Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Müntzer
Mụ̈ntzer(Münzer), Thomas, evang. Theologe, * Stolberg (Harz) um 1490, ✝ (hingerichtet) bei Mühlhausen/Thüringen 27. 5. 1525; studierte in Leipzig und Frankfurt (Oder); 1519 Begegnung mit M. Luther und Anschluss an die Reformation, 1520 Prediger in Zwickau; hier Kontakt mit der einem radikalen Spiritualismus folgenden Gruppe der Zwickauer Propheten um den Tuchmacher und Laienprediger Nikolaus Storch (* vor 1500, ✝ nach 1536 [?]), zunehmende Entfremdung von Luther und Hinwendung zu auch gesellschaftspolitisch radikaler werdenden Vorstellungen; musste deshalb im April 1521 aus Zwickau fliehen; ging nach Böhmen (Kontakt zu den Böhm. Brüdern), wo er das »Prager Manifest« verfasste, das erstmals die Grundlage seiner Theologie enthielt: die Vorstellung von der unmittelbaren Wirkung des göttl. Wortes durch den Hl. Geist und von der prakt. Realisierbarkeit des Evangeliums in einem Reich Gottes auf Erden. Seit 1523 Pfarrer in Allstedt, führte er den Gottesdienst in dt. Sprache ein (»Dt. evang. Messe«, 1524) und gründete den »Bund getreul. und göttl. Willens«; forderte die Fürsten zum Eintritt auf (»Fürstenpredigt« am 13. 7. 1524). Nachdem sich diese - von Luther gewarnt - gegen ihn entschieden, Vertreibung aus Allstedt. Flucht über Mühlhausen und Nürnberg (endgültiger Bruch mit Luther, »Hochverursachte Schutzrede und Antwort wider das geistlose sanftlebende Fleisch zu Wittenberg«); Verbindungsaufnahme zu den aufständ. Bauern Ober-Dtl.s; 1525 Rückkehr nach Mühlhausen. Dort zum Pfarrer gewählt, setzte er eine radikaldemokrat. Verfassung durch und wurde (v. a. geistiger) Anführer eines Bauernheeres; nach dessen Niederlage bei Bad Frankenhausen gefangen genommen (15. 5. 1525), gefoltert und hingerichtet. - In der Geschichtsschreibung ist M. äußerst umstritten. V. a. frühe marxist. Historiker betonten die Rolle M.s als Politiker und Revolutionär, neuere Forschungen untersuchen seine Bedeutung als Reformator und Theologe differenzierter. Die prot. Kirchengeschichtsschreibung, die ihm über Jahrhunderte polemisch-abwertend gegenüberstand (»Fanatiker«, »Schwärmer«), arbeitet erst in jüngster Zeit an einer sachlich-krit. Wertung seiner Person. - Es sind keine zeitgenöss. Bildnisse M.s überliefert.
Literatur:
Goertz, H.-J.: T. M. München 1989.
T. M. im Urteil der Geschichte, hg. v. K. Ebert. Wuppertal 1990.
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