Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Mundartdichtung
Mund|artdichtung(Dialektdichtung), Dichtung in der Mundart einer bestimmten Landschaft. Erst in der Barockdichtung bedienen sich in Dtl. Dichter der Mundart in bewusstem Ggs. zur allg. Hoch- und Schriftsprache. Eines der frühesten Beispiele ist A. Gryphius' Lustspiel »Die gelibte Dornrose« (1660) in schles. Mundart. Die moderne M. setzt u. a. mit J. P. Hebels »Alemann. Gedichten« (1803) ein. Auf eine ununterbrochene Tradition kann das mundartliche österr. (J. A. Stranitzky bis L. Anzengruber) und bayer. Volkstheater (J. Ruederer, L. Thoma) zurückblicken; das naturalist. Drama gebrauchte die Mundart zur Erzielung realist. Wirkungen (G. und C. Hauptmann), eine Tendenz, die sich auch im 20. Jh. fortsetzte (O. M. Graf, Ö. von Horváth, F. X. Kroetz). Anhaltende konservativ-restaurative Funktionen erhielt die M. dagegen im Rahmen der Heimatkunstbewegung und im nat.-soz. Literaturbetrieb. In den 1950er-Jahren erlangte die M. eine neue Dimension als Experimentierfeld sprachkritisch orientierter Autoren (konkrete Poesie, Wiener Gruppe). Soziale Solidarität und Gruppenidentität verdeutlicht Mundart in der Kinder- und Jugendliteratur; die Übergänge zw. M. und literar. Umsetzung der Jugendsprache des 20. Jh. sind fließend. - Vergleichbare Entwicklungen gibt es auch in anderen Literaturen. (niederdeutsche Literatur)
Literatur:
Hoffmann, F.u. Berlinger, J.: Die neue dt. Mundartdichtung. Hildesheim u. a. 1978.
Dialekte u. Fremdsprachen in der Literatur, hg. v. P. Goetsch. Tübingen 1987.
Schmutzer, D.: Wiener. g'redt. Geschichte der Wiener M. Wien 1993.
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