Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Oratorium
Oratorium[kirchenlat. »Bethaus«] das,
1) Baukunst: im MA. ein kleiner gesonderter Gebetsraum, bes. bei Märtyrergräbern, in Ordenskirchen Bez. des Chors, eines Nebenchors oder einer Chorkapelle, auch eines Gebetsraums im Klostertrakt.
2) kath. Kirchenrecht: nicht öffentl. Sakralraum zur Feier des Gottesdienstes.
3) kath. Ordenswesen: Kurz-Bez. für versch. religiöse Gemeinschaften, deren Mitgl. (Oratorianer) keine Ordensgelübde ablegen. 1) das O. des heiligen Filippo Neri, eine 1552 auf Initiative von F. Neri entstandene, 1575 päpstlich anerkannte Vereinigung von Priestern und Laien, die sich der Wiss. und der Seelsorge widmen; erstes O. in Dtl. 1692 in Aufhausen. 2) das O. von Jesus und Maria, eine 1611 von Pierre de Bérulle (* 1575, ✝ 1629) gegr. frz. Weltpriestervereinigung; als Verband zentralistisch verfasst; Sitz des Generaloberen ist Paris; erstes O. in Dtl. 1643 in Kevelaer.
4) Musik: mehrteilige Komposition auf einen geistl. (meist bibl.), seltener weltl. Text für Chor, Solostimmen und Orchester, meist nicht für szen. Aufführungen bestimmt. Das vorwiegend ep. O. enthält auch dramat. und lyr. Züge; die Abgrenzung gegen verwandte Gattungen (Kantate, Passion) ist oft schwierig. Das O. entstand im 17. Jh. in Italien. Es entwickelten sich zunächst zwei Arten, das volkssprachl. italien. und das lat. O. Letzteres entstand aus dem liturg. Dialog des frühen 17. Jh. und erhielt etwa 1640 durch G. Carissimi seine gültige Form (u. a. ist ein Erzähler Träger der Handlung). - Vorläufer des italien. O. waren geistl. Lauden und Madrigale; dieser O.-Typ schloss sich formal der Oper des 17. Jh. an. Um 1700 wurden die Komponisten der neapolitan. Schule (u. a. L. Vinci, L. Leo, N. Jommelli, N. Porpora) wie in der Oper auch im O. richtungweisend für die weitere Entwicklung. Das O. gelangte auch nach Frankreich (M. A. Charpentier) und Dtl. (R. Keiser, J. Mattheson, J. J. Fux, J. A. Hasse). Den Höhepunkt erreichte die Entwicklung des bibl. O. in den großen Chor-O. G. F. Händels (u. a. »Messias«, 1742). J. Haydn tat mit den »Jahreszeiten« (1801) den entscheidenden Schritt zum weltl. O. Im 19. Jh. schufen bed. Werke F. Mendelssohn Bartholdy (»Paulus«, 1836; »Elias«, 1846), H. Berlioz (»Die Kindheit Christi«, 1854) und F. Liszt (»Die Legende von der hl. Elisabeth«, 1862). Zahlr. weltl. oder geistl. O. entstanden auch im 20. Jh., so u. a. I. Strawinskys »Oedipus Rex« (1927), P. Hindemiths »Das Unaufhörliche« (1931), A. Honeggers »Johanna auf dem Scheiterhaufen« (1938), E. Kreneks »Spiritus intelligentiae, sanctus« (1956), L. Berios »Traces« (1964), K. Pendereckis »Dies irae« (1967).
▣ Literatur:
Oehlmann, W.: Reclams Chormusik- u. Oratorienführer. Stuttgart 71995.
Oratorium[kirchenlat. »Bethaus«] das,
1) Baukunst: im MA. ein kleiner gesonderter Gebetsraum, bes. bei Märtyrergräbern, in Ordenskirchen Bez. des Chors, eines Nebenchors oder einer Chorkapelle, auch eines Gebetsraums im Klostertrakt.
2) kath. Kirchenrecht: nicht öffentl. Sakralraum zur Feier des Gottesdienstes.
3) kath. Ordenswesen: Kurz-Bez. für versch. religiöse Gemeinschaften, deren Mitgl. (Oratorianer) keine Ordensgelübde ablegen. 1) das O. des heiligen Filippo Neri, eine 1552 auf Initiative von F. Neri entstandene, 1575 päpstlich anerkannte Vereinigung von Priestern und Laien, die sich der Wiss. und der Seelsorge widmen; erstes O. in Dtl. 1692 in Aufhausen. 2) das O. von Jesus und Maria, eine 1611 von Pierre de Bérulle (* 1575, ✝ 1629) gegr. frz. Weltpriestervereinigung; als Verband zentralistisch verfasst; Sitz des Generaloberen ist Paris; erstes O. in Dtl. 1643 in Kevelaer.
4) Musik: mehrteilige Komposition auf einen geistl. (meist bibl.), seltener weltl. Text für Chor, Solostimmen und Orchester, meist nicht für szen. Aufführungen bestimmt. Das vorwiegend ep. O. enthält auch dramat. und lyr. Züge; die Abgrenzung gegen verwandte Gattungen (Kantate, Passion) ist oft schwierig. Das O. entstand im 17. Jh. in Italien. Es entwickelten sich zunächst zwei Arten, das volkssprachl. italien. und das lat. O. Letzteres entstand aus dem liturg. Dialog des frühen 17. Jh. und erhielt etwa 1640 durch G. Carissimi seine gültige Form (u. a. ist ein Erzähler Träger der Handlung). - Vorläufer des italien. O. waren geistl. Lauden und Madrigale; dieser O.-Typ schloss sich formal der Oper des 17. Jh. an. Um 1700 wurden die Komponisten der neapolitan. Schule (u. a. L. Vinci, L. Leo, N. Jommelli, N. Porpora) wie in der Oper auch im O. richtungweisend für die weitere Entwicklung. Das O. gelangte auch nach Frankreich (M. A. Charpentier) und Dtl. (R. Keiser, J. Mattheson, J. J. Fux, J. A. Hasse). Den Höhepunkt erreichte die Entwicklung des bibl. O. in den großen Chor-O. G. F. Händels (u. a. »Messias«, 1742). J. Haydn tat mit den »Jahreszeiten« (1801) den entscheidenden Schritt zum weltl. O. Im 19. Jh. schufen bed. Werke F. Mendelssohn Bartholdy (»Paulus«, 1836; »Elias«, 1846), H. Berlioz (»Die Kindheit Christi«, 1854) und F. Liszt (»Die Legende von der hl. Elisabeth«, 1862). Zahlr. weltl. oder geistl. O. entstanden auch im 20. Jh., so u. a. I. Strawinskys »Oedipus Rex« (1927), P. Hindemiths »Das Unaufhörliche« (1931), A. Honeggers »Johanna auf dem Scheiterhaufen« (1938), E. Kreneks »Spiritus intelligentiae, sanctus« (1956), L. Berios »Traces« (1964), K. Pendereckis »Dies irae« (1967).
▣ Literatur:
Oehlmann, W.: Reclams Chormusik- u. Oratorienführer. Stuttgart 71995.