Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Ozeanien
Ozeani|en,die Inseln und Inselgruppen des Pazifiks zw. Amerika, den Philippinen und Australien sowie zw. dem Nördl. und dem Südl. Wendekreis; Neuseeland zählt nur i. w. S. dazu. Die über 7 500 Inseln (einschließlich Neuguinea und Neuseeland) umfassen zus. eine Landfläche von fast 1,3 Mio. km2 und sind über ein Meeresgebiet von etwa 70 Mio. km2 verstreut. Etwa 2 100 Inseln sind bewohnt mit (1995) 13,3 Mio. Bewohnern. Nach der ethn. Zugehörigkeit der Bev. unterteilt man O. traditionell in Melanesien mit Neuguinea, dem Bismarckarchipel, den Salomoninseln, Neukaledonien, den Loyaltyinseln, den Neuen Hebriden und den Fidschiinseln, Mikronesien mit den Karolinen, Marianen, Marshall-, Gilbertinseln und Nauru sowie Polynesien mit den Samoa-, Tonga-, Tokelau-, Phönix-, Ellice-, Cookinseln, den Line Islands, den Inseln Frz. Polynesiens, den Îles Wallis und Îles de Horn, den Hawaii-Inseln und der Osterinsel.
O. besteht aus Vulkaninseln (»hohe Inseln«), die häufig durch Saumriffe geschützt sind, Koralleninseln und Atollen. Das Klima ist tropisch-maritim, durch kühlende Seewinde gemildert; die aus NO und SO kommenden Passate bringen ganzjährig Niederschläge.Geschichte: 1513 entdeckte V. Núñez de Balboa den Pazif. Ozean. Unter den Seefahrern, die O. danach erschlossen, ist J. Cook bes. hervorzuheben. Mit dem niederländ. Souveränitätsanspruch auf West-Neuguinea (1828) und der Errichtung des frz. Protektorats über die zentralpolynes. Inseln (Tahiti, Gesellschaftsinseln, Tuamotu-Gruppe u. a. 1842) begann das koloniale Zeitalter in O. (mit Ausnahme von Tonga erlosch das einheim. Königtum). Nach dem Ersten Weltkrieg besaßen Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Australien und die USA Kolonien in O.; die dt. Schutzgebiete hatten Japan und Neuseeland als Mandate des Völkerbundes erhalten. Im Zweiten Weltkrieg war O. 1941-45 Kriegsschauplatz. 1946 wurden die frz. Besitzungen (Französisch-Polynesien, Neukaledonien) »Überseegebiete« der Frz. Republik. 1947 kamen die japan. Mandatsgebiete als UN-Treuhandgebiete unter die Verw. der USA; 1990 Aufhebung der UN-Treuhandschaft über die Marianen (außer Guam), Marshallinseln und Mikronesien. 1959 wurde Hawaii Bundesstaat der USA. Die Niederlande traten ihren Teil Neuguineas (West-Irian) 1963 an Indonesien ab. 1970 löste Großbritannien den Protektoratsvertrag mit Tonga. Im Rahmen der erst zu Beginn der 1960er-Jahre einsetzenden Entkolonialisierung erhielten versch. Territorien ihre Unabhängigkeit: Westsamoa (1962), Nauru (1968), Fidschi (1970), Papua-Neuguinea (1975), die Salomoninseln (1978), Tuvalu (1978) und Kiribati (1979).Kunst: Gemeinsam ist den ozean. Völkern das Fehlen von Metallwerkzeugen bis zur Ankunft der Europäer. Die Werke der alten Holzschnitzkunst sind mit Stein- und Muschelwerkzeugen sowie mit Kratzern aus Zahnmaterial und versch. Glättinstrumenten hergestellt worden. Stein und Muschelschalen sind in versch. Teilen von O. auch zu Schmuck und zur Gestaltung von meist zweidimensional angelegten Werken oder Teilformen bearbeitet worden. Zum Aufmodellieren v. a. der Fleischteile von Gesichtern auf Schädel fand Ton Verwendung. Eine hervorragende Rolle in der Kunst O.s spielen die aus Baumbast geklopften Stoffbahnen, die zur Anfertigung bemalter Maskenaufbauten und zeremonieller Kleidung gebraucht wurden. In ihrer Bedeutung oft unterschätzt sind weitere biegsame vergängl. Materialien, z. B. Blätter und Stängel von Palmen und Ziersträuchern, Schnüre und Troddeln (u. a. aus Tier- und Menschenhaaren), Vogelbälge und -federn, die zu Körperschmuck und Kleinkunstwerken verwendet werden; dasselbe gilt teilweise für die Gestaltung verzierter Behälter aus Holz, Kokosschalen, Kürbis und Bambus sowie für die oft figürl. Ausformung von Dolchen, für Spatel (in Melanesien) sowie Ohrschmuck und kleine Keulen (in Polynesien) aus Vogel- und Menschenknochen oder aus Walrosszahn und -knochen. Neben den Werken der Kleinkunst, der Malerei und der Plastik beanspruchen die Bauformen, bes. jene der Kulthäuser, einen besonderen Rang als selbstständige Form des räumlich-figurativen Gestaltens (z. B. als mehrdeutige Versinnbildlichung myth. tiergestaltiger Schöpferwesen).
Die ozean. Kunst ist in allen ihren Erscheinungsformen Teil der Religion und des Lebens in der Gesellschaft; sie umfasst über die Einzelwerke hinaus auch die Anlage der zugehörigen Feste (Tänze und Körperschmuck der Teilnehmer, Gesang oft esoter. Inhalts, Instrumente und deren Musik als Stimme der übermenschl. spirituellen Wesen). Masken, Schnitzwerke und andere figürl. Gestaltungen stellen im Rahmen ihres Auftritts die Gemeinten nicht nur dar, sondern sie werden als diese selbst aufgefasst.
Literatur:
Lange, P. W.: Südseehorizonte. Eine maritime Entdeckungsgeschichte O.s. Leipzig u. a. 31990.
Kreisel, W.: Die pazif. Inselwelt. Darmstadt 1991.
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