Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Napoleon
Napoleon(frz. Napoléon), frz. Herrscher aus der kors. Familie Bonaparte:
1) N. I., Kaiser der Franzosen (1804-14/15), urspr. Napoleone Buonaparte, * Ajaccio 15. 8. 1769, ✝ Longwood (auf Sankt Helena) 5. 5. 1821, Vater von 2), Onkel von 3); Artillerieleutnant, wurde nach der Rückeroberung von Toulon zum Brigadegeneral (1794) ernannt, nach der Niederwerfung des royalist. Aufstandes in Paris (1795) Oberbefehlshaber der Italienarmee (1796). 1796 heiratete er Joséphine de Beauharnais. - Mit dem oberitalien. Feldzug (1796/97, Französische Revolutionskriege) begann N.s Aufstieg zur Macht. Vorzeitig von der »Ägypt. Expedition« (1798-1801; Sieg bei den Pyramiden, 21. 7. 1798) zurückgekehrt (Landung bei Fréjus, 9. 10. 1799), stürzte er am 18./19. Brumaire VIII (9./10. 11. 1799) das Direktorium. Als Erster Konsul sicherte er sich eine starke persönl. Macht, durch das Konkordat mit Papst Pius VII. (1801) auch die Verfügung über die vom Staat besoldete Kirche. 1804 erließ er den Code civil, der das bürgerl. Recht in Frankreich bis heute bestimmt. Damit hatte N. im Inneren eine stabile Ordnung geschaffen, nach außen beendete er erfolgreich den 2. Koalitionskrieg. Gestützt auf Volksabstimmungen machte sich N. 1802 zum Konsul auf Lebenszeit und krönte sich am 2. 12. 1804 in Paris selbst zum »Kaiser der Franzosen«, worauf ihn der Papst weihte. 1805 krönte er sich in Mailand zum »König von Italien«. Seine Brüder Joseph, Louis, Jérôme wie auch seinen Schwager J. Murat erhob N. zu Königen in den von Frankreich abhängigen Territorien. Die durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 eingeleitete Neuordnung Dtl.s wurde fortgesetzt durch den unter N.s Protektorat gebildeten Rheinbund (12. 7. 1806), der zur Auflösung des Hl. Röm. Reiches führte.
Der Ggs. zw. brit. Interessen und frz. Hegemonialanspruch ließ schon 1803 den Krieg erneut ausbrechen (Napoleonische Kriege). Durch die Kontinentalsperre blockierte N. die Wirtschaft Großbritanniens, das seit der Schlacht bei Trafalgar die See beherrschte; mit Alexander I. von Russland schloss er ein Bündnis. Um 1807/08 hatte N. den Gipfel seiner Macht erreicht. Nach der Scheidung seiner kinderlosen Ehe mit Joséphine heiratete er 1810 die österr. Kaisertochter Marie Louise, die ihm einen Sohn (N. II.) gebar. Ab 1807 erhoben sich die europ. Völker - zuerst in Spanien - gegen die napoleon. Herrschaft. Mit dem verlustreichen Feldzug gegen Russland 1812 begann ihr Verfall, in den Befreiungskriegen erreichte das Kriegsgeschehen frz. Boden. Am 31. 3. 1814 besetzten die verbündeten Gegner Paris und zwangen N. zur Abdankung (6. 4. 1814). Als Souverän von Elba behielt er den Kaisertitel. - Die fehlende Begeisterung des frz. Volkes für die bourbon. Restauration, auch die Überschätzung der Differenzen zw. den Siegern ermöglichten N., noch einmal nach der Macht zu greifen: Er landete am 1. 3. 1815 bei Cannes, doch endeten die »Hundert Tage« mit der endgültigen Niederlage bei Waterloo am 18. 6. 1815. Er wurde auf Lebenszeit auf die brit. Insel Sankt Helena verbannt. Sein Leichnam wurde 1840 im Pariser Invalidendom beigesetzt. N.s Wirken, in dem sich die Ideen der Frz. Revolution mit absolutist. Herrscherwillen verbanden, zerstörte die feudalen Strukturen Europas und verhalf dem modernen Staats- und Nationalgedanken zum Durchbruch. Seine Begabung als Feldherr war überragend, erstmals nutzte er die Möglichkeit der Kriegführung mit wirtsch. Mitteln in großem Stil. Die Verwaltungs-, Finanz- und Rechtsorganisation in Frankreich prägt er bis in die Gegenwart.
Literatur:
Presser, J.: N. Das Leben u. die Legende. A. d. Niederländ. Zürich 1990.
Venohr, W.: N. in Dtl. Tyrann u. Reformator. Erlangen u. a. 1991.
N. Bonaparte u. das frz. Volk unter seinem Konsulate, hg. v. W. Greiling. Leipzig 1993.
Dufraisse, R.: N. Revolutionär u. Monarch. A. d. Frz. München 1994.
Markov, W.: N. u. seine Zeit. Leipzig 21996.
Blackburn, J.: Des Kaisers letzte Insel. A. d. Engl. Tb.-Ausgabe München 1998.
2) N. (II.), König von Rom, einziger legitimer Sohn von 1), Herzog von Reichstadt.
3) N. III., Kaiser der Franzosen (1852-70), eigtl. Charles Louis Napoléon Bonaparte, * Paris 20. 4. 1808, ✝ Chislehurst (heute zu London) 9. 1. 1873; Sohn des Louis Bonaparte, König von Holland, und seiner Gemahlin Hortense, Neffe von 1); lebte seit 1815 im schweizer. und dt. Exil. Nach dem Tod des Herzogs von Reichstadt 1832 war er Haupt der Familie Bonaparte, unternahm Putschversuche gegen die Julimonarchie (30. 10. 1836 Straßburg, 6. 8. 1840 Boulogne) und wurde zu lebenslängl. Festungshaft verurteilt, aus der er 1846 nach London floh. Nach der Februarrevolution von 1848 nach Frankreich zurückgekehrt, errang er 74 % der Stimmen bei der Präsidentschaftswahl vom Dez. 1848. Der Staatsstreich vom 2. 12. 1851 brachte dem »Prince Président« umfassende Reg.vollmachten. Gestützt auf ein Plebiszit, ließ er sich am 2. 12. 1852 zum erbl. »Kaiser der Franzosen« ausrufen. In der Außenpolitik betrieb er die Umgestaltung der europ. Ordnung zum Vorteil Frankreichs: Mit Großbritannien verbündet, unterstützte er 1854-56 die Türkei gegen Russland im Krimkrieg. Aufseiten der von Cavour geleiteten italien. Freiheitsbewegung führte er 1859 Krieg gegen Österreich (Siege bei Magenta und Solferino) und gewann Savoyen und Nizza für Frankreich. Der Einfluss von Kaiserin Eugénie auf die Außenpolitik führte in der Folgezeit zu schweren Fehlschlägen, bes. in der Römischen Frage und 1861-67 bei der Intervention in Mexiko. Bismarcks Politik der nat. Einigung Dtl.s stand er ablehnend gegenüber, die hohenzollernsche Thronkandidatur in Spanien wurde zur frz. Prestigefrage, die in den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 mündete. Als N. bei Sedan am 2. 9. 1870 in preuß. Kriegsgefangenschaft geriet, wurde in Paris die Rep. ausgerufen. Nach seiner Entlassung ging er nach Großbritannien. - N.s Regierung war, bes. bis 1860, autoritär, der wirtsch. Aufschwung kam dem wohlhabenden Bürgertum zugute. Die Lage der unteren Schichten suchte er durch Arbeitsbeschaffung zu verbessern, v. a. bei der Umgestaltung von Paris durch Baron Haussmann.
Literatur:
Herre, F.: N. III. Glanz u. Elend des Zweiten Kaiserreiches. München 1990.
Rieder, H.: N. III.Abenteurer u. Imperator. München 1998.
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