Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
norwegische Literatur.
nọrwegische Literatur.Die altnorweg. Lit. steht im engsten Zusammenhang mit der altisländ. (altnordische Literatur). Die meisten »Eddalieder« stammen aus Norwegen. Im 12. und 13. Jh. entstanden Gesetzessammlungen, Geschichtswerke, der »Königsspiegel« (um 1250). Ritterl. Epen wurden in Form der Saga erzählt. Volksballaden (Folkevise) entstanden im 13.-15. Jh. - Mit der Reformation drang die dän. Schriftsprache ein (norwegische Sprache): Der begabteste Vertreter der Heimatdichtung des 17. Jh. ist P. Dass. L. Baron von Holberg vereinigte dänisch-norweg. Reichsgefühl mit der Liebe zur norweg. Heimat; ähnlich der Satiriker J. H. Wessel. Eine norweg. Nationallit. entwickelte sich seit etwa 1830. Hauptvertreter war H. A. Wergeland, der berühmteste norweg. Lyriker, der für die kulturelle Unabhängigkeit eintrat, während J. S. Welhaven von der dän. Romantik begeistert war. Die Nationalromantik (Å. O. Vinje, Jugendwerke von H. Ibsen und B. Bjørnson) basiert auf der Volksdichtung. Gefördert wurden die Bestrebungen einer Rückbesinnung auf die eigene kulturelle Vergangenheit von der Entwicklung des Landsmål (norwegische Sprache) und der nat. Geschichtsschreibung. - Mit dem Roman »Die Amtsmanns-Töchter« von Camilla Collett (1855), der Schwester Wergelands, die für das Recht der Frau eintrat, und dem gleichzeitigen Erscheinen von Lyrik und Prosa in Landsmål begann der Realismus. Um 1870 wandten sich die meisten Dichter unter dem Einfluss von G. Brandes der Problem- und Tendenzdichtung zu, die soziale und krit. Fragen erörtert. Mit seinen Gesellschaftsstücken begründete Ibsen eine moderne, gegenwartsbezogene Dramatik und beeinflusste den dt. Naturalismus nachhaltig; Bjørnson war die Leitfigur in den polit., moral. und kulturellen Fragen. Mit »Synnöve Solbakken« (1857) hatte er die bis in das 20. Jh. stilbildend wirkende Bauernerzählung geschaffen. Neben ihnen wirkten der feinsinnige K. M. Elster d. Ä., der witzig-geistvolle A. L. Kielland, der psychologisierende J. Lie. Die um 1880 hervortretende Generation betonte noch schärfer die Schattenseiten des Lebens (Naturalismus): Romane von Amalie Skram, H. Jæger.Um 1890 vollzog sich, gefördert durch K. Hamsuns Roman »Hunger« (1890), G. Heibergs Dramen, die Märchensamml. »Troll« (1891/92) von Lie und Ibsens Wendung zum Symbolismus, eine Abkehr vom Naturalismus. Bjørnson, V. Krag, N. C. Vogt, S. Obstfelder erneuerten die Lyrik im Sinn der Neuromantik. Die gleiche Bedeutung wie Ibsen für das Drama gewann Hamsun für den Roman und begründete die neurealist. Erzählweise. Zu dieser Richtung gehören H. Aanrud, J. Bojer, J. P. Falkberget, K. O. Uppdal, O. Braaten, I. Krokann und z. T. Cora Sandel und T. Vesaas. Weltliterar. Bedeutung erlangten neben Hamsun auch O. Duuns Romane und die Werke von Sigrid Undset. Internat. bekannt wurde auch T. Gulbranssen. Zur Tradition der n. L. gehören bes. Sozialkritik und polit. Engagement. Nach dem Ersten Weltkrieg beteiligten sich viele Schriftsteller (z. B. H. Krog, S. Hoel, A. Øverland) an den ideolog. Auseinandersetzungen. Schilderungen der Kriegsjahre und Gefangenschaft bieten M. Tau (dt. Emigrant), O. Nansen, P. Moen. Die dt. Besatzung wurde nach 1945 Zentralthema der n. L., als nat. Trauma deutlich im Prozess gegen Hamsun und in seinem Erinnerungsbuch, ebenso in den Romanen von J. Borgen, S. Hoel, S. Evensmo, K. Holt und T. Vesaas. In den 1960er-Jahren gewann die bis dahin eher in nat., religiösen, naturschwärmer. und sozialkrit. Traditionen verharrende Lyrik durch P. Brekke, S. Mehren und J. E. Vold den Anschluss an experimentelle europ. Tendenzen. Diese waren zuvor in die Romane von A. Mylke, J. I. Bjørneboe, G. B. Gundersen, A. Jensen und F. Alnæs eingegangen. Die experimentellen sozial-modernist. Tendenzen entwickelten sich seit den 1970er-Jahren, eingeleitet durch D. Solstads (Sozial-)Realismus, zu einer »innerl.« oder imaginativen und psychologisch orientierten Richtung (E. A. Økland, P.-H. Hausen, T. Å. Bringsværd, K. Faldbakken); daneben steht der poet. Erzählstil wie bei J. Kjærstad, K. Fløgstad und bes. bei H. Wassmo.
▣ Literatur:
Friese, W.: Nord. Barockdichtung. München 1968.
⃟ Friese, W.: Nord. Literaturen im 20. Jh. Stuttgart 1971.
⃟ Aspekte der skandinav. Gegenwartslit., hg. v. D. Brennecke. Heidelberg 1978.
⃟ Nord. Literaturgesch., hg. v. M. Brøndsted u. a., 2 Bde. A. d. Dän. München 1982-84.
⃟ Dictionary of Scandinavian literature, hg. v. V. Zuck. New York 1990.
⃟ Präsentationen. Norweg. Gegenwartsautoren, hg. v. K. Brynhildsvoll. Leverkusen 1990.
⃟ Grundzüge der neueren skandinav. Literaturen, hg. v. F. Paul. Darmstadt 21991.
⃟ A history of Norwegian literature, hg. v. H. S. Naess. Lincoln, Nebr., 1993.
▣ Literatur:
Friese, W.: Nord. Barockdichtung. München 1968.
⃟ Friese, W.: Nord. Literaturen im 20. Jh. Stuttgart 1971.
⃟ Aspekte der skandinav. Gegenwartslit., hg. v. D. Brennecke. Heidelberg 1978.
⃟ Nord. Literaturgesch., hg. v. M. Brøndsted u. a., 2 Bde. A. d. Dän. München 1982-84.
⃟ Dictionary of Scandinavian literature, hg. v. V. Zuck. New York 1990.
⃟ Präsentationen. Norweg. Gegenwartsautoren, hg. v. K. Brynhildsvoll. Leverkusen 1990.
⃟ Grundzüge der neueren skandinav. Literaturen, hg. v. F. Paul. Darmstadt 21991.
⃟ A history of Norwegian literature, hg. v. H. S. Naess. Lincoln, Nebr., 1993.