Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Papier
Papier[von lat. papyrum, grch. pápyros »Papyrus(staude)«], flächiger Werkstoff, der zu 60 bis 95 % aus mechanisch oder chemisch aufgeschlossenen Fasern meist pflanzl. Herkunft besteht, die in einer wässrigen Suspension miteinander verbunden sind und unter Zusatz von Hilfsstoffen durch Entwässerung auf einem Sieb zur Blattform verfestigt werden. P. mit einer flächenbezogenen Masse ab etwa 150 g/m2 werden als Karton, über 600 g/m2 als Pappe bezeichnet. P. wird nach versch. Kriterien eingeteilt: nach Art der verwendeten Faserstoffe in holzfreies (zellstoffhaltiges), holzhaltiges P. (holzschliffhaltiges P.) und Recycling-P. (aus Altpapier); nach der Oberflächenbeschaffenheit in maschinenglattes, einseitigglattes, satiniertes und gestrichenes P.; nach Verwendungszweck in graphisches P. (Druck-P.), Verpackungs-P., Hygiene-P. (z. B. Toiletten-P., P.-Taschentücher); technisches und Spezial-P. (z. B. Reaktionsdurchschreibepapiere, Kaffeefilter).
P. besteht grundsätzlich aus Fasern, Hilfsstoffen und Wasser. Neben pflanzl. Fasern aus Zellstoff, Holzstoff (Holzschliff) und Hadern (z. B. Baumwolle, Leinen-, Hanffasern) verwendet man seltener tier., mineral. oder synthet. Fasern. Daneben stellt Altpapier als Sekundärfaserstoff mengenmäßig die wichtigste Faserstoffquelle für die P.-Herstellung dar. Hilfsstoffe natürl. und synthet. Herkunft steigern die Produktivität bei der Erzeugung und Verarbeitung sowie die Qualität.
In der Stoffaufbereitung werden die Faserstoffe in Wasser bei niedriger Stoffdichte (5 % = 5 kg trockener Stoff in 100 l Wasser) in einem »Pulper« (Stofflöser) durch rotierende Laufräder suspendiert; im nachfolgenden »Entstipper« werden die noch verbleibenden Faserzusammenballungen (»Stippen«) zerlegt. Anschließend wird die Fasersuspension einer mehrstufigen Reinigung unterzogen und in Mahlgeräten (früher Holländer, heute Refiner) mechanisch so behandelt, dass die einzelnen Fasern gekürzt und fibrilliert (in feine Strukturen zerlegt) werden, wobei ihre Flexibilität und spezif. Oberfläche zunimmt. Durch Zumischung versch. Hilfsstoffe in gelöster und ungelöster Form werden die späteren P.-Eigenschaften zusätzlich beeinflusst. Die eigentl. P.-Bildung erfolgt in der P.-Maschine, einer aus zahlr. Einzelelementen zusammengesetzten Fertigungsstraße. Man unterscheidet zw. Langsiebpapiermaschinen für einlagiges P., Rundsiebpapiermaschinen, kombinierten Kartonmaschinen für mehrlagige Produkte und Glättzylindermaschinen (Selbstabnahmemaschinen) für Hygienepapier.
Als Vorläufer des P. gilt ein aus Rindenbast hergestellter Beschreibstoff (Tapa), zu dem auch der von den Griechen und Römern verwendete Papyrus zählt. Das P. aus Textilabfällen (Hadern) wurde in China erfunden (um 105 n. Chr.). In Europa begann die Fertigung von P. zunächst in Italien (Fabriano, 1276). 1390 nahm in Nürnberg die erste P.-Mühle Dtl.s ihre Arbeit auf. Die im MA. übl. Stampfwerke zur Halbstoffherstellung wurden 1640 in den Niederlanden durch Mahlwerke ersetzt. 1798/99 erfand der Franzose J. N. Louis Robert (um 1 800) die P.-Maschine und 1844 der Sachse Friedrich Gottlob Keller (* 1816, ✝ 1895) den Holzschliff.
Literatur:
Tenzer, H.-J.: Leitfaden der Papierverarbeitungstechnik. Leipzig 1988.
Wolf, H.-J.: Geschichte des graph. Verfahrens. P., Satz, Druck, Farbe, Photographie, Soziales. Ein Beitrag zur Geschichte der Technik. Dornstadt 1990.
Sandermann, W.: Die Kulturgeschichte des P. Berlin u. a. 21992.
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