Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
niederdeutsche Literatur
niederdeutsche Literatur,die Literatur in niederdt. Sprache; sie ist in ihrem histor. Ablauf mit der hochdt., im hohen MA. auch der niederländ. Literatur eng verbunden.
Altniederdeutsche Literatur (altsächs. Literatur): Der Hauptteil der erhaltenen Literatur gilt der christl. Mission, wobei das Stabreimepos »Heliand« (830) einen besonderen Rang einnimmt. In dessen Nachfolge entstand die altsächs. »Genesis«, die nur bruchstückhaft überliefert ist.
Mittelniederdeutsche Literatur: Den Hauptanteil lieferte die Prosaliteratur (v. a. Rechtsbücher und Chronistik), die mit dem Rechtsbuch »Sachsenspiegel« (um 1224-31) des Eike von Repgow und der zeitweilig ihm zugeschriebenen »Sächs. Weltchronik« eröffnet wurde. Sehr populär war das erzählende geschichtl. Volkslied (z. B. »Mühlenlied«, »Störtebeker«). Beispiele ep. Dichtungen nach fläm. Muster sind die höf. Romane »Flos unde Blankeflos« (1350), »Valentin und Namenlos« und »De Deif van Brugghe« (beide um 1450). Weiteste Verbreitung einer niederländ. Vorlage erfuhr der 1498 in Lübeck erschienene »Reynke de Vos«, eine Satire auf die mittelalterl. Gesellschaftsordnung. Werke krit. und lehrhaften Charakters waren H. Botes (* um 1460, ✝ 1520) »Boek von veleme rade« (etwa 1490-93), »Köker« (etwa 1520) und »De Schichtbok« (etwa 1510-13). Einziges wesentl. Schauspiel dieser Epoche ist das »Redentiner Osterspiel« aus der 2. Hälfte des 15. Jh.
Neuniederdeutsche Literatur: Mitte des 17. Jh. begann die neuniederdt. Periode, in der das Niederdeutsche nur noch in Form regional unterschiedl. Mundarten gebräuchlich war. Neben den »Vierländer Idyllen« (1777/78) von J. H. Voß setzte die eigentl. Mundartdichtung erst im 19. Jh. mit K. Groths »Quickborn. Volksleben in plattdt. Gedichten dithmarscher Mundart« (1852) ein. In der weiteren Entwicklung wurde bes. der Roman bevorzugt: nach F. Reuter und J. Brinckman (»Kasper-Ohm un ick«, 1855) sind v. a. G. Fock, J. H. Fehrs (»Maren«, 1907), G. Droste (»Ottjen Alldag«, R.-Trilogie, 1913-16), R. Kinau, A. Wibbelt (»Dat veerte Gebot«, 1912) und Wilhelmine Siefkes (»Keerlke«, 1941), die ab 1933 Schreibverbot hatte, zu nennen. Mit ihren Dramen initiierten F. Stavenhagen und H. Bossdorf (»Bahnmester Dod«, 1919) die niederdt. Bühnenbewegung. Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann v. a. das Hörspiel, u. a. vertreten durch H. Kruse (»Dat Andenken«, 1962), H. Schmidt-Barrien (»Uhlenspegel 61«, 1961), J. D. Bellmann (»De Soot«, 1962) und W. Sieg (»Deenstleistungen«, 1974), zentrale Bedeutung. Maßstäbe für die Lyrik setzten u. a. Greta Schoon (»Kuckuckssömmer«, 1977), Erna Taege-Röhnisch (»Tieden un Lüd«, 1986), N. Johannimloh (»En Handvöll Rägen«, 1963) sowie Waltrud Bruhn (»Windlast«, 1987) und Renate Molle (»Deißelnsaot«, 1987).
Literatur:
Stammler, W.: Geschichte der n. L. von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig u. a. 1920, Nachdr. ebd. 1968.
Schuppenhauer, C.: Lexikon niederdeutscher Autoren, Losebl.-Ausg. Leer 1975 ff.
Schuppenhauer, C.: Plattdeutsche Klassiker 1850-1950. Wege zur n. L. Leer 1982.
Handbuch zur niederdeutschen Sprach- u. Literaturwissenschaft, hg. v. G. Cordes u. a. Berlin 1983.
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