Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Notstand
Notstand, 1) allg.: ein Zustand unmittelbarer Gefahr für rechtlich geschützte Interessen, der nur durch Verletzung eines fremden Rechtsguts abgewendet werden kann.
2) öffentl. Recht: (polizeilicher N.) eine Lage, in der eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentl. Sicherheit und Ordnung nur durch Maßnahmen gegen einen Unbeteiligten (Nichtstörer) beseitigt werden kann. Die Maßnahmen müssen sich auf das unumgängl. Maß beschränken. Der Betroffene kann eine Entschädigung für seine Nachteile und Aufwendungen verlangen.
3) Staatsrecht: Notstandsverfassung.
4) Strafrecht: ein zur Straflosigkeit führender Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrund für eine an sich strafbare Handlung. Unterschieden wird zw. rechtfertigendem und entschuldigendem N. Beiden gemeinsam ist, dass die Tat zur Abwehr einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit der eigenen oder einer anderen Person erfolgt. Beim rechtfertigenden N. (§ 34 StGB) ist auch jedes andere Rechtsgut (bes. Ehre, Eigentum) geschützt, jedoch muss bei angemessenem Mittel das geschützte Rechtsgut gegenüber dem beeinträchtigten wesentlich überwiegen, z. B. Verletzung der Schweigepflicht des Arztes (§ 203 StGB), um andere vor Ansteckung zu warnen. Beim entschuldigenden N. (§ 35 StGB) bleibt der Täter - trotz vorliegender Rechtswidrigkeit der Tat - straflos, wenn ihm nicht zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen. Nimmt der Täter irrig Umstände eines N. an (Putativ-N.), wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Ein übergesetzl. N., bei dem die gesetzlich normierten Rechtfertigungs- bzw. Schuldausschließungsgründe des N. nicht vorliegen, aber gleichwohl die »Nachsicht des Rechts« vom Täter gefordert wird, wird von der Rechtsprechung nicht, von der Wiss. nur z.T. anerkannt. Ein eigenes Problem bildet der »Befehls-N.« von Soldaten im Spannungsfeld zw. Gewissen und Gehorsamspflicht.
5) Zivilrecht: eine Zwangslage, bei der zur Abwendung einer drohenden Gefahr folgende Einwirkungen zulässig sind: a) auf fremde Sachen, von denen aber keine Gefahr ausgeht (Nothilfe, aggressiver N., § 904 BGB; z. B. Benutzung eines fremden Kahns zur Rettung eines Ertrinkenden), b) gegen die eine Zwangslage verursachenden Sachen (Sachwehr, defensiver N., § 228 BGB; z. B. Verwendung eines fremden Gegenstandes, um sich gegen einen angreifenden Hund zu wehren). - Zivilrechtl. N.-Handlungen sind nicht rechtswidrig. Der Schaden muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem geschützten Rechtsgut stehen; der Eigentümer der fremden Sache ist i. d. R. zu entschädigen. - Ähnl. Vorschriften bestehen in Österreich und der Schweiz.
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