beruht die Mitgliedschaft i. d. R. auf Wahl; beim Zweikammersystem kann die Zugehörigkeit zur Ersten Kammer außer durch Wahl durch Erblichkeit, Ernennung, Amtsstellung oder Mitgliedschaft in berufsständ. Organisationen begründet werden, während die Mitgliedschaft in der Zweiten Kammer sich i. d. R. aus Wahlen ergibt. Zentrale Kompetenzen des P. sind die Gesetzgebungskompetenz, die Haushaltsautonomie und die Kontrolle von Regierung und Verwaltung. Hat das P. entscheidenden Einfluss auf die Reg.bildung, so entsteht das Reg.system des Parlamentarismus. - Das P. der Bundesrep. Dtl. ist der Bundestag. Die Volksvertretungen der Länder heißen Landtag, Abgeordnetenhaus (Berlin) oder Bürgerschaft (Bremen, Hamburg). Der Bundesrat ist kein P., sondern ein Vertretungsorgan der Länder. - In Österreich und der Schweiz heißt das aus zwei Kammern (Österreich: Nationalrat und Bundesrat, Schweiz: Nationalrat und Ständerat) bestehende P. Bundesversammlung.
Geschichte: Bereits im 13. Jh. wurde der große Rat der engl. Könige als »Parliament« bezeichnet. Doch erst Mitte des 19. Jh. entwickelte sich aus diesem histor. Begriff eine generelle Bez. für alle repräsentativen, i. d. R. gewählten Körperschaften, während bis dahin die histor. Namen (Reichstag, Cortes, Landstände) verwendet wurden. Deutsche P. gab es in Süd-Dtl. (seit 1815) und in Preußen (seit 1848); eine dt. Nationalrepräsentation verwirklichte sich erstmals in der Frankfurter Nationalversammlung (1848). Mit dem auf dem allg., gleichen Wahlrecht beruhenden Reichstag des Dt. Reiches von 1871 wurde ein nat. P. geschaffen, das allerdings auf Gesetzgebung und Budgetrecht beschränkt blieb. Erst die Parlamentarisierung der Reichsregierung 1918 und die Weimarer Reichsverfassung gaben ihm Einfluss auf die Regierungsbildung.
Literatur:
Patzelt, W. J.: Abgeordnete u. Repräsentation. Amtsverständnis u. Wahlkreisarbeit. Passau 1993.
Demmler, W.: Der Abgeordnete im P. der Fraktionen. Berlin 1994.
Das Deutsche P., hg. v. R. Süssmuth. Stuttgart u. a. 31995.
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