Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Pakistan
Pakistan Fläche: 796 095 km2
Einwohner: (1995) 140,497 Mio.
Hauptstadt: Islamabad
Verwaltungsgliederung: vier Prov., Bundesterritorium der Hptst. und die bundesstaatlich verwalteten Stammesgebiete
Amtssprache: Urdu
Nationalfeiertage: 23. 3. und 14. 8.
Währung: 1 Pakistanische Rupie (pR) = 100 Paisa (Ps)
Zeitzone: MEZ + 4 Std.
(amtlich Urdu: Islami Jumhuriya-e Pakistan, dt. Islam. Rep. P.), Staat in S-Asien, grenzt im SW an Iran, im W, NW und N an Afghanistan und China, im O und SO an Indien, im S an das Arab. Meer. Die Zugehörigkeit von Jammu and Kashmir ist zw. P. und Indien umstritten.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1973 (1997 revidiert) ist P. eine föderative Rep. mit Mehrparteiensystem. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der von beiden Kammern des Parlaments auf fünf Jahre gewählte Präs.; er muss Muslim sein. Seine Befugnisse wurden durch die jüngste Verf.-Änderung eingeschränkt. Das Kabinett unter Vorsitz des Premiermin. ist der Nationalversammlung verantwortlich. Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament, bestehend aus Senat (87 Mitgl., für sechs Jahre durch die Prov.parlamente gewählt) und Nationalversammlung (217 für fünf Jahre direkt gewählte Abg.; zehn Mandate sind für Nichtmuslime reserviert). Einflussreichste Parteien: Pakistan. Moslemliga (PML-N), Pakistan. Volkspartei (PPP), Nat. Flüchtlingsbewegung (MQM), Awami Nationalpartei (ANP).
Landesnatur: P. hat im N Anteil am Hindukusch (Tirich Mir, 7 690 m ü. M.), im Gebiet von Kaschmir am Himalaja (Nanga Parbat, 8 126 m ü. M.) und am Karakorum (K 2, 8 610 m ü. M.), im W an den Grenzgebirgen gegen Afghanistan und Iran. Im O hat P. Anteil an der wüstenhaften Thar. Mehr als ein Drittel des Landes nimmt die Senkungszone des Industieflandes ein. Die Stromaufschüttungsebene des Indus und die Stromfächer seiner großen Nebenflüsse im zu P. gehörenden Teil des Pandschab bilden den eigentl. Lebensraum des Landes. Das Klima ist subtropisch-kontinental und steht, v. a. im O, unter Monsuneinfluss. Die jährl. Niederschläge sind gering; Regenfeldbau ist nur am Himalajarand möglich. Mit Ausnahme der Gebirgswälder wird P. überwiegend von Steppen oder wüstenhaften Landstrichen geprägt.
Bevölkerung: Die vier Hauptbevölkerungsgruppen, die sich jeweils in versch. Stämme und Untergruppen untergliedern, sind die Sindhi, Belutschen, Pandschabi und Pathanen, die vorwiegend verwandte indoar. Sprachen (indische Sprachen) sprechen. In den Prov. Sind und Punjab, d. h. in den Bewässerungsgebieten des Tieflands, leben rd. 80 % der Gesamtbevölkerung. Besondere Probleme sind die hohe Geburtenrate, die starke Abwanderung von Akademikern und Facharbeitern in die Erdölländer Vorderasiens sowie die als Flüchtlinge ins Land gekommenen rd. 600 000 aus Bangladesh stammenden Bihari. Dazu kamen - als Folge des Afghanistankrieges - noch etwa 3 Mio. Flüchtlinge, meist Pathanen. Karatschi, Lahore und Faisalabad sind Millionenstädte. - Das staatl. Bildungssystem ist wenig entwickelt (65 % Analphabeten), die fünfjährige Primarschule ist kostenfrei. Es gibt 22 Univ. und Colleges, u. a. in Lahore (1882 gegr.; TU 1961 gegr.), Hyderabad, Peshawar, Karatschi, Islamabad. - Der Islam ist Staatsreligion (97 % der Bev. sind Muslime).
Wirtschaft, Verkehr: Wichtigster Zweig ist die Landwirtschaft, die 26 % des Bruttoinlandproduktes erbringt. Die geringen Niederschläge erfordern die Anlage verzweigter Bewässerungssysteme (in der Indusebene das größte künstl. Bewässerungssystem der Erde) bzw. den Bau von Tiefbrunnen. Hauptanbauprodukte sind Weizen (rd. 60 % der Anbaufläche), Baumwolle (Hauptdevisenquelle), Reis und Zuckerrohr. In Belutschistan und den nordwestl. Grenzgebieten werden von den Nomaden Rinder, Schafe, Ziegen und Kamele gehalten. Der größte Teil des Holzeinschlags dient der Brennholzversorgung. Binnen- und Küstenfischerei sind für die Eiweißversorgung der Bev. wesentlich, doch noch ungenügend entwickelt. P. ist arm an Bodenschätzen, abgesehen von reichen Erdgasfeldern in Belutschistan und im Pandschab sowie kleineren Erdölvorkommen auf dem Potwar Plateau; außerdem Abbau von Stein- und Braunkohle, Marmor, Gips, Steinsalz und Ocker. Uran-, Kupfer- und Eisenerze sind nachgewiesen. Der Erdölbedarf kann nur durch umfangreiche Importe gedeckt werden. Erdölraffinerien stehen bei Karatschi und Rawalpindi. Von entscheidender Bedeutung für die Energieversorgung ist die Anlage von Wasserkraftwerken in Verbindung mit den großen Bewässerungsstaudämmen im Indus und seinen Nebenflüssen. 1972 wurde in Karatschi ein Kernkraftwerk in Betrieb genommen. In der verarbeitenden Ind. herrschen Handwerks- und Kleinbetriebe vor, größere Werke gibt es nur im Bereich der Textil-, Schuh-, Metall-, chem. und Nahrungsmittelind.; Stahlwerk bei Karatschi; Baumwollentkörnung und -handel sind verstaatlicht. - Hauptverkehrsträger ist die Eisenbahn. Das Streckennetz ist 8 163 km lang. Von 179 752 km Straßen sind 91 985 km Allwetterstraßen. Seit 1978 stellt die rd. 800 km lange Karakorumstraße eine Verbindung mit Sinkiang (China) her. Größter Seehafen ist Karatschi. Internat. Flughäfen gibt es in Karatschi, Lahore, Islamabad, Quetta und Peshawar.
Geschichte: P. wurde am 15. 8. 1947 aus den vorwiegend muslim. Gebieten Britisch-Indiens als neuer Staat und brit. Dominion gegründet, womit die brit. Kolonialmacht den seit 1940 erhobenen Forderungen der Muslim-Liga nach einem eigenen Muslimstaat entsprach. Dabei entstanden die beiden weit auseinander liegenden, durch das Territorium der Ind. Union getrennten Landesteile West- und Ost-P. Millionen Muslime flüchteten von Indien nach P.; ebenso verließen viele Hindus P. Erster Generalgouverneur wurde M. A. Jinnah. Der Streit mit Indien um Kaschmir führte zum Ausbruch des 1. Kaschmirkonflikts (1947), der mit der Aufteilung Kaschmirs zw. Indien und P. endete. In den 1950er-Jahren kam es zu heftigen Kontroversen zw. West-P. und dem wirtschaftlich und politisch benachteiligten Ost-P., das die Autonomie und Loslösung von der westpakistan. Zentralverwaltung forderte. Am 23. 3. 1956 trat die erste pakistan. Verf. in Kraft; P. wurde »Islam. Rep.«, deren erster Präs. Iskander Mirza. 1958 übernahm General M. Ayub Khan als MinPräs., Staatschef und Verteidigungsmin. die Macht. Gestützt auf die Armee, begann er mit Reformmaßnahmen (z. B. Landreform in West-P., Einführung einer sog. gelenkten Demokratie durch die »basic democracies«). Die 1962 verkündete zweite Verf. stärkte die Stellung des Präs. und berücksichtigte mehr die Belange von Ost-P. Ein im Sept. 1965 ausgebrochener militär. Konflikt mit Indien um Kaschmir wurde im Jan. 1966 mit dem Abkommen von Taschkent beendet. Der Druck der Opposition und die Forderung nach Wahlen und Wiederherstellung echter parlamentar. Einrichtungen führten 1969 zum Rücktritt Ayub Khans. Die Wahlen zur Nationalversammlung 1970 gewann in West-P. die PPP, in Ost-P. die Awami-Liga. Die Auseinandersetzungen um die Forderungen der Awami-Liga nach weitgehender Autonomie für Ost-P. kulminierten dort in schweren Unruhen, dem Einschreiten von Truppen der Zentralreg. und der Unabhängigkeitserklärung Ost-P.s als Bangladesh am 26. 3. 1971. Im Dez. 1971 wurde Z. A. Bhutto (PPP) neuer Staatspräs. (ab 1973 MinPräs.); er leitete Reformmaßnahmen ein (u. a. Landreform, Nationalisierung der Schlüsselindustrien) und betrieb eine zunehmend autoritäre Reg.politik. 1974/75 kam es zu Unruhen in Belutschistan und der North-West Frontier Province. 1977 übernahm das Militär unter General M. Zia ul-Haq nach einem Putsch die Macht; Bhutto wurde 1979 hingerichtet. Den sowjet. Einmarsch in Afghanistan 1979 verurteilte P. scharf. Ende 1985 wurde das seit 1977 bestehende Kriegsrecht aufgehoben und die Verf. von 1973 wieder eingeführt. Ebenso wurden wieder polit. Parteien zugelassen. Im Dez. 1985 vereinbarten Indien und P., dass keine der beiden Seiten militär. Schläge gegen Kernenergieanlagen des anderen führen werde. Dennoch blieb das Verhältnis wegen des ungelösten Kaschmirproblems gespannt. An der Grenze zu Afghanistan kam es aufgrund des afghan. Bürgerkrieges immer wieder zu Übergriffen des afghan. wie auch des pakistan. Militärs. Nach dem Tod Zia ul-Haqs im Aug. 1988 übernahm der Präs. des Senats, Ghulam Ishaq Khan, das Amt des Staatspräs. Nach dem Wahlsieg der PPP im Nov. 1988 wurde Benazir Bhutto als erste Frau MinPräs. eines islam. Staates (im Aug. 1990 unter dem Vorwurf von Korruption und Nepotismus vom Staatspräs. ihres Amtes enthoben). Aus den Parlamentswahlen im Okt. 1990 ging das Parteienbündnis Islam. Demokrat. Allianz (IDA: Bündnis von Pakistan Muslim Liga, PML, JI und NPP) als Sieger hervor; ihr Vors. M. Nawaz Sharif (PML) wurde MinPräs. Seine Reg. leitete u. a. eine Reprivatisierung großer Ind.unternehmen ein. Im Mai 1991 billigte die Nationalversammlung einen Gesetzentwurf zur Einführung der Scharia. Ein zw. Staatspräs. Ishaq Khan und MinPräs. Nawaz Sharif ausgetragener Machtkampf endete nach Vermittlung durch die Armee mit dem Rücktritt beider im Juli 1993. Benazir Bhutto, nach dem Wahlsieg ihrer Partei, der PPP, im Okt. 1993 erneut zur MinPräs. gewählt, von der Opposition unter Nawaz Sharif auf das Schärfste bekämpft, konnte weder die Staatsverschuldung mindern noch die ethn. Unruhen (bes. in Karatschi) dämpfen. Unter dem Vorwurf der Korruption und der Misswirtschaft wurde sie im Nov. 1996 von Staatspräs. S.F.A. Khan Leghari (seit Nov. 1993 im Amt) erneut vorzeitig abgesetzt. In völliger Umkehrung der Machtverhältnisse gewann die PML bei den Neuwahlen vom 3. 2. 1997 die absolute Mehrheit; neuer MinPräs. wurde Ende Febr. Nawaz Sharif. Neuer Staatspräs. (seit 1. 1. 1998) ist nach dem Rücktritt Legharis der ehem. Richter Mohammad Rafik.Außenpolitisch versuchte P. das Kaschmirproblem aus den bilateralen indisch-pakistan. Beziehungen zu lösen und zu einem internat. Problem zu erheben. Neben Rüstungsanstrengungen auf konventionellem Gebiet entwickelte P. als nukleares Schwellenland sein nukleares Rüstungsprogramm weiter, was zu Spannungen mit den USA und Indien führte. Ein pakistan. Truppenkontingent nahm in Somalia an einer UN-Mission teil. Mit den Nachbarstaaten, einschließlich jener der früheren asiat. Sowjetrep., bemüht sich P. um wirtschaftl. Zusammenarbeit. Im Mai 1997 erkannte P. das Taliban-Regime in Afghanistan an.
Literatur:
M. U. Malik P. Das Land u. seine Menschen, hg. v. u. A. Schimmel. Tübingen u. a. 1976.
Newman, K. J.: P. unter Ayub Khan, Bhutto u. Zia-ul-Haq. München u. a. 1986.
Malik, S. J.: Islamisierung in P. 1977-84. Stuttgart 1989.
Burki, S. J.: Historical dictionary of P. Metuchen, N. J., 1991.
Hussain, J.: A history of the peoples of P. Karachi 1997.
Ziring, L.: P.in the twentieth century. A political history. Karachi 1997.
Ahmed, F.: Ethnicity and politics in P. Karachi 1998.
Long, R. D.: The founding of P. An annotated bibliography. Lanham, Md., 1998.
Sayeed, K. B.: P. The formative phase. 1857 - 1948. Neuausg. Karachi 21998.
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