Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
österreichische Kunst.
österreichische Kunst.Die Kunst in Österreich lässt in den einzelnen Ländern eine z. T. selbstständige Entwicklung erkennen. Ihre Eigenständigkeit begann sich unter den Habsburgern bes. in Ober- und Niederösterreich auszubilden. In den Blütezeiten der österr. Kunst um 1300, um 1500, dann v. a. im Barock um 1700 und auch noch um 1830/40 im »Biedermeier« wirkte sich ihr Einfluss auf den gesamten dt. Sprachbereich aus. Eine zentrale Rolle spielten schließlich Historismus und Jugendstil (Sezession) in Wien.
Von der Romanik bis zum Barock: Bis zum Ende des 13. Jh. dominierte östl. Einfluss in der Architektur (Martinskirche in Linz, 8. Jh.; ehem. Stiftskirche in Millstatt, 11. und 12. Jh.; ehem. Domkirche in Gurk, um 1140-1200; Rundkapelle in Petronell, 1200; Karner, v. a. in Niederösterreich: Tulln, Pulkau, Hartberg, Mödling, Bad Deutsch-Altenburg), in der Bauplastik (Pfarrkirche in Schöngrabern, Anfang des 13. Jh.), in der Wandmalerei (Kirche Mariä Himmelfahrt in Lambach, um 1080; Johanneskapelle in Pürgg, Ende des 12. Jh., Westempore der Domkirche in Gurk, um 1230), in der Glasmalerei (ehem. Stiftskirche in Ardagger, um 1230-40; Zisterzienserkloster Heiligenkreuz, Ende des 13. Jh.) und in der Buchmalerei, deren Zentrum seit dem 2. Drittel des 11. Jh. Salzburg war (Riesenbibel des Klosters Admont, 12. Jh.). Berühmte Werke der Goldschmiedekunst sind der noch aus karoling. Zeit stammende Tassilokelch (um 780; Kremsmünster, Schatzkammer der Abtei) und der »Verduner Altar« des Nikolaus von Verdun in Klosterneuburg (1181 vollendet).
Die Gotik wurde zunächst v. a. von den Zisterziensern und den Bettelorden für ihre Bauten übernommen (Chöre der Stiftskirchen der Zisterzienserklöster Heiligenkreuz, 1280-95, und Zwettl, 1383 geweiht; Augustinerkirche und Minoritenkirche in Wien, beide 1. Hälfte des 14. Jh.). Bedeutendstes Zeugnis der got. Baukunst ist St. Stephan in Wien (1304 ff.). Angesichts der Bedrohung durch die Türken wurden v. a. in Kärnten im 15./16. Jh. viele Wehrkirchenanlagen errichtet (Diex, Eberndorf, Eisenerz). Höhepunkte im Bereich der Plastik bilden seit 1400 die aus Salzburger Werkstätten stammenden Schönen Madonnen des Weichen Stils und v. a. die seit Mitte des 15. Jh. entstandenen Schnitzaltäre wie der Altar der Pfarrkirche Sankt Wolfgang in Kefermarkt (1470-76), der St.-Wolfgang-Altar in der Pfarrkirche von Sankt Wolfgang im Salzkammergut von M. Pacher und seiner Werkstatt (um 1471-75), die Altäre der Pfarrkirche in Gampern in Oberösterreich (1497-1507) und der Pfarrkirche in Mauer bei Melk (um 1520). Es bildeten sich regionale Malerschulen in Salzburg (R. Frueauf d. Ä.), Wien (Schottenmeister) und Kärnten (Thomas von Villach). Von hohem künstler. Rang sind die Glasmalereien der Pfarrkirche St. Bartholomäus in Friesach (um 1270-80, zuvor in der Dominikanerkirche), der ehem. Stiftskirche in Viktring (um 1400) und der Wallfahrtskirche St. Leonhard in Tamsweg (1430-50).
Unter Kaiser Maximilian I. begann der Einfluss der Renaissance wirksam zu werden, u. a. vermittelt durch italien. Baumeister (Ausbau der Residenzen Innsbruck, Graz, Linz, Wien, Wiener Neustadt, Ausbau von Burgen und Schlössern wie Ambras, Schallaburg, Hochosterwitz, Schloss Porcia in Spittal an der Drau, Hofburg mit Stallburg und Amalienburg in Wien). Für Maximilian I. wurde ab 1508 in der Innsbrucker Hofkirche ein prunkvolles Grabmal, das Maximiliansgrab, geschaffen.
Den Übergang zur Malerei der Donauschule bildeten die Werke von R. Frueauf d. J., J. Breu und L. Cranach d. Ä.; Hauptwerke schufen W. Huber (Feldkircher Annenalter) und A. Altdorfer (Sebastiansaltar im Stift St. Florian).
Der Barock wurde eingeleitet mit dem von dem Italiener S. Solario entworfenen Dom in Salzburg (1614-28), der für den barocken Kirchenbau nördlich der Alpen richtungweisend wurde. Auch mit Palästen, großartigen Schloss- und Klosteranlagen wirkte die österr. Barockbaukunst beispielgebend für ganz Deutschland. Die führenden Architekten, J. B. Fischer von Erlach (Schönbrunn, Karlskirche und Nationalbibliothek in Wien) und L. von Hildebrandt (Unteres Belvedere in Wien, Stift Göttweig), nahmen sowohl italien. als auch frz. Anregungen auf. Bed. Baumeister waren ferner J. Prandtauer (Benediktinerstift Melk) sowie M. Steinl, J. Munggenast, J. Prunner und N. F. L. von Pacassi. Unter den Bildhauern ragen bes. T. Schwanthaler, M. Guggenbichler, G. R. Donner und F. Messerschmidt hervor. Unter den Malern dominieren D. Gran (Kuppelfresko der Hofbibliothek in Wien, 1726-30), P. Troger (Fresken in den Benediktinerstiften Melk, Seitenstätten und Altenburg), B. Altomonte (Fresken der Stiftskirche Wilhering, 1744-50), J. Rottmayr, M. Schmidt (»Kremser Schmidt«) und F. Maulbertsch.
Vom Klassizismus bis zur Gegenwart (19./20. Jh.): Führende Vertreter der klassizist. Architektur zu Beginn des 19. Jh. waren in Wien Josef Georg Kornhäusel und der Schweizer Peter von Nobile. Ludwig Christian von Förster vollzog in seinen Entwürfen für die Wiener Ringstraße den entscheidenden Schritt zu einem repräsentativen historisierenden Stil. Bed. Bauten im Stil des Historismus errichteten Heinrich Freiherr von Ferstel mit der Votivkirche in Wien, Friedrich Freiherr von Schmidt folgte mit dem Wiener Rathaus, Eduard van der Nüll und August Siccard von Siccardsburg, C. Freiherr von Hasenauer und G. Semper (Wiener Hofburgkomplex). O. Wagner, wie J. Hoffmann und J. M. Olbrich Mitgl. der 1897 gegründeten Wiener Sezession und einer der führenden Repräsentanten des Sezessionsstils, entwickelte sich zu einem Pionier der modernen Architektur (Postsparkassenamt in Wien, 1904-06). Wie Wagner befasste sich auch Hoffmann mit kunsthandwerkl. Entwürfen; 1903 gründete er mit K. Moser die Wiener Werkstätte. Den Aufbruch in die moderne funktionalist. Architektur markieren v. a. die Werke von A. Loos (Haus Steiner in Wien, 1910).
C. Holzmeister war bereits zw. den Weltkriegen auch als Lehrer von großer Bedeutung. Die Entwicklung der modernen österr. Architektur nach 1945 wurde maßgeblich getragen von Architekten wie R. Rainer, Karl Schwanzer, G. Peichl, W. Holzbauer, H. Hollein und Josef Lackner. Sie traten auch im Ausland mit beispielhaften Bauten hervor. Von den Architekten der jüngeren Generation machten bes. auf sich aufmerksam: Hermann Czech, Heinz Tesar, Klaus Kada, Adolf Krischanitz, Otto Kapfinger, Laurids und Manfred Ortner, ehem. Mitgl. der Gruppe Haus-Rucker-Co., sowie die Gruppe Coop Himmelblau mit dekonstruktivist. Bauten.Die Plastik des 19. Jh. tritt stark hinter die Malerei zurück. Als Bildhauer zu erwähnen sind v. a. F. A. von Zauner und K. von Zumbusch. Von Anton Hanak ausgehend, entwickelte sich F. Wotruba zu einem Klassiker der modernen Plastik im figürl. Bereich. Aus seiner Schule gingen u. a. Joannis Avramidis, R. Hoflehner und A. Hrdlicka hervor. Einen Gegenpol zur figürl. Plastik bildet v. a. K. Prantl mit seinen Meditationssteinen.In der Malerei leitete J. A. Koch, dessen Werk nachhaltig auf die Landschaftsmalerei des 19. Jh. wirkte, vom Klassizismus zur Romantik über. Sie hatte in dem Nazarener J. Ritter von Führich und in M. von Schwind ihre führenden Vertreter. Die Malerei des Wiener Biedermeier, das auch durch qualitätsvolle kunsthandwerkl. Erzeugnisse besondere Bedeutung erlangte, erhielt ihren spezif. Charakter durch Maler wie J. P. Krafft, L. Schnorr von Carolsfeld, F. G. Waldmüller, Peter Fendi, Friedrich von Amerling, Joseph Danhauser und Franz Eybl. Hauptmeister der österr. Vedutenmalerei ist R. von Alt. Für Mode, Wohnkultur und Kunstgewerbe wurde in den 70er- und 80er-Jahren des 19. Jh. der neubarocke Stil H. Makarts vorbildlich (Makartstil). Der Antipode Makarts, Anton Romako, erweist sich in seinen Porträts, wie C. Schuch in seinen Stillleben und Landschaftsbildern der Spätzeit, als ein Wegbereiter der österr. Moderne. Hauptexponent des Sezessionsstils ist G. Klimt. Der Sezession schlossen sich ferner u. a. Wilhelm Bernatzik sowie Rudolf Jettmar, Vertreter einer symbolistisch geprägten Malerei, an. Der zunächst von Klimt beeinflusste E. Schiele leitete wie Richard Gerstl zum Expressionismus über, der in Österreich in den Gemälden O. Kokoschkas seine markanteste und durchaus eigenständige Ausprägung fand. A. Kubin nimmt unter den Zeichnern des 20. Jh. einen hervorragenden Platz ein. Angeregt von F. Hodler und A. Gallén-Kallela entwickelte A. Egger-Lienz einen volkstüml., monumentalen Stil. Seit den 30er-Jahren des 20. Jh. spielt Herbert Boeckl, bes. auch als Lehrer an der Wiener Akademie, eine zentrale Rolle. Einen vergleichbaren Einfluss hatte der Dichter und Maler A. P. Gütersloh auf die Wiener Schule des fantast. Realismus mit R. Hausner, W. Hutter, A. Brauer, Anton Lehmden, E. Fuchs, die neben H. Fronius, A. Frohner, A. Hrdlicka und Karl Korab auch mit graf. Arbeiten hervortraten, Margret Bilger zugleich auch mit Glasmalereien. Als Grafiker wie als Maler erfolgreich ist F. Hundertwasser, der mit seinen architekton. Entwürfen internat. Aufmerksamkeit erregte (Hundertwasserhaus in Wien, 1983 bis 1985). Das breite Spektrum zeitgenöss. Strömungen in der Malerei verkörpern ferner u. a. Curt Stenvert, der sich auch mit Objektkunst befasst, Maria Lassnig, Wolfgang Hollegha, Gottfried Kumpf, Josef Mikl, A. Rainer, C. L. Attersee, Alfred Klinkan und Hubert Schmalix. Neben Kurt Moldovan sind v. a. W. Pichler, P. Flora und Günter Brus als Zeichner von Bedeutung. Hermann Nitsch und O. Muehl, Hauptvertreter des Wiener Aktionismus, wurden in den 1960er-Jahren durch provozierende Happenings bekannt. Valie Export tritt als Performance-, Video- und Filmkünstlerin hervor. Friederike Pezold sucht mithilfe von Zeichnungen, Fotos und Videos eine neue Zeichensprache zu entwickeln.
Literatur:
Sedlmayr, H.: Österr. Barockarchitektur 1670-1740. Wien 1930.
Sotriffer, K.: Malerei u. Plastik in Österreich von Makart bis Wotruba. Wien u. a. 1963.
Wagner-Rieger, B.: Wiens Architektur im 19. Jh. Wien 1970.
Achleitner, F.: Österr. Architektur im 20. Jh., auf 4 Bde. ber. Salzburg 1-31983 ff.
Sotriffer, K.: Im Schnittpunkt der Welten. 1000 Jahre Kunst in Österreich. Wien 1985.
Die Wiener Secession, hg. v. der Vereinigung Bildender Künstler Wiener Secession, 2 Bde. Wien u. a. 1986.
Wiener Malerei der Biedermeierzeit, bearb. v. G. Frodl. Rosenheim 1987.
Dichand, H.: Die Künstler der klass. Moderne in Österreich. Neuausg. Frankfurt am Main u. a. 1989.
Österr. Skulptur, mit Beiträgen v. W. Drechsler u. a., Ausst.-Kat. Wiener Secession, Wien 1990.
Die Phantasten. Brauer, Fuchs, Hausner, Hutter, Lehmden, hg. v. W. Schurian u. a., Ausst.-Kat. Künstlerhaus, Wien 1990.
Kunst in Österreich. Künstler, Galerien, Museen, Kunstmarkt, Kulturpolitik, Adressen, hg. v. N. Smolik u. a. Köln 1995.
Kunst in Österreich, hg. v. P. Werkner. Wien 1996.
Schulz, Wolfgang: Thema Kunst. Zur sozialen u. ökonomischen Lage der bildenden Künstler u. Künstlerinnen in Österreich. Wien 1997.
Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, hg. v. H. Fillitz, auf 6 Bde. ber. Wien 1998 ff.
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