Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Osteuropa
Ọst|europa,allg. Bez. für die Länder im O Europas (Litauen, Lettland, Estland, Weißrussland, die Ukraine, Moldawien, europ. Teil Russlands). - Im polit. Sprachgebrauch auch für die ehem. Ostblockstaaten verwendet. (Ostblock)
Vorgeschichte: Kulturen der frühen Altsteinzeit (Acheuléen) sind in O. nur schwach vertreten (östl. Schwarzmeergebiet). Im Mittelpaläolithikum (Micoquien und Moustérien) hat der Neandertalmensch O. von der Schwarzmeerküste bis zur Kama durchstreift. Das Jungpaläolithikum des europ. Teils Russlands hat durch Freilandstationen mit dorfartigen Siedlungen besondere Bedeutung. Bestattungsfunde zeigen, dass die Träger der jungpaläolith. Kulturen O.s Menschen vom Cro-Magnon-Typus waren. Es gibt eine Fülle von Kunstwerken (weibl. Statuetten, Tierskulpturen, Ritzornamentik) aus den Fundstätten am Dnjestr, Dnjepr, an der Desna und am oberen Don. In der Mittelsteinzeit bildeten sich stärker isolierte Formengruppen. Einflüsse der Jungsteinzeit haben O. im 5. Jt. vom Balkan her und später über Kaukasien erreicht. Die Bug-Dnjestr-Kultur hat kleine Siedlungen mit Rechteckhäusern auf Steinfundament. Haustiere sind außer dem Hund Schweine und Rinder. Die Menschen lebten überwiegend von Jagd und Fischfang. Die weit verbreitete Dnjepr-Donez-Gruppe ist durch spitzbodige Keramik mit der Frühphase der Bug-Dnjestr-Kultur, andererseits mit dem Formengut der von der Memel bis zum Aralsee reichenden Kulturgruppen mit Kamm- und Grübchenkeramik verbunden. Die für die Ausbreitung der Agrarwirtschaft in Mitteleuropa maßgebende bandkeramische Kultur hat sich in O. bis zum Dnjestr ausgedehnt, wo sie auf die Bug-Dnjestr-Kultur trifft. Diese wird von der Tripoljekultur abgelöst, die die markanteste jungsteinzeitl. Kultur O.s bildet und durch wohlgeformte Tongefäße gekennzeichnet ist. Die Träger der Tripoljekultur lebten in geschlossenen Dörfern, trieben Ackerbau und hielten Rinder, Schweine und Ziegen. Ende des 3. Jt., Anfang des 2. Jt. v. Chr. wurde das südl. O. von Steppenkulturen, bes. der Ockergrabkultur oder Kurgankultur, beherrscht. Für die Wirtschaftsform der Steppenkulturen ist das Auftreten von Pferd und Wagen und die Zunahme der Haltung von Schaf und Ziege bedeutsam. Das nördl. und mittlere O. ist in der Jungsteinzeit hauptsächlich von den Trägern der kamm- und grübchenkeram. Kulturen besiedelt worden. In der Bronzezeit haben die kulturellen Impulse Transkaukasiens um 2500 v. Chr. zur Bildung der Maikop- und Nowoswobodnajakultur und im 2. Jt. zur nordkaukas. Kultur geführt, die zu den metallurg. Zentren O.s wurden (Fürstengräber von Maikop). In der mittleren Bronzezeit bildeten die Kammergräberkultur, die Abaschewokultur, die westl. Andronowokultur und die kolchid. Kultur markante Regionalgruppen. Zentren des Kupferbergbaus lagen im südl. und mittleren Ural. Mit Sicherheit lässt sich das Erscheinen der Skythen in O. erst mit dem Auftreten von Fürstengräbern der frühen Eisenzeit mit Beigaben in skythisch-iran. Stil im 7. Jh. v. Chr. erfassen. Die skyth. Kultur gab dem Steppenraum in der Zeit von 700 bis 300 v. Chr. ihr Gepräge. Im 3. Jh. v. Chr. drangen die Sarmaten von der Wolga aus in den skyth. Siedlungsraum ein.
Zur Geschichte O.s vgl. Geschichte der einzelnen Länder; Europa, Geschichte.
Literatur:
Zernack, K.: O. Eine Einführung in seine Geschichte. München 1977.
Konrad, G.: Die Erweiterung der Mitte. Europa u. O. am Ende des 20. Jh. Wien 1999.
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