Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
NS-Prozesse
NS-Prozesse,Gerichtsverfahren, in denen nat.-soz. Gewaltverbrechen zur Anklage gebracht werden. Die ersten Strafprozesse fanden in den vier Besatzungszonen wenige Monate nach Zerschlagung der NS-Diktatur statt (Verfahren vor Militärgerichten und sowjet. Militärtribunalen; Nürnberger Prozesse). Rechtsgrundlagen waren das Kontrollrats-Ges. Nr. 10 vom 20. 12. 1945 (1956 aufgehoben) und die Direktive Nr. 38 des Alliierten Kontrollrats vom 20. 10. 1946. Die Zahl der von dt. Strafverfolgungsbehörden wegen NS-Verbrechen geführten Prozesse hatte in den Jahren 1948/49 einen Höchststand und ging dann zurück. 1950 fanden in der DDR die so genannten Waldheimer Prozesse statt, die wegen Verletzung rechtsstaatl. Grundsätze stark kritisiert wurden. Die Problematik der NS-P. liegt v. a. im zeitl. Abstand vom Tatgeschehen. Die bundesdt. Justiz begann erst 1958 mit der Einrichtung der »Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen« intensiv mit der Verfolgung von NS-Verbrechen. Ab 1964 wurde Material zur Aufklärung aus osteurop. Ländern (als den wesentl. Tatorten) verwertet. Für die Gerichte wurde es immer schwieriger, das objektive Tatgeschehen zu rekonstruieren und die individuelle Schuld der Tatbeteiligten festzustellen. Dies führte im Einzelfall zu z. T. milden Urteilen, die im In- und Ausland auf Kritik stießen. Noch heute sind Strafverfahren wegen NS-Verbrechen anhängig; auch Ermittlungsverfahren laufen noch.
Literatur:
Rückerl, A.: NS-Verbrechen vor Gericht. Versuch einer Vergangenheitsbewältigung. Heidelberg 21984.
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