Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Neutralität
Neutralität[lat.] die,
1) allg.: Unparteilichkeit in einem Streit.
2) Recht: Im Staatsrecht der Grundsatz der Nichteinmischung des Staates. Die weltanschauliche N. fordert die Nichteinmischung des Staates in Fragen des religiösen oder weltanschaul. Bekenntnisses. Sie ist in dem Verbot der Benachteiligung oder Bevorzugung wegen des Glaubens, der religiösen oder der polit. Anschauung (Art. 3 Abs. 3 GG), in der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG), der Sicherung des bekenntnisunabhängigen Zugangs zu öffentl. Ämtern (Art. 33 Abs. 3 GG) und durch die staatskirchenrechtl. Gewährleistungen des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 und 137 Weimarer Reichs-Verf. gewährleistet. Sie verbietet nicht nur die Entscheidung von Glaubensfragen durch den Staat, sondern jede Diskriminierung oder Privilegierung von religiösen oder weltanschaul. Gemeinschaften und deren Angehörigen. Sie fordert allerdings nicht einen laizist. Staat mit völliger Trennung von Staat und Kirche. Die koalitionsrechtliche N. verpflichtet den Staat gegenüber den Vereinigungen auf Arbeitgeber- und auf Arbeitnehmerseite zur Nichteinmischung bei Tarifauseinandersetzungen und Arbeitskämpfen. Die Rechtsordnung darf dem Grundsatz der Parität von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite nicht zuwiderlaufen. Im Völkerrecht meint N. die Nichtbeteiligung eines Staats an einem bewaffneten Konflikt zw. dritten Staaten oder anerkannten Bürgerkriegsparteien. Zu unterscheiden ist zw. dauernder N. (z. B. Schweiz, Österreich) und N. in einer bestimmten Situation. Das N.-Recht gilt ausschl. zw. Neutralen und Krieg führenden: 1) Aus dem Prinzip der Wahrung der territorialen Souveränität des Neutralen folgt, dass vom Krieg führenden keine Truppen auf oder durch das Gebiet oder den Luftraum des Neutralen gesandt werden dürfen. Kriegshandlungen von Schiffen Krieg führender in neutralen Gewässern sind ebenso untersagt wie Durchsuchungen und die Ausübung des Wegnahmerechts; die einfache Durchfahrt und Verwundetentransporte sind hingegen zulässig (Höchstaufenthaltsdauer in neutralen Gewässern: 24 Stunden). Der Neutrale darf eine Verletzung seiner N. mit Waffengewalt unterbinden. Gelangen Krieg führende Truppen auf neutrales Gebiet, sind sie zu internieren. 2) Das Gebot der Gleichbehandlung der Krieg führenden durch den Neutralen bezieht sich i. d. R. nur auf staatl. kriegsrelevante Akte. Neutrale sind zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Aus- und Durchfuhr von Waffen und anderem Kriegsgerät durch Private oder den Fernsprechverkehr für Krieg führende zu verhindern. 3) Das Verbot der Waffenhilfe bedeutet, dass keine Streitkräfte des Neutralen in den Konflikt eingreifen dürfen. Lieferungen von Kriegsmaterial an die Krieg führenden muss der Neutrale unterlassen; gegen private Lieferungen braucht er aber nicht einzuschreiten. Im Seekrieg ist er jedoch verpflichtet, die Ausrüstung oder Bewaffnung eines erkennbar zur Kriegführung bestimmten Schiffes durch Private zu verhindern.
Die Rechts- und Handelsbeziehungen eines Neutralen bleiben vom N.-Recht unberührt. - Grundsätzlich kann jeder Staat frei entscheiden, ob er in einem bestimmten Krieg neutral bleiben will. Diese Freiheit kann aber z. B. durch Verteidigungsbündnisse oder kollektive Sicherheitsverträge, die einen Staat insbesondere zur (militär.) Unterstützung eines angegriffenen Vertragspartners verpflichten, eingeschränkt werden.
Literatur:
H. Krejci N. Mythos u. Wirklichkeit, hg. v. u. a., bearb. v. F. Ermacora u. a. Wien 1992.
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