Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
öffentliches Recht
öffentliches Recht(lat. Ius publicum), der Teil der staatl. Rechtsordnung, der die Rechtsverhältnisse regelt, die durch das Wirken der staatl. oder vom Staat abgeleiteten Hoheitsgewalt bestimmt sind. Die Einteilung der Rechtsnormen (v. a. der Gesetze) und der darauf beruhenden Rechtsakte (Willenserklärungen, Verträge, Entscheidungen) in solche des ö. R. und des Privatrechts entspricht kontinentaleurop. Tradition, sie findet sich z. B. im angloamerikan. Rechtskreis nur ansatzweise. In Dtl. bauen Gerichtsorganisation und -zuständigkeit auf dieser Unterscheidung auf; privatrechtl. Streitigkeiten werden von den ordentl. Gerichten (Zivilgerichten) und Arbeitsgerichten, öffentlich-rechtl. vorwiegend von den Verfassungs- und Verwaltungsgerichten sowie den Finanz- und Sozialgerichten entschieden. In der Sache zielt das ö. R. als das »Sonderrecht des Staates« darauf ab, die staatl. Tätigkeit im Allgemeininteresse zu ermöglichen, aber auch den Schutz der Bürger vor Missbrauch der Staatsgewalt zu gewährleisten. Während für das Privatrecht der Grundsatz der Vertragsfreiheit (Privatautonomie) und der gleichrangige Schutz der Rechte typisch sind, ist das ö. R. durch die einseitige Anordnungsgewalt des Staates in den Handlungsformen des Gesetzes und des Verwaltungsakts, aber auch durch die besonderen Bindungen des Staates an die Grundrechte und an rechtsstaatl. Anforderungen gekennzeichnet. - Die genaue Abgrenzung beider Rechtsgebiete ist bis heute nicht völlig gelungen. Auch der Staat darf sich traditionell des Privatrechts bedienen und in privatrechtl. Organisationsformen (AG, GmbH) tätig werden.
Hauptgebiete des ö. R. sind neben dem Völker- und Europarecht sowie dem traditionell dazu gezählten Kirchenrecht das Staats- und Verwaltungsrecht, ferner das Straf-, das Gerichtsverfassungs- und das Prozessrecht. Einige Rechtsgebiete umfassen zugleich öffentl. und Privatrecht (Arbeits-, Sozial-, Jugendrecht u. a.). Rechtsquellen des ö. R. sind - im innerstaatl. Bereich - Verf., Gesetze, Rechts-VO, Verwaltungsvorschriften, Satzungen, Gewohnheitsrecht, Richterrecht sowie staatsrechtl. und verwaltungsrechtl. Verträge (z. B. völkerrechtl. Verträge zw. zwei Staaten, Verträge zw. Gemeinden über gemeinsame Erfüllung einer öffentl. Aufgabe). - Auch das österr. und schweizer. Recht gehen von der Zweiteilung der Rechtsordnung in privates und ö. R. aus.
Literatur:
Arndt, H.-W.u. Rudolf, W.: Ö. R. Grundriß für das Studium der Rechts- u. Wirtschaftswissenschaft. München 111996.
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