Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Papsttum
Papsttum,Amt und Institution des Oberhauptes der kath. Kirche (Papst).Geschichte: Der Aufenthalt des Apostels Petrus, der unter den Jüngern Jesu in der Urgemeinde eine besondere Stellung einnahm, in Rom und sein (historisch nicht nachweisbarer) Märtyrertod ließen seit dem 2. Jh. die Tradition entstehen, im Bischof von Rom den Nachfolger des Petrus zu erblicken und ihm innerhalb der Gesamtkirche eine besondere Bedeutung zuzuschreiben. Diese Überlieferung sowie die Bedeutung Roms als Hptst. des Röm. Reiches verschafften der röm. Kirche Ansehen und führten im 3. Jh. seitens des Bischofs von Rom zur Beanspruchung eines (Ehren-)Vorranges unter den Bischöfen des Reiches, der im 4. Jh. als Jurisdiktionsprimat über die Gesamtkirche geltend gemacht wurde, jedoch nur in der lat. Kirche durchgesetzt werden konnte. Während der Zeit der Völkerwanderung (5./6. Jh.) wuchs neben der geistl. auch die polit. Autorität des P., die mit Leo I. einen ersten Höhepunkt erreichte. Für die Gestaltung der Beziehungen zw. Kirche und Staat wurde die von Gelasius I. formulierte Lehre von den zwei Gewalten (Zweischwerterlehre) richtungweisend; für die Grundlegung des späteren Reichskirchensystems war die Taufe des Frankenkönigs Chlodwig I. (wohl 498) von entscheidender Bedeutung. Die Einführung der zentralen Verwaltung des päpstl. Grundbesitzes (gen. Patrimonium Petri) durch Gregor I., das Entstehen des Kirchenstaates sowie das Bündnis mit dem Fränk. Reich (800 Kaiserkrönung Karls d. Gr. durch Leo III. in Rom) und später mit dem Hl. Röm. Reich bildeten die ökonom. Basis, begründeten den polit. Anspruch und leiteten die im MA. überragende machtpolit. Stellung des P. ein. Die Geschichte des mittelalterl. P. ist einerseits geprägt durch den Kampf zw. dem röm. (dt.) Königtum und dem P. (Investiturstreit), der während des Pontifikats Gregors VII. seine schärfste Zuspitzung erfuhr (1076 Bannung Heinrichs IV.), andererseits durch die zunehmende Entfremdung von der Ostkirche (Absetzung der Patriarchen Photios und Michael Kerullarios), die 1054 zum Morgenländ. Schisma führte. Das 12. und 13. Jh. sind gekennzeichnet durch schwere Konflikte mit den Staufern Friedrich I. und Friedrich II. Unter Innozenz III. erreichte das P. den Höhepunkt seiner weltl. Macht, dem jedoch im Ergebnis der Auseinandersetzungen mit den stauf. Kaisern eine weitgehende Abhängigkeit vom frz. Königtum folgte. Dem »Exil« von Avignon (1309-76) folgte das Abendländ. Schisma. Das 14. und 15. Jh. standen im Zeichen zahlr. innerkirchl. Reformbestrebungen (Reformkonzilien), die jedoch nicht zur Überwindung der Krise des P. (»Verweltlichung«) führten. Erst das in Abgrenzung zu den Positionen der Reformation durchgeführte Konzil von Trient (Tridentinum) hatte eine innere Erneuerung des P. zur Folge. Als Förderer der Künste spielte das P. v. a. in der Zeit der Renaissance eine bedeutende Rolle, bes. das Pontifikat Julius' II. (Neugestaltung der Peterskirche). Im 17. und 18. Jh. Ausbau der röm. Kurie zum Verwaltungsorgan der Gesamtkirche im Sinne eines päpstl. Zentralismus und Absolutismus. Die Auseinandersetzungen des ausgehenden 18. und des 19. Jh. hatten vonseiten des P. drei Zielrichtungen: politisch gegen den Liberalismus; kirchenpolitisch gegen versch. nationalkirchliche Bestrebungen (Josephinismus, Gallikanismus); theologisch gegen den Modernismus. Das Jahr 1870 stand im Zeichen des 1. Vatikan. Konzils und des Verlustes des Kirchenstaates. Im 20. Jh. sind v. a. die Bildung des souveränen Staates der Vatikanstadt (1929; Lateranverträge) und die Einberufung des 2. Vatikan. Konzils (Vatikanische Konzile) durch Johannes XXIII. hervorzuheben. Das Konzil leitete eine grundlegende Reform der kath. Kirche (Aggiornamento), ihre (vorsichtige) »Öffnung« zur Welt, den ökumen. Dialog (Ökumenismus) und das Gespräch mit den Weltreligionen ein. An Geist und Positionen des 2. Vatikan. Konzils haben seither alle Nachfolger Johannes' XXIII. festgehalten, wenn auch versch. Seiten (auch innerhalb der kath. Kirche) in der Betonung der päpstl. Autorität und des röm. Zentralismus unter dem Pontifikat von Johannes Paul II. eine Gefährdung des bereits Erreichten sehen.
Literatur:
Haller, J.: Das P. Idee u. Wirklichkeit, 5 Bde. Neuausg. Reinbek 1965.
Klausnitzer, W.: Das Papstamt im Disput zwischen Lutheranern u. Katholiken. Innsbruck 1987.
Schimmelpfennig, B.: Das P. Von der Antike bis zur Renaissance. Darmstadt 41996.
Denzler, G.: Das P. Geschichte u. Gegenwart. München 1997.
Fuhrmann, H.: Die Päpste. Von Petrus zu Johannes Paul II. München 1998.
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