Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Norwegen
Nọrwegen⃟ Fläche: 323 758 km2
Einwohner: (1997) 4,393 Mio.
Hauptstadt: Oslo
Verwaltungsgliederung: 19 Provinzen (Fylker)
Amtssprache: Norwegisch
Nationalfeiertag: 17. 5.
Währung: 1 Norwegische Krone (nkr) = 100 Øre (Ø)
Zeitzone: MEZ
(Norge, amtlich norweg. Kongeriket Norge, dt. Königreich N.), Staat in N-Europa, grenzt im S an die Nordsee (einschl. Skagerrak), im W an das Europ. Nordmeer (vor der mittelnorweg. Küste als N.-See bezeichnet), im N an die Barentssee, Landgrenzen bestehen mit Russland, Finnland und Schweden. Zu N. gehören außerdem Svalbard (Spitzbergen), die Bäreninsel (Bouvetøy) und Jan Mayen, Außenbesitzungen sind Bouvetinsel und Peter-I.-Insel, in der Antarktis beansprucht N. Königin-Maud-Land.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1814 (mehrfach geändert) ist N. eine konstitutionelle Erbmonarchie. Staatsoberhaupt und formal oberster Inhaber der Exekutive ist der König (seit 1990 männl. und weibl. Thronfolge möglich). Der Inhalt der königl. Beschlüsse, die vom MinPräs. gegengezeichnet werden müssen, wird vom Staatsrat (Reg.) bestimmt. Die Reg. wird vom Monarchen ernannt und ist dem Parlament verantwortlich. Die Legislative liegt beim Einkammerparlament (Storting; 165 Abg., auf vier Jahre gewählt). Die Gesetzgebung erfolgt in zwei Instanzen: Im Odelsting (ein Viertel aller Abg.) werden die Ges. eingebracht, zur Verabschiedung werden sie dem Lagting (drei Viertel der Abg.) zugeleitet. Der vom Parlament ernannte Ombudsmann hat die Aufgabe, die Rechte der Bürger zu wahren. Stärkste Partei ist die sozialdemokratisch ausgerichtete Arbeiterpartei; daneben spielen v. a. die Zentrumspartei, die Konservative Partei, die Christl. Volkspartei, die Sozialist. Linkspartei und die extrem konservative Fortschrittspartei eine Rolle.
Landesnatur: N. liegt im W der Skandinav. Halbinsel. Die N-S-Ausdehnung beträgt 1 752 km, die größte O-W-Ausdehnung 430 km. Ein Drittel des Staatsgebiets liegt nördlich des Polarkreises. Die Küstenlänge beträgt mit Einbeziehung der Buchten und Fjorde rd. 21 000 km (ohne diese 2 650 km). Das Landesinnere wird durch weite Hochflächen bestimmt. Im W liegt das zentralnorweg. Gebirge, das nach W steil, nach O schwach abfällt und in dem die höchsten Erhebungen des Landes, Glittertind (2 472 m ü. M.) und Galdhøppig (2 469 m ü. M.), liegen. Die Küsten, denen zahlr. Schären und Inseln vorgelagert sind, sind durch Fjorde stark gegliedert. - Das Klima weist ausgeprägte Unterschiede zw. dem unter dem Einfluss des Norweg. Stroms (warme Meeresströmung im Europ. Nordmeer) stehenden W und dem kontinental beeinflussten O auf. Oslo hat in seiner geschützten Lage am Oslofjord mit 17,3 ºC das höchste Julimittel Skandinaviens. Die Luvseite der Gebirge ist niederschlagsreich (Bergen 1 960 mm/Jahr, dagegen in Oslo 740 mm, in Karasjok 340 mm). Plateaugletscher bedecken insgesamt 3 900 km2 des Landes. - Mittel- und Nord-N. gehören zum Nadelwaldgürtel, an der Skagerrakküste treten noch mitteleurop. Laubwälder auf.
Bevölkerung: Neben den Norwegern leben als Minderheiten Lappen und Finnen im Land, auf Spitzbergen auch Russen u. a.; bevorzugte Siedlungsräume sind die Küstenplattform, große Täler, Terrassen in den Fjorden sowie die flacheren Gebiete an der Küste oder im Landesinnern. 90 % der Bev. gehören der evangelisch-luther. Staatskirche an. Es besteht neunjährige Schulpflicht. N. verfügt über vier Univ., zehn Hochschulen mit Univ.rang sowie fünf Kunst- und Musikhochschulen.
Wirtschaft, Verkehr: Nur rd. 3 % des Staatsgebiets werden landwirtschaftlich genutzt. Anbau bes. von Futtergerste, ferner Hafer, Kartoffeln, Weizen. Bedeutender ist die Viehzucht (z. T. Seterwirtschaft [Almwirtschaft]). Im N wird Pelztierzucht (bes. Blaufüchse, Nerze) betrieben. Der Wald (26 % der Fläche), vorwiegend in Privatbesitz, wird stark forstwirtschaftlich genutzt. N. ist ein führendes Land im Fischfang. Wichtig ist die Erdgas- und Erdölförderung in der Nordsee. Eisenerze werden im N abgebaut, Steinkohle auf Spitzbergen; zahlr. kleinere Vorkommen von Buntmetallerzen (Titan, Kupfer, Zink, Pyrit). Die Nutzung der reichen Wasserkräfte fördert v. a. die Elektrometallurgie (bes. Aluminiumproduktion) und elektrochem. Ind.; außerdem petrochem., Elektronik-, Metall-, Maschinen-, Werftind., Fisch- und Holzverarbeitung. Fremdenverkehr v. a. an der W-Küste (Fjorde). Ausgeführt werden v. a. Erdöl und Erdgas, Schiffe, Erze und Metalle, Holz, Papier und Papiermasse, Fische und Fischprodukte; Haupthandelspartner sind Schweden, Großbritannien und Dtl. - Große Bedeutung hat die Seeschifffahrt; mit (1994) 22,4 Mio. BRT besitzt N. die fünftgrößte Handelsflotte der Erde. Größte Häfen sind Tønsberg und Oslo; ferner Fredrikstad, Haugesund, Mo i Rana, Kristiansand, Stavanger, Bergen und Trondheim, für die Erzausfuhr Narvik und Kirkenes. Fährverkehr nach Großbritannien, Dänemark, Dtl. Die Küstenschifffahrt wickelt rd. 80 % des Frachtaufkommens ab. Das Eisenbahnnetz ist 4 023 km lang, das Straßennetz (beide v. a. im S gut ausgebaut) 90 174 km. Internat. Flughäfen gibt es in Oslo (Fornebu), Bergen (Flesland) und Stavanger (Sola).
Geschichte: Bis zum 9. Jh. bestanden im Gebiet der Norweger versch. Kleinkönigreiche, die um 872 erstmals durch Harald I. Harfågre vereinigt wurden. Bis Mitte des 11. Jh. unternahmen die norweg. Wikinger zahlr. Raub-, Erkundungs- und Handelszüge, die sie bis nach England, NW-Frankreich, Grönland und an die nordamerikan. Küste führten. Das Christentum kam über England nach N. und wurde um 1000 von den Königen Olaf I. und Olaf II. z. T. gewaltsam verbreitet. 1028 eroberte der dän. König Knut d. Gr. das Land und beherrschte es bis zu seinem Tod (1035). König Magnus I., der Gute (1035-47), festigte das norweg. Reich und konnte 1042 auch König von Dänemark werden. Harald III. fiel 1066 bei einem Eroberungszug in England. 1152/53 wurde Nidaros (Trondheim) norweg. Bischofssitz. Nach Bürgerkriegen im 12./13. Jh. konnte erst Håkon IV. 1247 das Reich wieder festigen; N. hatte in dieser Zeit seine größte territoriale Ausdehnung: Neben Teilen des heutigen Schweden, den Färöern, Hebriden, Orkneyinseln und der Insel Man waren auch Grönland (1261) und Island (ab 1262/64) norwegisch. Nach 1300 geriet N. zunehmend in wirtsch. Abhängigkeit von der Hanse, die seit 1236 in Bergen eine Niederlassung hatte. Der Pest von 1349/50 fielen große Teile der norweg. Bev. zum Opfer. Håkon V. (1299-1319) machte Oslo (Name 1624-1924 Christiania, seit 1877 in der Schreibung Kristiania) zur Hauptstadt N.s. Als mit seinem Tod das norweg. Königshaus im Mannesstamm ausstarb, ging die Krone an seinen Enkel Magnus VII. Eriksson (zugleich seit 1319 König von Schweden), der N. aber 1343 an seinen Sohn Håkon VI. abtreten musste. Olaf IV. Håkonsson (1380 bis 1387), der Sohn Håkons VI. und Margaretes (Tochter Waldemars IV. von Dänemark), war seit 1380 König von N. und Dänemark; damit wurde die bis 1814 bestehende dänisch-norweg. Union eingeleitet. Nach dem Tod Olafs (1387) wurde seine Mutter Margarete Nachfolgerin; durch den Sieg von Falköping (1389) über Albrecht von Schweden erhielt sie auch die schwed. Krone. 1397 vereinte Margarete N., Dänemark und Schweden in der Kalmarer Union zu einem skandinav. Großreich (Wahl Erichs von Pommern zum 1. Unionskönig in Kalmar 1397, erst nach dem Tod Margaretes seit 1412 Alleinherrscher). 1450 wählte der norweg. Reichsrat Christian I. von Dänemark zum König (Unionsvertrag von Bergen); bis 1814 wurde N. von dän. Königen aus dem Hause Oldenburg regiert. 1536 wurde die Reformation in N. eingeführt, 1537 die norweg. Selbstverwaltung durch Christian III. aufgehoben. Im Gefolge der schwedisch-dän. Kriege verlor N. 1645 Jämtland und Härjedalen (Frieden von Brömsebro, 1645) und 1648 Bohuslän (Frieden von Roskilde, 1658) an Schweden. Friedrich III. (Friedrich 12) setzte 1660 den Absolutismus durch.Im 18. Jh. kam es zu Bauernaufständen (1765 »Strilekrieg« in der Gegend von Bergen, 1786 »Lofthusbewegung«). Nach den Napoleonischen Kriegen erreichte der schwed. Kronprinz Bernadotte (später König Karl XIV. Johann, Karl 36) im Frieden von Kiel (1814) von Dänemark die Abtretung N.s (mit Ausnahme von Island, Grönland und den Färöern) an Schweden. Daraufhin beschloss eine gewählte Versammlung in Eidsvoll am 17. 5. 1814 eine liberale Reichsverf. und wählte den dän. Prinzen Christian Friedrich (Christian 7) zum König von Norwegen. Der Einmarsch schwed. Truppen erzwang jedoch am 4. 11. 1814 die Anerkennung des schwed. Königs Karl XIII. als norweg. Monarchen; die Verf. von Eidsvoll wurde weitgehend beibehalten. In der Zeit der schwedisch-norweg. Union (1814-1905) verstärkten sich die norweg. Bemühungen um größere nat. Selbstständigkeit. Die Reg.zeit Karls XIV. Johann war geprägt von Auseinandersetzungen zw. der königl. Gewalt und dem Storting (Parlament), das 1821 die Abschaffung des Adels durchsetzte. 1884 errang die von J. Sverdrup geführte liberale Linke (Venstre) die Mehrheit im Storting und bildete die Reg. 1898 erhielten Männer das allg. Wahlrecht (1913 auch den Frauen zuerkannt). Zw. 1850/60 und 1914 wanderten rd. 1 Mio. Norweger nach Nordamerika aus.Im Juni 1905 nahm das Storting die Ablehnung einer norweg. Gesetzesvorlage durch den König zum Anlass, die Union per Beschluss aufzulösen (am 13. 8. 1905 durch Volksabstimmung bestätigt), König Oskar II. dankte ab. Am 18. 11. 1905 wurde der dän. Prinz Karl aus dem Haus Glücksburg als Håkon VII. zum König von N. gewählt. Im Vertrag von Kristiania (1907) übernahmen das Dt. Reich, Frankreich, Großbritannien und Russland die Garantie für die Integrität von N. Im Ersten Weltkrieg bewahrte N. trotz brit. Drucks und der Eröffnung des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs durch Dtl. (1917) seine Neutralität. 1920 wurde Spitzbergen durch den Völkerbund N. zugesprochen. 1935 gelangte die Arbeiterpartei (gegr. 1887, Zusammenschluss mit den Sozialdemokraten 1927) an die Reg. (MinPräs. J. Nygaardsvold). Im Zweiten Weltkrieg machte Hitler das norweg. Bemühen um Beibehaltung der Neutralität mit dem Einmarsch dt. Truppen in N. (9. 4. 1940) zunichte. Die norweg. Reg. und die königl. Familie gingen ins Exil nach London. 1942 bildete V. Quisling (Führer der faschist. »Nasjonal Samling«) eine von Reichskommissar J. Terboven abhängige Regierung.Die Wahlen vom Okt. 1945 brachten der Arbeiterpartei die absolute Mehrheit, die sie (mit kurzer Unterbrechung) bis 1965 behauptete. 1957 bestieg Olaf V. den Thron. 1965-71 bildeten die bürgerl. Parteien eine Koalitionsreg. In den Parlamentswahlen seit den 1970er-Jahren dominierte die Arbeiterpartei; sie stellte 1971-72, 1973-81 und 1986-89 die MinPräs. (u. a. 1976-81 O. Nordli, 1981 und 1986-89 G. Harlem Brundtland). Konservative Minderheitskabinette bestanden 1981-86 (K. Willoch) und 1989-90 (J. P. Syse). Nach dem Tod König Olafs V. (17. 1. 1991) wurde König Harald V. Staatsoberhaupt.
Außenpolitisch gab N. nach dem Zweiten Weltkrieg seine Neutralität auf und trat 1949 der NATO bei. Die Mitgliedschaft in diesem Bündnis sowie die Mitarbeit in der Europ. Freihandelsassoziation (EFTA) und im Nord. Rat bestimmt im Wesentlichen die Außenpolitik. Nachdem ein EG-Beitritt trotz Beitrittsempfehlungen der großen Parteien im Sept. 1972 in einer Volksabstimmung abgelehnt worden war, schloss N. 1973 einen Freihandelsvertrag mit den EG. Die 1990 von G. H. Brundtland gebildete sozialdemokrat. Reg. sah neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und dem Umweltschutz in den 1990er-Jahren einen weiteren Schwerpunkt ihrer Politik in der seit dem Ende der 1960er-Jahre umstrittenen Europapolitik. Nachdem das Storting im Okt. 1992 den Vertrag über die Schaffung eines Europ. Wirtschaftsraumes (EWR) ratifiziert hatte, ersuchte die Reg. Brundtland im Nov. 1992 die EG formell um Aufnahme in diese Organisation. Parallel zu den Beitrittsverhandlungen der Reg. bildete sich eine parteienübergreifende Bewegung »Nein der EG«. Aus den Wahlen zum Storting (13./14. 9. 1993) gingen die Sozialdemokraten, in der Frage des EG-Beitritts gespalten, zwar weiterhin als stärkste Partei hervor, mussten aber wie die konservative Høre, eine entschiedene Befürworterin des EG-Beitritts, Stimmeneinbußen hinnehmen. Die Zentrumspartei, einer der Hauptgegner des EG-Beitritts, konnte hingegen starke Stimmengewinne erzielen. Im Nov. 1994 lehnte die Bev. in einer Volksabstimmung den Eintritt ihres Landes in die EU erneut ab. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion suchte N. mit den anderen nord. Staaten die Zusammenarbeit mit Russland (1993 Bildung des Barentsrates). Der norweg. Außenmin. J. J. Holst vermittelte im Nahostkonflikt 1993 das Gaza-Jericho-Abkommen.
Im Okt. 1996 trat G. H. Brundtland als MinPräs. zurück. Ihr folgten T. Jagland (Arbeiterpartei), im Okt. 1997 K. M. Bondevik (Christl. Volkspartei) im Amt.
▣ Literatur:
Lindemann, R.: N. Räuml. Entwicklungen in einem dünnbesiedelten Land. Stuttgart 1986.
⃟ Midgaard, J.: Eine kurze Gesch. N.s. A. d. Engl. Oslo 61989.
⃟ Gläßer, E.: N. Darmstadt 21993.
⃟ Crossing the borders. Studies in Norwegian business history, hg. v. R. P. Amdam u. a. Oslo 1994.
⃟ Imber, W. u. Tietze, W.: N. Neuausg. Augsburg 1995.
⃟ Norway. A history from the Vikings to our times, Beiträge v. R. Danielsen u. a. A. d. Norweg. Oslo 1995.
⃟ Austrup, G. u. Quack, U.: N. München 21997.
⃟ N. u. die Europäische Union, hg. v. Dieter A. Schmidt. München 1997.
⃟ Archer, C. u. Sogner, I.: Norway, European integration and Atlantic security. London 1998.
⃟ Libæk, I. u. Stenersen, Ø.: A history of Norway. A. d. Dän. Oslo 31999.
⃟ Matthews, D. R. u. Valen, H.: Parliamentary representation. The case of the Norwegian Storting. Columbus, Ohio, 1999.
Einwohner: (1997) 4,393 Mio.
Hauptstadt: Oslo
Verwaltungsgliederung: 19 Provinzen (Fylker)
Amtssprache: Norwegisch
Nationalfeiertag: 17. 5.
Währung: 1 Norwegische Krone (nkr) = 100 Øre (Ø)
Zeitzone: MEZ
(Norge, amtlich norweg. Kongeriket Norge, dt. Königreich N.), Staat in N-Europa, grenzt im S an die Nordsee (einschl. Skagerrak), im W an das Europ. Nordmeer (vor der mittelnorweg. Küste als N.-See bezeichnet), im N an die Barentssee, Landgrenzen bestehen mit Russland, Finnland und Schweden. Zu N. gehören außerdem Svalbard (Spitzbergen), die Bäreninsel (Bouvetøy) und Jan Mayen, Außenbesitzungen sind Bouvetinsel und Peter-I.-Insel, in der Antarktis beansprucht N. Königin-Maud-Land.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1814 (mehrfach geändert) ist N. eine konstitutionelle Erbmonarchie. Staatsoberhaupt und formal oberster Inhaber der Exekutive ist der König (seit 1990 männl. und weibl. Thronfolge möglich). Der Inhalt der königl. Beschlüsse, die vom MinPräs. gegengezeichnet werden müssen, wird vom Staatsrat (Reg.) bestimmt. Die Reg. wird vom Monarchen ernannt und ist dem Parlament verantwortlich. Die Legislative liegt beim Einkammerparlament (Storting; 165 Abg., auf vier Jahre gewählt). Die Gesetzgebung erfolgt in zwei Instanzen: Im Odelsting (ein Viertel aller Abg.) werden die Ges. eingebracht, zur Verabschiedung werden sie dem Lagting (drei Viertel der Abg.) zugeleitet. Der vom Parlament ernannte Ombudsmann hat die Aufgabe, die Rechte der Bürger zu wahren. Stärkste Partei ist die sozialdemokratisch ausgerichtete Arbeiterpartei; daneben spielen v. a. die Zentrumspartei, die Konservative Partei, die Christl. Volkspartei, die Sozialist. Linkspartei und die extrem konservative Fortschrittspartei eine Rolle.
Landesnatur: N. liegt im W der Skandinav. Halbinsel. Die N-S-Ausdehnung beträgt 1 752 km, die größte O-W-Ausdehnung 430 km. Ein Drittel des Staatsgebiets liegt nördlich des Polarkreises. Die Küstenlänge beträgt mit Einbeziehung der Buchten und Fjorde rd. 21 000 km (ohne diese 2 650 km). Das Landesinnere wird durch weite Hochflächen bestimmt. Im W liegt das zentralnorweg. Gebirge, das nach W steil, nach O schwach abfällt und in dem die höchsten Erhebungen des Landes, Glittertind (2 472 m ü. M.) und Galdhøppig (2 469 m ü. M.), liegen. Die Küsten, denen zahlr. Schären und Inseln vorgelagert sind, sind durch Fjorde stark gegliedert. - Das Klima weist ausgeprägte Unterschiede zw. dem unter dem Einfluss des Norweg. Stroms (warme Meeresströmung im Europ. Nordmeer) stehenden W und dem kontinental beeinflussten O auf. Oslo hat in seiner geschützten Lage am Oslofjord mit 17,3 ºC das höchste Julimittel Skandinaviens. Die Luvseite der Gebirge ist niederschlagsreich (Bergen 1 960 mm/Jahr, dagegen in Oslo 740 mm, in Karasjok 340 mm). Plateaugletscher bedecken insgesamt 3 900 km2 des Landes. - Mittel- und Nord-N. gehören zum Nadelwaldgürtel, an der Skagerrakküste treten noch mitteleurop. Laubwälder auf.
Bevölkerung: Neben den Norwegern leben als Minderheiten Lappen und Finnen im Land, auf Spitzbergen auch Russen u. a.; bevorzugte Siedlungsräume sind die Küstenplattform, große Täler, Terrassen in den Fjorden sowie die flacheren Gebiete an der Küste oder im Landesinnern. 90 % der Bev. gehören der evangelisch-luther. Staatskirche an. Es besteht neunjährige Schulpflicht. N. verfügt über vier Univ., zehn Hochschulen mit Univ.rang sowie fünf Kunst- und Musikhochschulen.
Wirtschaft, Verkehr: Nur rd. 3 % des Staatsgebiets werden landwirtschaftlich genutzt. Anbau bes. von Futtergerste, ferner Hafer, Kartoffeln, Weizen. Bedeutender ist die Viehzucht (z. T. Seterwirtschaft [Almwirtschaft]). Im N wird Pelztierzucht (bes. Blaufüchse, Nerze) betrieben. Der Wald (26 % der Fläche), vorwiegend in Privatbesitz, wird stark forstwirtschaftlich genutzt. N. ist ein führendes Land im Fischfang. Wichtig ist die Erdgas- und Erdölförderung in der Nordsee. Eisenerze werden im N abgebaut, Steinkohle auf Spitzbergen; zahlr. kleinere Vorkommen von Buntmetallerzen (Titan, Kupfer, Zink, Pyrit). Die Nutzung der reichen Wasserkräfte fördert v. a. die Elektrometallurgie (bes. Aluminiumproduktion) und elektrochem. Ind.; außerdem petrochem., Elektronik-, Metall-, Maschinen-, Werftind., Fisch- und Holzverarbeitung. Fremdenverkehr v. a. an der W-Küste (Fjorde). Ausgeführt werden v. a. Erdöl und Erdgas, Schiffe, Erze und Metalle, Holz, Papier und Papiermasse, Fische und Fischprodukte; Haupthandelspartner sind Schweden, Großbritannien und Dtl. - Große Bedeutung hat die Seeschifffahrt; mit (1994) 22,4 Mio. BRT besitzt N. die fünftgrößte Handelsflotte der Erde. Größte Häfen sind Tønsberg und Oslo; ferner Fredrikstad, Haugesund, Mo i Rana, Kristiansand, Stavanger, Bergen und Trondheim, für die Erzausfuhr Narvik und Kirkenes. Fährverkehr nach Großbritannien, Dänemark, Dtl. Die Küstenschifffahrt wickelt rd. 80 % des Frachtaufkommens ab. Das Eisenbahnnetz ist 4 023 km lang, das Straßennetz (beide v. a. im S gut ausgebaut) 90 174 km. Internat. Flughäfen gibt es in Oslo (Fornebu), Bergen (Flesland) und Stavanger (Sola).
Geschichte: Bis zum 9. Jh. bestanden im Gebiet der Norweger versch. Kleinkönigreiche, die um 872 erstmals durch Harald I. Harfågre vereinigt wurden. Bis Mitte des 11. Jh. unternahmen die norweg. Wikinger zahlr. Raub-, Erkundungs- und Handelszüge, die sie bis nach England, NW-Frankreich, Grönland und an die nordamerikan. Küste führten. Das Christentum kam über England nach N. und wurde um 1000 von den Königen Olaf I. und Olaf II. z. T. gewaltsam verbreitet. 1028 eroberte der dän. König Knut d. Gr. das Land und beherrschte es bis zu seinem Tod (1035). König Magnus I., der Gute (1035-47), festigte das norweg. Reich und konnte 1042 auch König von Dänemark werden. Harald III. fiel 1066 bei einem Eroberungszug in England. 1152/53 wurde Nidaros (Trondheim) norweg. Bischofssitz. Nach Bürgerkriegen im 12./13. Jh. konnte erst Håkon IV. 1247 das Reich wieder festigen; N. hatte in dieser Zeit seine größte territoriale Ausdehnung: Neben Teilen des heutigen Schweden, den Färöern, Hebriden, Orkneyinseln und der Insel Man waren auch Grönland (1261) und Island (ab 1262/64) norwegisch. Nach 1300 geriet N. zunehmend in wirtsch. Abhängigkeit von der Hanse, die seit 1236 in Bergen eine Niederlassung hatte. Der Pest von 1349/50 fielen große Teile der norweg. Bev. zum Opfer. Håkon V. (1299-1319) machte Oslo (Name 1624-1924 Christiania, seit 1877 in der Schreibung Kristiania) zur Hauptstadt N.s. Als mit seinem Tod das norweg. Königshaus im Mannesstamm ausstarb, ging die Krone an seinen Enkel Magnus VII. Eriksson (zugleich seit 1319 König von Schweden), der N. aber 1343 an seinen Sohn Håkon VI. abtreten musste. Olaf IV. Håkonsson (1380 bis 1387), der Sohn Håkons VI. und Margaretes (Tochter Waldemars IV. von Dänemark), war seit 1380 König von N. und Dänemark; damit wurde die bis 1814 bestehende dänisch-norweg. Union eingeleitet. Nach dem Tod Olafs (1387) wurde seine Mutter Margarete Nachfolgerin; durch den Sieg von Falköping (1389) über Albrecht von Schweden erhielt sie auch die schwed. Krone. 1397 vereinte Margarete N., Dänemark und Schweden in der Kalmarer Union zu einem skandinav. Großreich (Wahl Erichs von Pommern zum 1. Unionskönig in Kalmar 1397, erst nach dem Tod Margaretes seit 1412 Alleinherrscher). 1450 wählte der norweg. Reichsrat Christian I. von Dänemark zum König (Unionsvertrag von Bergen); bis 1814 wurde N. von dän. Königen aus dem Hause Oldenburg regiert. 1536 wurde die Reformation in N. eingeführt, 1537 die norweg. Selbstverwaltung durch Christian III. aufgehoben. Im Gefolge der schwedisch-dän. Kriege verlor N. 1645 Jämtland und Härjedalen (Frieden von Brömsebro, 1645) und 1648 Bohuslän (Frieden von Roskilde, 1658) an Schweden. Friedrich III. (Friedrich 12) setzte 1660 den Absolutismus durch.Im 18. Jh. kam es zu Bauernaufständen (1765 »Strilekrieg« in der Gegend von Bergen, 1786 »Lofthusbewegung«). Nach den Napoleonischen Kriegen erreichte der schwed. Kronprinz Bernadotte (später König Karl XIV. Johann, Karl 36) im Frieden von Kiel (1814) von Dänemark die Abtretung N.s (mit Ausnahme von Island, Grönland und den Färöern) an Schweden. Daraufhin beschloss eine gewählte Versammlung in Eidsvoll am 17. 5. 1814 eine liberale Reichsverf. und wählte den dän. Prinzen Christian Friedrich (Christian 7) zum König von Norwegen. Der Einmarsch schwed. Truppen erzwang jedoch am 4. 11. 1814 die Anerkennung des schwed. Königs Karl XIII. als norweg. Monarchen; die Verf. von Eidsvoll wurde weitgehend beibehalten. In der Zeit der schwedisch-norweg. Union (1814-1905) verstärkten sich die norweg. Bemühungen um größere nat. Selbstständigkeit. Die Reg.zeit Karls XIV. Johann war geprägt von Auseinandersetzungen zw. der königl. Gewalt und dem Storting (Parlament), das 1821 die Abschaffung des Adels durchsetzte. 1884 errang die von J. Sverdrup geführte liberale Linke (Venstre) die Mehrheit im Storting und bildete die Reg. 1898 erhielten Männer das allg. Wahlrecht (1913 auch den Frauen zuerkannt). Zw. 1850/60 und 1914 wanderten rd. 1 Mio. Norweger nach Nordamerika aus.Im Juni 1905 nahm das Storting die Ablehnung einer norweg. Gesetzesvorlage durch den König zum Anlass, die Union per Beschluss aufzulösen (am 13. 8. 1905 durch Volksabstimmung bestätigt), König Oskar II. dankte ab. Am 18. 11. 1905 wurde der dän. Prinz Karl aus dem Haus Glücksburg als Håkon VII. zum König von N. gewählt. Im Vertrag von Kristiania (1907) übernahmen das Dt. Reich, Frankreich, Großbritannien und Russland die Garantie für die Integrität von N. Im Ersten Weltkrieg bewahrte N. trotz brit. Drucks und der Eröffnung des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs durch Dtl. (1917) seine Neutralität. 1920 wurde Spitzbergen durch den Völkerbund N. zugesprochen. 1935 gelangte die Arbeiterpartei (gegr. 1887, Zusammenschluss mit den Sozialdemokraten 1927) an die Reg. (MinPräs. J. Nygaardsvold). Im Zweiten Weltkrieg machte Hitler das norweg. Bemühen um Beibehaltung der Neutralität mit dem Einmarsch dt. Truppen in N. (9. 4. 1940) zunichte. Die norweg. Reg. und die königl. Familie gingen ins Exil nach London. 1942 bildete V. Quisling (Führer der faschist. »Nasjonal Samling«) eine von Reichskommissar J. Terboven abhängige Regierung.Die Wahlen vom Okt. 1945 brachten der Arbeiterpartei die absolute Mehrheit, die sie (mit kurzer Unterbrechung) bis 1965 behauptete. 1957 bestieg Olaf V. den Thron. 1965-71 bildeten die bürgerl. Parteien eine Koalitionsreg. In den Parlamentswahlen seit den 1970er-Jahren dominierte die Arbeiterpartei; sie stellte 1971-72, 1973-81 und 1986-89 die MinPräs. (u. a. 1976-81 O. Nordli, 1981 und 1986-89 G. Harlem Brundtland). Konservative Minderheitskabinette bestanden 1981-86 (K. Willoch) und 1989-90 (J. P. Syse). Nach dem Tod König Olafs V. (17. 1. 1991) wurde König Harald V. Staatsoberhaupt.
Außenpolitisch gab N. nach dem Zweiten Weltkrieg seine Neutralität auf und trat 1949 der NATO bei. Die Mitgliedschaft in diesem Bündnis sowie die Mitarbeit in der Europ. Freihandelsassoziation (EFTA) und im Nord. Rat bestimmt im Wesentlichen die Außenpolitik. Nachdem ein EG-Beitritt trotz Beitrittsempfehlungen der großen Parteien im Sept. 1972 in einer Volksabstimmung abgelehnt worden war, schloss N. 1973 einen Freihandelsvertrag mit den EG. Die 1990 von G. H. Brundtland gebildete sozialdemokrat. Reg. sah neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und dem Umweltschutz in den 1990er-Jahren einen weiteren Schwerpunkt ihrer Politik in der seit dem Ende der 1960er-Jahre umstrittenen Europapolitik. Nachdem das Storting im Okt. 1992 den Vertrag über die Schaffung eines Europ. Wirtschaftsraumes (EWR) ratifiziert hatte, ersuchte die Reg. Brundtland im Nov. 1992 die EG formell um Aufnahme in diese Organisation. Parallel zu den Beitrittsverhandlungen der Reg. bildete sich eine parteienübergreifende Bewegung »Nein der EG«. Aus den Wahlen zum Storting (13./14. 9. 1993) gingen die Sozialdemokraten, in der Frage des EG-Beitritts gespalten, zwar weiterhin als stärkste Partei hervor, mussten aber wie die konservative Høre, eine entschiedene Befürworterin des EG-Beitritts, Stimmeneinbußen hinnehmen. Die Zentrumspartei, einer der Hauptgegner des EG-Beitritts, konnte hingegen starke Stimmengewinne erzielen. Im Nov. 1994 lehnte die Bev. in einer Volksabstimmung den Eintritt ihres Landes in die EU erneut ab. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion suchte N. mit den anderen nord. Staaten die Zusammenarbeit mit Russland (1993 Bildung des Barentsrates). Der norweg. Außenmin. J. J. Holst vermittelte im Nahostkonflikt 1993 das Gaza-Jericho-Abkommen.
Im Okt. 1996 trat G. H. Brundtland als MinPräs. zurück. Ihr folgten T. Jagland (Arbeiterpartei), im Okt. 1997 K. M. Bondevik (Christl. Volkspartei) im Amt.
▣ Literatur:
Lindemann, R.: N. Räuml. Entwicklungen in einem dünnbesiedelten Land. Stuttgart 1986.
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⃟ Gläßer, E.: N. Darmstadt 21993.
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