Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Orgel
Ọrgel[zu Organum], Tasteninstrument mit Pfeifen, die durch einen Luftstrom zum Erklingen gebracht werden. Die drei Hauptglieder sind: 1) Windwerk, das in einem Blasebalg die Luft zu Wind verdichtet und diesen durch die Windkanäle in die Windladen leitet, auf denen die Pfeifen stehen. 2) Pfeifenwerk mit den Pfeifen, die in einzelnen, voneinander getrennten Reihen, entsprechend den Registern (Spielen), zusammengefasst sind. Zu jedem Register gehören Pfeifen von gleicher Bauart, Mensur und Klangfarbe, die sich über den ganzen Tonumfang der Klaviatur erstrecken. 3) Regierwerk: a) die Tastenreihen (Klaviaturen), und zwar gewöhnlich zwei (bei größten O. bis fünf) für die Hände (Manuale) und eine für die Füße (Pedal). b) die Registerzüge, -knöpfe oder -platten, durch deren Betätigen der Wind mechanisch, pneumatisch oder elektrisch zu den Registern geleitet wird.
Zu jeder Klaviatur gehören i. d. R. mehrere Register. Mit jeder Taste sind also mehrere Pfeifen verbunden, in jedem Register der Klaviatur eine. Durch Ein- und Ausschalten der Register kann man wahlweise durch das Niederdrücken einer Taste eine, mehrere oder alle der zur Taste gehörigen Pfeifen erklingen lassen. Das Manual hat gewöhnlich folgenden Umfang: C-f3 oder g3 (54 oder 56 Tasten), das Pedal C-f1 (30 Tasten). Dieser Umfang wird durch die in versch. Oktavlagen gestimmten Register bis um vier Oktaven erweitert. Die Register werden in Grundstimmen, Aliquote und gemischte Stimmen (Mixturen) eingeteilt. Grundstimmen geben den der Taste entsprechenden Ton in der durch die Fußtonzahl bestimmten Oktave an, Aliquote einen zum Grundton der Taste gehörigen Oberton, gemischte Stimmen auf einen Tastendruck mehrere Obertöne zugleich. Aliquote und gemischte Stimmen können nur in Verbindung mit Grundstimmen verwendet werden. Die Hauptfamilien der Grundstimmen sind Prinzipale, Flöten, Gedackte, Streicher und Rohrwerk (Zungenpfeifen). Die Pfeifen sind aus Zinn, Kupfer, Bronze, Zinn-, Bleilegierungen oder Holz. Die O. enthält Lippen- (Labial-) und Zungenpfeifen (Rohrwerke). Neben den offenen gibt es gedeckte Pfeifen (Gedackte, gedackt). Das O.-Gehäuse umschließt das Innere der O.; sein sichtbarer Teil, der O.-Stuhl (O.-Prospekt, -Gesicht), ist oft künstlerisch reich geschmückt. In das Gehäuse ist der Spielschrank eingebaut; er ist bei pneumatisch oder elektrisch regierten O. durch den frei stehenden Spieltisch ersetzt. Kleine Abarten der O.: Portativ, Positiv und Regal.
Geschichte: Die erste ausgeprägte Form der O. ist die von Ktesibios in Alexandria im 3. Jh. v. Chr. gebaute O., bei der Wasser zur Regelung des Winddrucks diente. Im 8. Jh. kam die Wind-O. von Byzanz aus ins Abendland. Die Scheidung des Pfeifenwerks in mehrere Register kennt man seit dem 15. Jh. Das 17./18. Jh. widmet sich der klangl. Ausgestaltung (Barock-O.). Das 19. Jh. brachte zahlr. Erfindungen, so auch die »Walze« zur Auslösung eines dynam. Anschwellens vom Piano bis zum Fortissimo. Die 1920 einsetzende O.-Bewegung griff wieder auf das Klangbild der Barock-O. zurück. Bedeutende O.-Bauer waren E. Compenius, A. Schnitger, G. und A. Silbermann.
Literatur:
Jakob, F.: Die O. Mainz 61987.
Rüge, U. u. Rüge, U.: Berühmte O.n in Europa. München 1994.
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